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Von Tanja Buntrock und Alexander Fröhlich: Schon die erste Kugel war tödlich

Kein Fluchtversuch und keine Notwehr: Der Beamte schoss aus nächster Nähe

Neuruppin/Berlin - Er saß im Auto und hörte Musik, als der Berliner Polizist aus seiner Dienstwaffe auf ihn feuerte: Nach den tödlichen Schüssen in Schönfließ am Silvesterabend wurde jetzt bekannt, dass Dennis J. nicht einmal den Motor seines Wagens angelassen hatte, als der Zivilfahnder Reinhard R. (34) bereits auf ihn schoss. Gleich die erste Kugel – ein Lungensteckschuss – führte zum Tod. Demnach befand sich der unbewaffnete Dennis J. weder auf der Flucht, als geschossen wurde, noch konnte er das Auto als Waffe einsetzten.

Zwei der drei Beamten sollen auf den Jaguar, in dem Dennis J. saß, zugerannt sein und an den Türen gerüttelt haben. Nach einem „aggressiven Wortwechsel“, wie es hieß, stand der beschuldigte Polizist nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft auf der Fahrerseite und feuerte plötzlich „aus kurzer Distanz“ durch die geschlossene Fensterscheibe auf den 26-Jährigen. Informationen, dass der Abstand nur 50 Zentimeter betragen haben soll, bestätigten die Ermittler nicht.

Der Ablauf stellt sich nach den Erkenntnissen der kriminaltechnischen Untersuchung und der Tat-Rekonstruktion der Neuruppiner Staatsanwaltschaft so dar: Mit der Kugel im Körper schaffte es Dennis J. noch, den Wagen zu starten und loszufahren. Er gab Gas und fuhr aus der Parklücke heraus, prallte vorn gegen eine Hauswand, setzte zurück und stieß gegen einen Zaun. Dann fuhr er wieder nach vorne, rammte offenbar den Polizeiwagen und fuhr anschließend weiter. Währenddessen schoss der Polizist Reinhard R. weitere sieben Mal.

Nach etwa 200 Metern kam Dennis J. mit seinem Wagen zum Stehen, er wurde ohnmächtig und starb an den Folgen des ersten Schusses – nämlich „durch die eine Blutung in der Brust“, wie ein Gerichtsmediziner sagte. Reinhard R. hatte sein ganzes Magazin - also acht Kugeln - leer gefeuert: Sechs Mal schoss er auf den Wagen, eine Kugel traf einen geparkten BMW, wo die achte Kugel landete, ist bislang nicht bekannt.

Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass bereits der erste Schuss des Polizisten „rechtswidrig“ gewesen sei, da weder eine Notwehr noch eine Nothilfe-Situation vorgelegen habe. Deshalb wurde Reinhard R. am Montag in seiner Berliner Wohnung in Heiligensee festgenommen. Gestern erging Haftbefehl wegen Totschlags gegen ihn – allerdings gegen Meldeauflagen. Das heißt, der Kommissar bleibt auf freiem Fuß, da laut Ermittler keine Fluchtgefahr bestehe.

Von Anbeginn waren Ungereimtheiten aufgetaucht. Kurz nach der Tat war die Staatsanwaltschaft noch davon ausgegangen, dass der Beamte aus Notwehr auf Dennis J. geschossen habe: Angeblich weil dieser mit dem gestohlenen Jaguar flüchten wollte und dabei einen Beamten rammte und am Bein verletzte. Nun ist fraglich, ob das Opfer den Beamten am Bein überhaupt verletzt hat. Ein ärztliches Attest des angeblich angefahrenen Beamten sei erst später nachgereicht worden. „Ein Gerichtsmediziner wird nun prüfen, ob der Beamte wirklich angefahren worden ist“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt, Gerd Schnittcher.

Wie berichtet, hatten die Zivilfahnder des Wilmersdorfer Abschnitts 25 am Silvesterabend den Hinweis bekommen, dass der mit zwei Haftbefehlen (Diebstahl und Verkehrsdelikte) gesuchte Dennis J. sich in einem gestohlenen Jaguar in der Feldahornstraße in Schönfließ aufhält. Laut Staatsanwalt Schnittcher sei der Tipp aus der Familie der Freundin von Dennis J. gekommen.

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