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Trainer Philipp demonstriert für die Kolleg:innen in der Ukraine Nothilfe an einer Übungspuppe.

© Andreas Klaer

Potsdamer Bergmann-Klinikum hilft Ukraine: Wie man einen Säugling wiederbelebt

Notfallversorgung an Puppen üben: Das Ernst-von-Bergmann-Klinikum schult drei ukrainische Kinderkliniken per Live-Schalte aus ihrem Simulationszentrum.

Im Keller der Bergmann-Villa in Potsdam sieht es aus wie in einem Krankenhaus: Krankenbetten, Defibrillatoren, medizinische Instrumente und Überwachungsgeräte. Doch in den Betten liegen keine Patient:innen, sondern Puppen: Sie dienen dem Training, damit medizinische Eingriffe oder Notfallsituationen „trocken“ geübt werden können.

„Man kann zum Beispiel üben, wie man bei schwerer Atmung den Schlauch für die Intubation richtig einführt oder wie man eine Wiederbelebung macht“, sagt Krankenpfleger Philipp, der nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen möchte. Gerade hat er einen mehrstündigen Kurs für eine Kinderklinik in Kiew angeleitet; die ukrainischen Kolleg:innen sind noch auf einem Bildschirm in einer Ecke des Raumes zu sehen und diskutieren über das Gelernte.

Bereits 16 Mitarbeiter:innen von insgesamt drei ukrainischen Kinderkliniken wurden auf diese Weise im Umgang mit den Puppen geschult: Auch sie haben die Puppen vor Ort in der Ukraine und werden per Live-Schalte über drei Kameras aus Potsdam instruiert, die Übersetzung geschieht simultan durch Dolmetscher:innen.

Die medizinischen Dummys haben ein elektronisches Innenleben: Sie verfügen über eine künstliche Herzfrequenz und andere Körperdaten, die die Mitarbeiter:innen des Bergmann-Klinikums via Computer überwachen können – sowohl hier als auch in Kiew.

Überfüllte Krankenhäuser

Das Projekt soll die Kinderkliniken in ihrer schwierigen Lage unterstützen: „Die ukrainische Medizinausbildung ist solide, aber es fehlt zum Teil an Fortbildungen, auch im Bereich Kinderbehandlungen“, sagt Thomas Steffen, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit.

Aus diesem Grund hat das Ministerium im vergangenen Herbst gemeinsam mit der Ernst-von-Bergmann-Gruppe ein Projekt gestartet, um drei Kinderkliniken in Kiew, Dnipro und Kropyvnytskyi mit dem entsprechenden Material auszustatten, um vor Ort eigene Simulationszentren aufzubauen.

Insgesamt 800.000 Euro hat das Ministerium dafür investiert, die Krankenhäuser wurden gemeinsam mit dem ukrainischen Gesundheitsministerium ausgewählt. Geleitet wird das Projekt von Thomas Erler, dem ärztlichen Direktor des Klinikums Westbrandenburg, das zur EvB-Gruppe gehört.

„In der Ukraine wurden seit Beginn des Krieges 100 Krankenhäuser zerstört, die restlichen sind hoffnungslos überfüllt“, sagt Erler. Infolge des Angriffs auf die Ukraine und der Flucht vieler Menschen sei es zudem bei vielen Frauen zu Frühgeburten gekommen.

Emotionale Rückmeldungen

Weil Kinder zu den verletzlichsten Gruppen im Krieg gehören, lag der Fokus des Projektes auf den kleinsten Patient:innen: Alle Kliniken haben jeweils drei unterschiedliche Puppen geliefert bekommen, die die Altersstufen Säugling, Kleinkind und Schulkind darstellen. An ihnen können verschiedenste Eingriffe vorgenommen werden, etwa die Anlage von Gefäßzugängen, Infusionen ins Knochenmark, Wundversorgungen oder Gipsverbände.

„Viele Menschen haben großen Respekt davor, Notfallversorgung an Säuglingen oder Kleinkindern vorzunehmen“, sagt Erler. „Da ist es gut, wenn man das schon mal am Modell geübt hat.“ Der Kurs, den die ukrainischen Kolleg:innen absolviert haben, heißt „Train the trainer“, denn es geht darum, sie selbst dazu zu befähigen, Simulationskurse mit den Mitarbeiter:innen ihrer eigenen Krankenhäuser durchzuführen.

Das Feedback aus der Ukraine ist gut: „Wir haben zum Teil sehr emotionale Rückmeldungen nach den Kursen bekommen“, sagt Erler. „Die Freude und die Dankbarkeit ist sehr groß.“

Ebenfalls Teil der Lieferungen an die Kinderkliniken waren Übungs- und Überwachungsgeräte für die Puppen sowie jeweils acht Intensivbetten. Außerdem bekam jede Klinik jeweils ein Ultraschallgerät zur Diagnostik von Erkrankungen bei Kindern; allein diese kosten rund 35.000 Euro pro Stück.

Zum Projekt gehörte auch die Schulung von Kinder- und Jugendpsychiater:innen: Im Zuge des Krieges leiden immer mehr Kinder an Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Das Bergmann-Klinikum hat daher einen ganztägigen Online-Kurs mit 140 Teilnehmer:innen aus der Ukraine durchgeführt, in dem es darum ging, PTBS zu erkennen und Betroffene zu unterstützen. Der Kurs ist mittlerweile auch online abrufbar.

Das Bergmann-Klinikum hat schon seit langem Verbindungen in die Ukraine: Seit Beginn des Krieges wurden mehrere Hilfslieferungen an ukrainische Krankenhäuser geschickt, zudem sind rund 100 ukrainische Mitarbeiter:innen im Klinikum tätig. Bis zum Ausbruch der Pandemie 2020 bestand zwischen der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Klinikums Westbrandenburg und der 1. Städtischen Klinik Kiew eine Klinikpartnerschaft.

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