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Viele Kinder und Jugendliche in Brandenburg fühlen sich gesundheitlich stark belastet.

© mauritius images/Masterfile/Daniel Milnors

Update

Sucht, Mobbing, Depression: Brandenburger Kinder leiden stark unter Krisen

Corona und Krieg: Die Krisen der vergangenen vier Jahre haben Kindern und Jugendlichen in Brandenburg körperlich und mental zugesetzt. Zu dem Befund kommt eine aktuelle Studie.

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Brandenburger Kinder und Jugendliche leiden stark unter den Auswirkungen von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Nach Selbsteinschätzung junger Brandenburger hat sich ihr Gesundheitszustand in den vergangenen vier, von globalen Krisen geprägten Jahren verschlechtert.

Zu dem Ergebnis kommt eine am Donnerstag veröffentliche, gemeinsame Studie des Gesundheits- und des Bildungsministeriums mit der Krankenkasse AOK Nordost und der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg. Vor allem mental fühlen sich die befragten Jugendlichen stärker belastet als noch 2018.

Besonders Ober- und Förderschüler sind betroffen

Obwohl immer noch der überwiegende Teil der Brandenburger Schülerinnen und Schüler die eigene Gesundheit als ausgezeichnet oder gut einschätzt, sind es mit 84 Prozent rund fünf Prozentpunkte weniger als in der Vorgängerstudie 2018. Eine noch deutlichere Verschlechterung ist im Bereich der psychischen Gesundheit zu verzeichnen.

42
Prozent der Befragten berichten von häufigen psychosomatischen Beschwerden

Berichteten vor vier Jahren noch 31 Prozent der Befragten von mehrmals wöchentlich auftretenden multiplen psychosomatischen Beschwerden, so stieg dieser Anteil jetzt auf 42 Prozent. Ebenfalls zugenommen hat die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die unter depressiven Symptomen oder Einsamkeitsgefühlen leiden.

Besonders häufig betroffen sind jeweils Mädchen, ältere Jugendliche sowie Jugendliche mit nichtbinärer Geschlechtsidentität. Zudem treten psychische Probleme häufiger an Oberschulen und Förderschulen und bei Kindern aus finanziell schlechter gestellten Familien auf.

Für die zweite sogenannten HBSC-Studie („Health Behaviour in School-aged Children“, deutsch: „Gesundheitsverhalten von Schulkindern“) wurden von April bis Juli 2022 rund 3800 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen 5, 7 und 9 an 87 allgemeinbildenden Schulen des Landes Brandenburg zu ihrer Gesundheit befragt.

„Die Daten sind ein Beleg dafür, dass die letzten vier Jahre auch für Kinder und Jugendliche in Brandenburg herausfordernd waren und körperliche sowie mentale Spuren hinterlassen haben“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Ministerien, Krankenkasse und Uni.

Das zeigt sich auch deutlich im zunehmenden Suchtverhalten junger Brandenburger. Der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die angaben, in den letzten 30 Tagen mindestens einmal geraucht zu haben, stieg binnen vier Jahren von acht auf zwölf Prozent an. Täglich rauchten 3,2 Prozent der Befragten (2018: 2,2 Prozent). Von mindestens einem Alkoholrausch in den letzten 30 Tagen berichteten 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen. 2018 waren es sieben Prozent.

13
Prozent der Befragten berichten von mindestens einem Alkoholrausch in den letzten 30 Tagen

Die 9. Klassen wurden zudem zu ihrem Drogenkonsum befragt. Die Zahl der Jugendlichen, die in den letzten 30 Tagen mindestens einmal Cannabis konsumierten, blieb relativ konstant bei elf Prozent. Hingegen verdoppelte sich der Anteil derjenigen, die an zehn und mehr Tagen Cannabis konsumierten von zwei auf vier Prozent.

Auch Online-Aktivitäten gehen für einige Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Risiken einher. Ungefähr zehn Prozent der Befragten und damit vier Prozentpunkte mehr als 2018 gaben an, soziale Medien in einem Maße zu konsumieren, das auf suchtähnliches Verhalten schließen lässt.

Schlägereien und Mobbing nehmen zu

Damit einher gehen negative Veränderungen beim Sozialverhalten. Zehn Prozent der Befragten berichten von Erfahrungen mit Schlägereien – das sind drei Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren. Gemobbt wurden laut der Studie 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen (2018: neun Prozent).

Der Anteil jener, die zugaben, selbst gemobbt zu haben, hat sich gegenüber 2018 von vier auf neun Prozent mehr als verdoppelt. Vor allem Cybermobbing spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. So hat sich der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die von Cybermobbing betroffen waren, seit 2018 von zwei auf sieben Prozent mehr als verdreifacht.

Ein deutlich negativer Trend ist auch beim Ernährungsverhalten zu beobachten. Nur knapp die Hälfte der Kinder und Jugendlichen gab an, täglich zu frühstücken. 2018 waren es noch rund 62 Prozent. Obst wird täglich von 47 Prozent der Befragten verzehrt, Gemüse von 32 Prozent. 

Leicht positiv entwickelt hat sich lediglich das Bewegungsverhalten. Erreichten 2018 nur 14,2 Prozent der Brandenburger Kinder und Jugendlichen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen 60 Minuten an täglicher körperlicher Aktivität, so stieg dieser Anteil um vier Prozentpunkte an.

„Angesichts des Zusammenhangs zwischen körperlicher (In-)Aktivität und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht, psychischen Erkrankungen sowie Einschränkungen der schulischen Leistungsfähigkeit ist dies aber immer noch deutlich zu wenig“, heißt es in der Mitteilung. Sport- und Bewegungsförderung bleibe daher auch künftig ein wichtiges Präventionsthema.

Insgesamt seien im präventiven Bereich verstärkte gesamtgesellschaftliche Anstrengungen erforderlich, um die negativen gesundheitlichen Folgen der Krisen der letzten Jahre abzufedern und die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu stärken, so das Fazit der Studie.

Mehr Plätze in der Jugendpsychiatrie

„Brandenburg investiert stark in die Verbesserung der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, sowie ihrer Familien“, sagt der Vize-Sprecher des Gesundheitsministeriums, Martin Wandrey, auf PNN-Anfrage. Dafür seien in den letzten Jahren die Familienzentren deutlich ausgebaut und mit zwei Millionen Euro pro Jahr zusätzlich unterstützt worden. Für Kinder und Jugendliche, die psychisch erkrankt sind, seien die Behandlungskapazitäten ausgebaut worden. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde mit dem neuen Landeskrankenhausplan 2021 die Zahl der Behandlungsplätze in den Tageskliniken seit 2017 von 126 auf 202 Plätze deutlich erhöht, so das Ministerium.

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