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Anna Lehradt, Inhaberin vom Modeladen „Dotty&Dan“.

© picture alliance/dpa

Vintage in Werneuchen: Mode aus längst vergangenen Zeiten

„Dotty&Dan“ in Werneuchen ist nicht einfach nur ein Laden für Vintage-Mode. Inhaberin Anna Lehradt vermittelt Zeitgeist und Lebensgefühl. Und auch anderorts in Brandenburg geht es nostalgisch zu. 

Von Jeanette Bederke, dpa

Anna Lehradt ist ein echter Hingucker: Die hellblaue Rundkragen-Bluse mit den Puffärmeln hat sie zu einem flaschengrünen Rock mit hohem Bund kombiniert, dazu die blonden langen Haare im Stil der 30er Jahre frisiert. Die Krawatte, die sie dazu trägt, ist eine Hommage an Schauspielerin Marlene Dietrich, die dieses eigentlich Männern zugedachte Accessoire auch für Frauen tragbar machte – so beschreibt sie es.

Lehradts Laden „Dotty&Dan“ in Werneuchen (Barnim) wirkt auf den ersten Blick wie aus der Zeit gefallen. Denn hier findet sich Mode wie von 1890 bis in die 1960er Jahre, laut der 46-Jährigen auch heute noch kleidsam und stilecht. „Was ich selbst gern trage, kann ich auch meinen Kunden empfehlen“, sagt sie. Lehradt lebt vor, dass die Vintage-Mode durchaus alltagstauglich ist. „Wir sind Frauen und können unsere Weiblichkeit ruhig mehr unterstreichen – mit betonter Taille, weit schwingenden oder Bleistift-Röcken sowie Jacken mit Schößchen“, sagt sie.

Ihre Mission: Frauen sollten sich wieder mehr zurechtmachen und nicht „irgendwas“ anziehen. „Vintage“ oder „Retro“ bedeutet jedoch nicht alte Second-Hand-Bekleidung. Lehradt verkauft neue Mode nach alten Schnitten, auf die sich europaweit einige wenige kleine Firmen spezialisiert haben.

Im Herbst 2016 wagte die bisherige Buchhalterin den Neuanfang und eröffnete ihren besonderen Laden in Werneuchen, der Heimat ihres Mannes. „Mit 40 hatte ich so eine typische Sinnkrise, war beruflich nicht richtig glücklich“, erinnert sich die gebürtige Prignitzerin, die lange in Berlin gelebt hat.

Anna Lehradt berät die Kundin Christin Müller.
Anna Lehradt berät die Kundin Christin Müller.

© picture alliance/dpa

In ihrer Freizeit waren und sind Lehradt und ihr Partner auf Festivals unterwegs, bei denen Auto-Oldtimer, aber vor allem Swing- und Rockabilly-Musik im Mittelpunkt stehen. Und dazu gehört laut Lehradt auch die stilsichere Kleidung. „Ich mag auch die Gepflogenheiten und die Höflichkeit vergangener Zeiten, dass Frauen die Tür aufgehalten oder in die Jacke geholfen wird.“ Diese „gute Kinderstube“ sei doch heutzutage größtenteils verloren gegangenen.

Wer zu ihr kommt, macht das gezielt und wird beim Einkauf nicht allein gelassen. Der Besuch soll vielmehr zum Erlebnis werden. Mit fachmännischem Blick wählt die Chefin für ihre Kunden aus, was ihnen stehen könnte. „Ich sehe dann schon an der Körperhaltung, ob es dem Träger gefällt“, erzählt die Ladeninhaberin, die sowohl Männer als auch Frauen einkleidet und inzwischen eine deutschlandweite Stammkundschaft hat.

Zu ihnen gehört neben Fernsehmoderatorin Enie van de Meiklokjes auch Personalmanagerin Christin Müller aus Werneuchen. „Ich habe mich total gefreut, als der Laden öffnete und kaufte hier meinen ersten Petticoat“, erzählt die junge Frau, die ihre Freizeit in einem Rock’n’roll-Tanz-Club verbringt. Bis sie die Vintage-Mode auch im Alltag trug, habe es etwas gedauert, bekennt Müller. Inzwischen trage sie gern Rock oder Kleid, habe nur noch zwei Hosen im Schrank.

„So ein spezieller Lande weitab vom Schuss hat mich überrascht, ein mutiger Schritt“, sagt Leokadia Hateville. Die Airbrush- und Graffiti-Künstlerin aus Schwedt (Uckermark) hat den Ladeneingang von „Dotty&Dan“ farbig gestaltet. Sie arbeitet zudem als Pin-up-Fotomodell und hat sich bei Lehradt ein paar neue Sachen gekauft. „Das sind keine Klamotten von der Stange. Sie stehen besonders kurvigen Frauen und betonen ihre Rundungen“, freut sie sich.

„Der Laden ist toll, Lehradts Engagement bewundernswert“, sagt Ines Schweighöfer. Sie betreibt am Finowkanal in Zerpenschleuse (Barnim) - also auch weitab vom Schuss - ihr Geschäft „Emma Emelie“, das Kunden ebenfalls eine Zeitreise beschert: Mit handgewebten Leinenkleidchen und antiker Tüllspitze an der Unterwäsche sowie Inventar aus Omas Zeiten geht es zurück in die Jahrhundertwende.

Christin Müller, Kundin im Modeladen „Dotty&Dan“, sucht nach einem Hut.
Christin Müller, Kundin im Modeladen „Dotty&Dan“, sucht nach einem Hut.

© picture alliance/dpa

Im Gegensatz zu Lehradt bezieht Schweighöfer ihre Ware nicht von Firmen, sondern von Privatleuten. „Sie räumen auf, sortieren beispielsweise das nie benutzte Inventar von Aussteuertruhen aus. Anderes wie verschnörkeltes Porzellan, altmodische Schuhe, bestickte Taschen, schwere Metall-Kerzenleuchter und kupferne Teekessel bekomme ich aus Nachlässen und Haushaltsauflösungen“, erzählt die Wahl-Brandenburgerin.

Auch Schweighöfer trägt in ihrem von Blütenweiß bis Rosarot geprägten Laden, was sie verkauft. Allerdings entwirft und schneidert sie diese Kleidung selbst, verwendet dafür alte Leinen- oder Damaststoffe, die zuvor Vorhänge oder Tischdecken waren. Schweighöfers Kunden sind „ein eingeschworener Kreis“, wie sie beschreibt. „Die Masse der Leute kleidet sich eher modern und funktional sowie preiswert“, lautet ihr ernüchterndes Fazit.

Anna Lehradt hingegen lässt nichts unversucht, um das Bewusstsein für stilvolle Kleidung bei ihren Kunden zu schulen. Dafür veranstaltet sie auch Workshops gemeinsam mit Friseuren oder Kosmetikern. „Männer lernen, wie sie sich klassisch rasieren oder den Bart stutzen, Frauen, wie sie die Frisuren vergangener Zeiten selbst stylen können“, beschreibt sie.  

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