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Die Truman-Villa in Babelsberg.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Truman-Villa in Potsdam: Hier befahl der frühere US-Präsident die Atombombenabwürfe

Sommerresidenz, Unterkunft des US-Präsidenten, SED-Parteischule: Robert S. Mackay erzählt in dem neu aufgelegten Buch „The Story of the Little White House“ die bewegte Geschichte des Hauses.

Nur wenige Häuser in Potsdam haben eine solche weltgeschichtliche Bedeutung erlangt, wie die Truman-Villa in Babelsberg: 17 Tage wohnte US-Präsident Harry S. Truman während der Potsdamer Konferenz 1945 hier, um mit Winston Churchill und Josef Stalin über die Neuordnung Europas zu verhandeln. Hier im Haus Erlenkamp, wie die Villa eigentlich heißt, wurden die Grundlagen des Marshall-Plans entwickelt und die Befehle für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gegeben.

Nun gibt es eine Neuauflage des Buches „The Story of the Little White House“ von Robert S. Mackay, der das Buch am Montag in der Truman-Villa vorstellte, in der sich heute die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung befindet.

Das Haus war sehr eigenartig möbliert.

US-Präsident Harry S. Truman über das Haus Erlenkamp 1945. Zuvor war die Villa von den Russen geplündert und willkürlich neu eingerichtet worden.

Das Buch zeichnet die Geschichte des 1892 errichteten Hauses bis zur Gegenwart nach. Im Lauf der Zeit hatte sich die Adresse mehrmals geändert: Von der „Kaiserstraße 2“, zur „Straße der SA 2“ bis zur „Karl-Marx-Straße 2“. „Mehr deutsche Geschichte in einem Straßennamen geht kaum“, sagte Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender der Naumann-Stiftung.

Als Neuauflage wieder erschienen: Robert S. Mackays Buch über die Truman-Villa.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Der Verleger Carl Müller-Grote, der durch Taschenbuchausgaben deutscher Klassiker zu Vermögen gekommen war, hatte den zweigeschossigen Putzbau im englischen Landhausstil als Sommerresidenz errichten lassen. „Procul negotiis“ steht bis heute als Leitspruch auf dem Kamin im Erdgeschoss, „fern vom Geschäft“.

Fotos aus dem Nachlass von Elenore Müller-Grote schildern das Leben der Großfamilie zu Beginn des 20. Jahrhunderts: „Auf den Fotos sieht man nirgendwo ein Auto“, sagte Mackay. „Aber die Grotes hatten einen großen Pferdestall.“

Mit der bürgerlichen Idylle im Villenviertel war es nach dem Zweiten Weltkrieg schlagartig vorbei: Russische Soldaten plünderten das Gebäude, vergewaltigten und misshandelten Mitglieder der Familie und vertrieben die Müller-Grotes aus ihrem Haus.

Autor Robert S. Mackay.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Parteischule und Möbellager

Alle verbliebenen Möbel wurden später von den Russen entfernt, um Platz für die Mitglieder der Potsdamer Konferenz zu machen. „Die Russen haben vielleicht gedacht, dass die Alliierten eigene Möbel mitbringen würden, aber dem war nicht so“, sagte Mackay. Deshalb wurden weitere Villen geplündert und Haus Erlenkamp völlig willkürlich neu eingerichtet.

„Das Haus war sehr eigenartig möbliert“, schrieb Harry S. Truman in sein Tagebuch, nachdem er am 15. Juli 1945 eingezogen war. Obwohl ihm die Architektur der Villa nicht zusagte, nannte er sie dennoch sein „Little White House“.

Nach dem ersten Treffen mit Stalin schrieb Truman: „Ich mag Stalin. Er ist geradlinig, er weiß, was er will, und wenn er es nicht erreichen kann, ist er auch kompromissbereit.“ Jahre später gab Truman zu, dass er damals naiv gewesen sei und beschrieb Stalin als gewissenlosen Diktator. „Aber ich mochte den kleinen Hurensohn“, fügte er hinzu.

Während im Haus Erlenkamp weltbewegende Entscheidungen getroffen wurden, lebten seine früheren Besitzer nur einen halben Kilometer entfernt unter erbärmlichen Bedingungen. Familienoberhaupt Gustav Müller-Grote starb 1949 völlig verarmt.

Zu DDR-Zeiten wurde die Villa als SED-Parteischule, als Polytechnische Oberschule und später als Möbellager genutzt.

Nach der Wende wurden die 17 Erben von Gustav Müller-Grote 1994 wieder als Besitzer des Hauses anerkannt. Mehrere Verkaufsversuche scheiterten jedoch an Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Erbengemeinschaft.

1998 wurde die Villa von der Friedrich-Naumann-Stiftung gekauft, doch 1999 wurden Teile des Hauses durch Brandstiftung stark beschädigt. Bis 2001 dauerten die Sanierungsarbeiten, ein Jahr zuvor wurde das Haus durch einen modernen Neubau ergänzt.

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