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Die Schlaatzsstraße liegt im Bereich der künftigen sozialen Erhaltungssatzung für die Teltower Vorstadt.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Verdrängung soll gestoppt werden: Mieterschutz für Teltower Vorstadt und Babelsberg Süd

Erstmals soll für zwei Quartiere in Potsdam eine soziale Erhaltungssatzung festgelegt werden. Luxussanierung und Umwandlung in Eigentum wären dann nicht mehr möglich.

Die Verdrängung findet statt, das ist harte Realität“, sagte Reiko Käske von der Anwohnerinitiative Teltower Vorstadt am Dienstagabend im Bauausschuss über die Gentrifizierung seiner Nachbarschaft. Vor vier Jahren sei deshalb eine soziale Erhaltungssatzung für den Kiez gefordert worden. Jetzt belegen die Ergebnisse einer Befragung die Beschreibungen und Befürchtungen.

Eine soziale Erhaltungssatzung für die Teltower Vorstadt mit dem nördlichen Brauhausberg und Babelsberg Süd könnte als Instrument zum Mieterschutz eingesetzt werden. Die Ausschussvertreter der Rathaus-Kooperation von SPD, Grünen und Linken sowie Die Andere stimmten für die Satzung.

Schon heute habe ein Sechstel der Haushalte in den beiden Vierteln keine Spielräume mehr bei Mieterhöhungen, weil sie bereits ein Viertel ihres Einkommens für die Miete aufwenden, sagte Roland Schröder vom Berliner Büro Landesweite Planungsgesellschaft (LPG), das eine Befragung in den beiden Kiezen durchgeführt hatte. 700 Haushalte seien unmittelbar, weitere 1400 zeitverzögert von Mieterhöhungen betroffen. Schröder empfahl, die Erhaltungssatzung zu erlassen, um die Mieter:innen zu schützen.

Mit der Erhaltungssatzung sollen beispielsweise Luxussanierungen, die die Mieten nach oben treiben, oder Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen unterbunden werden. Wohnungszuschnitte dürfen nicht verändert werden, um die Zahl der Zimmer nicht zu minimieren. Bauliche Veränderungen müssen genehmigt werden. In der Stadtverwaltung müsste dafür eine zusätzliche Stelle geschaffen werden.

Die von der LPG erhobenen Daten seien durch den hohen Rücklauf von 28,4 Prozent der 4822 angeschriebenen Haushalte repräsentativ, sagte Schröder. 61 Prozent der Haushalte in der Teltower Vorstadt und 44 Prozent in Babelsberg Süd hätten in den vergangenen fünf Jahren eine Mieterhöhung gehabt. Bei nur 7 beziehungsweise 12 Prozent der Haushalte liege die Quadratmetermiete (kalt) noch unter 7 Euro. Zehn Prozent der Haushalte in den beiden Gebieten, darunter viele Alleinstehende, seien armutsgefährdet. In einer großen Zahl der Haushalte leben Kinder, so Schröder. Die überwiegende Anzahl der Wohnungen passe in der Größe zu ihren Bewohner:innen. Beiden Kiezen drohe eine „zweite Sanierungswelle“ mit steigenden Mieten.

„Das hat Verdrängungspotenzial“, sagte Schröder. Im Erhaltungsgebiet dürfe es nur sozialverträgliche Modernisierungsvorhaben geben. „Die Erhaltungssatzung muss wirklich wirken“, forderte Reiko Käske. Es gehe um ein Signal an die Mieter und eine Signalwirkung für die Stadtentwicklung. Die Erfahrungen aus den beiden Gebieten sollten auch auf andere Viertel übertragen werden, forderte Käske. Die anderen Stadtteile warteten schon. „Die Satzung könnte eine dämpfende Wirkung auf die Miete haben“, lautete die Hoffnung von Saskia Hüneke (Grüne). Bisher seien Mieterhöhungen auch ohne Sanierungen möglich.

Mietshäuser Fultonstraße, Ecke Siemensstraße: Babelsberg Süd soll eine soziale Erhaltungssatzung bekommen.
Mietshäuser Fultonstraße, Ecke Siemensstraße: Babelsberg Süd soll eine soziale Erhaltungssatzung bekommen.

© Andreas Klaer

Ganz anders steht die CDU zu dem Mieterschutzinstrument. Der sachkundige Einwohner Willo Göpel lehnt es rundweg ab. Es ei ein Versuch, „die Zeit anzuhalten“. Er sagte zwar einerseits, dass die Satzung „relativ wenig bewirken wird“. Anderseits sorge sie dafür, dass Hauseigentümer nicht mehr sanieren. Gleichzeitig wachse die Diskrepanz zwischen Mieten in Neubauten, die bei 17 Euro liegen, und den Bestandsmieten im Altbau. „Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, wage ich zu bezweifeln“, sagte Göpel, der als Projektentwickler im Wohnungsbau tätig ist.

Deutlicher Widerspruch zu CDU-Aussagen

Deutlichen Widerspruch erhielt der CDU-Stadtverordnete und Ausschussvorsitzende Lars Eichert, der von einer „staatsdirigistischen Maßnahme“ sprach, die keinen Erfolg haben werde, aber dazu führe, dass nicht mehr saniert werde und die Stadtteile in der Qualität abfallen würden. Staatsdirigistisch bedeute, dass „marktwirtschaftliche Grundsätze so stark eingeschränkt werden, dass der Markt nicht mehr funktionieren kann“, erläuterte Eichert, der auch Landesvorsitzender des Hauseigentümerverbandes „Haus&Grund“ ist.

Für „Die Andere“ entgegnete Steffen Pfrogner: „Das ist nicht staatsdirigistisch, das ist Kommunalpolitik. Wir wollen unsere Bevölkerung schützen.“ Darüber entscheide eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung. Die beiden Kieze seien massiv von Verdrängung bedroht. Wer seine Wohnung wegen Mieterhöhung oder Umwandlung in Eigentum nicht behalten könne, müsse in der gegenwärtigen Marktlage in eine andere Stadt oder aufs Land ziehen, so Pfrogner. Auch Saskia Hüneke und Pete Heuer (SPD) lehnten das Vokabular des Ausschussvorsitzenden ab. Zudem sei nicht zu befürchten, dass nicht mehr saniert werde, sagte Heuer. „Es bleiben ja lukrative Gebiete.“

Auch LPG-Chef Schröder widersprach der Annahme, dass in Erhaltungsgebieten keine Sanierungen mehr stattfinden würden. Zudem seien die Wohnungsbauten am Brauhausberg „komplett durchsaniert“. „Da erreicht man keine Steuerungswirkung.“ Die Satzung müsse aber gerichtsfest sein, empfahl Schröder eine gründliche Vorbereitung.

Anja Günther (Sozial.Die Linke) warf der CDU vor, mit ihrem Infrastrukturminister Guido Beermann eine Umwandlungsverbotssatzung für Potsdam zu verhindern. Die Satzung sei genehmigungspflichtig durch das Ministerium. „Das Ministerium greift in die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen ein“, so Günther. Die Umwandlung in Eigentumswohnungen sei „der größte Treiber von Verdrängung“.

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