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Ruslan Martsinkiw, Bürgermeister von Iwano-Frankiwsk

© Ivano Frankivsk / Ivano Frankivsk

Iwano-Frankiwsk in der Ukraine : Potsdams rechter Partner

Der Bürgermeister von Potsdams neuer Partnerstadt Iwano-Frankiwsk gehört einer rechtsradikalen Partei an. Was bedeutet das für die Partnerschaft mit der Landeshauptstadt?

Potsdam sieht sich Werten wie Weltoffenheit und Toleranz verpflichtet. Doch in der Realität muss die Stadt auch mit Akteuren arbeiten, die diese Ideale nicht in gleicher Weise teilen. Neuestes Beispiel ist die jüngst vereinbarte Städtepartnerschaft mit dem ukrainischen Iwano-Frankiwsk. Dessen Bürgermeister Ruslan Martsinkiw gehört einer rechtsradikalen Partei an.

Im Potsdamer Rathaus sieht man darin kein Hindernis, wie zuerst die Märkische Allgemeine berichtet hatte. „Die durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossene Städtepartnerschaft begründet einen auf Dauerhaftigkeit angelegten Austausch zwischen den Stadtgesellschaften, keine politische Partnerschaft mit dem aktuellen Bürgermeister oder politischen Parteien“, teilte das Rathaus den PNN mit.

Tatsächlich hatte Schubert auch in seiner Rede vor Ort gesagt, dass die Partnerschaft die Unterzeichnenden überdauern werde. „Eine starke Partnerschaft wird getragen von vielen unterschiedlichen Initiativen aus der Bevölkerung beider Städte.“ Mit am Tisch saßen bei der Unterzeichnung auch Vertreter aller im dortigen Stadtparlament vertretenen Parteien.

Martsinkiws Partei trägt auf deutsch den Namen Allukrainische Vereinigung „Swoboda“ (Freiheit). Sie vertritt einen ethnischen Nationalismus. Vor mehr als zehn Jahren waren Führungskräfte der Partei vom Simon-Wiesental-Zentrum in der Liste der Top-Ten-Antisemiten genannt worden. Bei den Parlamentswahlen 2014 und 2019 verlor die Partei überregional an Bedeutung und ist nur noch mit einem Abgeordneten im ukrainischen Parlament vertreten. Martsinkiw konnte der Niedergang nichts anhaben: Er wurde 2020 im Amt bestätigt.

Schubert war wie berichtet vor zweieinhalb Wochen in die Ukraine gereist, um den Vertrag über die Städtepartnerschaft zu unterschreiben. Begleitet wurde er dabei unter anderem von Professor Alexander Wöll, der an der Uni Potsdam Kultur und Literatur Mittel- und Osteuropas lehrt, und von Matthias Richter, Historiker und Projektmanager des transnationalen Projekts „Erinnerung lernen“ der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Schon die Zusammenstellung der Reisegruppe zeige deutlich, dass die Auseinandersetzung mit den Gräueltaten gegenüber der jüdischen Bevölkerung und die Wiederbelebung jüdischer Kultur genauso eine zentrale Rolle spielte wie die Aufnahme der wissenschaftlichen Kontakte.

In der Delegation habe man sich im Vorfeld des Besuchs mit der Frage von Martsinkiws Parteizugehörigkeit beschäftigt. „Es war und ist die Position der Landeshauptstadt Potsdam, die unter deutscher Besatzung verübten Verbrechen an jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch die an den Sinti und Roma und die Notwendigkeit der Aufarbeitung der Verantwortung auch derjenigen, die diese Verbrechen zugelassen haben, klar anzusprechen“, teilt das Rathaus mit. Ausgangspunkt sei dabei die eigene deutsche Verantwortung gewesen.

In seiner Rede vor Ort sagte Schubert, „dass auch alle, die bei der Vernichtung der Jüdinnen und Juden mitgeholfen haben, Schuld auf sich luden, was zwingend erfordert, sich auseinanderzusetzen, die Schuld nicht zu relativieren und sich nationalistischen Tendenzen entgegenzustellen.“ Letzteres bezieht sich auf die Rolle der Kollaboration, die es auch in der Ukraine gegeben hat.

In der Stadt im Westen der Ukraine gab es bis zum Zweiten Weltkrieg eine große jüdische Gemeinde. An ihre Vernichtung wird heute an mehreren Stellen erinnert. Eines der nächsten Projekte sei die Renovierung einer historischen Synagoge im Stadtzentrum, hieß es beim Besuch vor Ort. „Es gibt sichtbare Hinweise darauf, dass die Verarbeitung des Holocausts in Iwano-Frankiwsk Beachtung findet“, formuliert man im Potsdamer Rathaus den Eindruck. 2018 war Iwano-Frankiwsk vom Europarat für seine Förderung des europäischen Gedankens mit dem Europapreis ausgezeichnet worden.

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