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Brandenburg: Um Worte nicht verlegen

Brandenburg: Berliner Oberstaatsanwalt tritt für AfD an. Kirche auf Distanz zu AfD-Kandidat aus Trebbin

Berlin/Potsdam - Einer der bekanntesten – und umstrittensten – Berliner Staatsanwälte will für die Brandenburger AfD in den Bundestag ziehen. Am Sonntag wurde Roman Reusch wie berichtet auf einer Mitgliederversammlung auf den zweiten Platz der Landesliste gewählt. Damit dürfte Reusch ebenso wie AfD-Landeschef Alexander Gauland sicher in den Bundestag einziehen.

Reusch ist im vergangenen Jahr zum Leitenden Oberstaatsanwalt und Leiter der Abteilung „Einlieferung und Auslieferung ausländischer Straftäter, Internationale Rechtshilfe“ ernannt worden. Vor zehn Jahren hatte er es mit provokanten Thesen zur Ausländerkriminalität zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Mit Zeitungsinterviews („U-Haft ist auch ein Erziehungsmittel“) brachte er die Justizverwaltung gegen sich auf. Reusch war damals als Leiter der Intensivtäterabteilung äußerst erfolgreich. Gerne verwies er darauf, dass 85 Prozent seiner Klientel arabischer Herkunft seien. Als Reusch forderte, ausländische Kriminelle „außer Landes zu schaffen“, versetzte ihn die damalige SPD-Justizsenatorin Gisela von der Aue auf eine weniger im Fokus stehende Position. Im Abgeordnetenhaus sagte von der Aue, der Staatsanwalt habe das „beamtenrechtliche Mäßigungsgebot“ verletzt.

Beamte – und so auch Staatsanwälte – dürfen sich zwar privat politisch betätigen, allerdings in Grenzen. Es kommt darauf an, wie stark der Bezug der politischen Betätigung zum Dienst ist. Das Gesetz stellt klar: „Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei.“ Das heißt, dass sie ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht auszuführen haben. Roman Reuschs Karriere als Staatsanwalt würde aber jedenfalls ab dem Moment pausieren, in dem er in den Bundestag einziehen würde. Aus dem Amt müsste er ausscheiden, seine Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis ruhen für die Dauer der Mitgliedschaft im Parlament. Ein Staatsanwalt als Volksvertreter wäre gleichzeitig Teil der Legislative und der Exekutive – das verträgt sich nicht mit der im Rechtsstaat vorgesehenen Gewaltenteilung.

Große Aufregung über die Personalie Reusch herrscht nicht mehr. In der Berliner Justiz ist er kein Thema, sein Engagement für die AfD ist seit Jahren bekannt. „Er hat daraus nie einen Hehl gemacht“, sagt ein ebenfalls leitender Kollege. 2016, als sein Engagement in Brandenburg bekannt wurde, war es ausgerechnet der heutige Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), der Reusch in Schutz nahm: „Wir wollen ja, dass sich Beamte parteipolitisch betätigen können.“ Ähnlich äußerte sich jetzt Ralph Knispel, Vorstand der Vereinigung Berliner Staatsanwälte. „Wir sehen keinen Zusammenhang mit seiner beruflichen Arbeit“, sagte er.

Ein anderer brandenburgischer AfD-Bundestagskandidat hat dagegen Ärger. Dietmar Ertel, der auch als evangelischer Laienprediger tätig ist, verliert in seiner Kirche offenbar zunehmend an Rückhalt. Seit das AfD-Engagement des Stadtverordneten von Trebbin in größerem Maß bekannt geworden ist, werde Ertel deutlich seltener von Gemeinden um Predigten in Gottesdiensten gebeten, sagte die zuständige Superintendentin Katharina Furian. Ertel darf bereits seit mehreren Jahren als ehrenamtlicher Prädikant predigen. C. Dobberke, J. Hasselmann,

R. Ringelstein, Y. Jennerjahn

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