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Ordnungsamt: Kampftechnik gegen aggressive Bürger

Die Stadtverwaltung bezahlt ihren Ordungsamtsmitarbeitern ab jetzt Selbstverteidigungskurse

Mit Karate-Kicks gegen gewaltbereite Falschparker: Die Stadtverwaltung will die Ordnungsamtmitarbeiter in diesem Jahr erstmals mit Selbstverteidigungskursen auf Gefahrensituationen im Außeneinsatz vorbereiten. Das sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow den PNN am Dienstag auf Anfrage – es handele sich dabei um ein freiwilliges Angebot für die rund 50 Angestellten der Behörde.

Ein Hintergrund ist eine aus Sicht der Verwaltung zunehmend feindliche Stimmung bei den Bürgern gegenüber Ordnungsamtsmitarbeitern im Außeneinsatz. So seien Beleidigungen mittlerweile „sehr häufig“. Gezählt und erfasst werden die Vorfälle allerdings nicht, so der Stadtsprecher. So hätten die Außendienstmitarbeiter der Behörde in den vergangenen Jahren zunehmend gespürt, dass sich Bürger über deren Arbeit „mehr aufregen“. Besonders aggressiv reagierten neben Falschparkern auch Hundebesitzer.

Zu Handgreiflichkeiten sei es im vergangenen Jahr zweimal gekommen: In einem Fall habe der Ordnungsamtsmitarbeiter auf eine Anzeige verzichtet, weil er den Angriff selbst habe abwehren können. Im zweiten Fall soll ein 42 Jahre alter Potsdamer nach Justizangaben einen Mitarbeiter des Amts beleidigt und mit einer Kopfnuss im Gesicht verletzt zu haben. Der Angestellte erlitt Prellungen. Der Fall sollte eigentlich am Dienstag am Amtsgericht verhandelt werden – allerdings wurde der Prozess abgesagt, da der Angeklagte laut einem Gerichtssprecher zwischenzeitlich eine Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro akzeptiert habe. Zum Umgang mit aggressiven Bürgern erhalten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes bereits seit Jahren ein Deeskalations-Training, so Stadtsprecher Brunzlow. „Dabei erlernen sie Gesprächsstrategien zum Entschärfen aufgeladener Situationen.“

Solche Vorfälle könnten sich häufen. Denn die Präsenz des Ordnungsamts in der Stadt soll zunehmen, kündigte die im Rathaus zuständige Beigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) am Dienstag auf PNN-Anfrage an. Diese Maßnahme sei eine Konsequenz aus einem im vergangenen Mai von den Stadtverordneten beschlossenen Vorschlag der SPD, Ordnungsamtsmitarbeiter verstärkt auch am Wochenende einzusetzen und damit möglicherweise sogar die Polizei bei der Ahndung von Bagatelldelikten zu entlasten. Dazu sollte die Stadtverwaltung eigentlich schon vor einem Monat ein Konzept vorlegen. Inzwischen ist das Papier laut Müller-Preinesberger fertig und soll Ende Januar den Stadtverordneten vorgelegt werden.

Die Kernpunkte sind laut Müller-Preinesberger die Erweiterung der Einsatzzeiten des Ordnungsamtes speziell in den Sommermonaten und am Wochenende sowie die probeweise Aufstellung einer Fahrradstaffel der Behörde: „Das kann sinnvoll sein, wenn es zum Beispiel um Hundehalter geht, die den Kot ihrer Tiere nicht entsorgen.“ Für solche Aufgaben und für die spürbar erhöhte Präsenz des Ordnungsamts in der Stadt seien bereits acht neue Stellen geschaffen worden. Allerdings lehnt es Müller-Preinesberger weiterhin ab, dass Mitarbeiter der Behörde auch polizeiliche Aufgaben übernehmen könnten. „Dafür sind sie nicht ausgebildet.“

Die SPD hatte unter anderem vorgeschlagen, die Mitarbeiter der städtischen Behörde auch Freitag- und Samstagnacht einzusetzen, um Ordnungswidrigkeiten zu ahnden – dazu gehören etwa Lärmbelästigungen, Trunkenheit in der Öffentlichkeit, das Halten gefährlicher Tiere, aber auch das unerlaubte Parken. Dadurch hatte sich die SPD auch eine Entlastung der Polizei versprochen – die wie berichtet wegen wachsender Kriminalität und den umstrittenen Folgen der Polizeireform derzeit ohnehin unter besonderer öffentlicher Beobachtung steht.

Doch Müller-Preinesberger will die städtischen Ordnungsamtsmitarbeiter nicht des Nachts auf Patrouille schicken. Denn gerade nachts steige die Gefahr, dass ertappte Ordnungssünder auch Gewalt androhten. Darauf seien die Kollegen aber nicht vorbereitet – die sei Sache der Polizei. Zudem müsse für eine längere Einsatzzeit das Personal im Amt weiter aufgestockt werden, sagte die Dezernentin und verwies auf zusätzliche Kosten.

Deutschlandweit wird diskutiert, was Ordnungsämter tun sollen und was nicht. In der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden heißt die Behörde zum Beispiel bereits Stadtpolizei, die 100 Angestellten tragen Schlagstock, Reizgas oder Pfefferspray bei sich. Müller-Preinesberger sagte, in Potsdam sollten auch künftig keine „schwarzen Sheriffs“ durch die Stadt laufen. Auch bei den jetzt angebotenen Kursen zur Selbstverteidigung gehe es ausdrücklich nicht um Angriffstechniken. Vielmehr sollten sich die Mitarbeiter wehren können, wenn sie bedroht würden, so die Beigeordnete: „Damit sie nicht aus einer ängstlichen Situation heraus falsch reagieren.“

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