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Diensteinheit IX in Verlorenwasser, Einsatztraining November 1990. Fotos nur zu verwenden im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Roman "Verlorenwasser" von Rolf Sakulowski.

© Rolf Sakulowski/Rolf Sakulowski

Das Schattenkommando: Neues Buch über DDR-Antiterroreinheit 

Die streng geheime Diensteinheit IX. sollte bei Attentaten oder Geiselnahmen zum Einsatz kommen. Nun hat der Potsdamer Rolf Sakulowski einen Roman über sie geschrieben.

Eine geheime Antiterroreinheit der DDR, brisante Undercover-Einsätze und abgesperrte Trainingsorte tief im brandenburgischen Wald – das ist der Stoff, aus dem der kürzlich erschienene Thriller „Verlorenwasser. Das Schattenkommando“ besteht, der in Potsdam und Potsdam-Mittelmark spielt.

In ihm arbeitet der Potsdamer Autor und Regisseur Rolf Sakulowski ein vergessenes Kapitel der DDR-Geschichte auf, nämlich die „Diensteinheit IX“: Eine offiziell nicht existierende Truppe aus Spezialisten, die im Falle von Anschlägen, Attentaten oder Geiselnahmen zum Einsatz kommen sollte. Ihr Ausbildungslager befand sich in Verlorenwasser nahe Bad Belzig. Am Freitag (31.3.) um 19 Uhr stellt Sakulwoski sein Buch im Potsdam Museum vor.

„Ich habe mich schon immer viel mit der Arbeit von polizeilichen Spezialeinheiten beschäftigt“, sagt der 54-jährige Potsdamer. „Irgendwann ergab sich ein Kontakt zu ehemaligen Angehörigen der Potsdamer Diensteinheit IX“ Bereits 2003 drehte er eine Fernsehdokumentation über das Thema. „Schon damals hatte ich das Gefühl, da könnte Stoff für einen Roman drinstecken“, so Sakulowski.

Über die Jahre recherchierte er weiter über die Einheit, zu der es so gut wie keine Literatur gibt. Die Hintergründe des Buches entsprechen den historischen Fakten, die Geschichte selbst ist komplett fiktiv: Es handelt von Werner Holland, der früher Mitglied der Diensteinheit IX war und sich 2005 seiner Vergangenheit stellen muss.

„Verlorenwasser. Das Schattenkommando“ (Emons-Verlag, 368 S., 17 Euro) ist Sakulowskis erster Roman, der in Potsdam und Brandenburg spielt.
„Verlorenwasser. Das Schattenkommando“ (Emons-Verlag, 368 S., 17 Euro) ist Sakulowskis erster Roman, der in Potsdam und Brandenburg spielt.

© emons Verlag / Promo

Holland arbeitet als Privatermittler in Potsdam und soll die russische Botschaftsangestellte Alina beschützen - doch diese richtet irgendwann eine Waffe auf ihn. Sie beschuldigt ihn, in den Mord an ihrem Bruder verwickelt zu sein, einem sowjetischen Deserteur.

In Rückblicken wird erzählt, wie Holland für die Einheit rekrutiert wurde – bewerben konnte man sich nämlich nicht: „Man ging gezielt auf sehr sportliche Polizisten zu, nachdem vorher ihr Hintergrund überprüft worden war“, sagt Sakulowski. Dann wurde ihnen angeboten, bei einem besonderen Projekt mitzumachen – erst nach der Zusage wurde ihnen verraten, worum es eigentlich ging. „Sie mussten quasi die Katze im Sack kaufen“, sagt Sakulowski.

Schusswechsel mit Deserteuren

Die 1974 gegründete Diensteinheit IX war praktisch das Gegenstück zur GSG 9, die 1972 als Reaktion auf das Olympia-Attentat in München entstanden war. Ihr zentraler Trainingsort war ein Truppenübungsplatz nahe Verlorenwasser: Hier absolvierten die Rekruten eine intensive Schieß- und Nahkampf-Ausbildung und übten das Abseilen aus Hubschraubern und das Erstürmen von Gebäuden. Zur Ausrüstung gehörten neben schusssicheren Westen und Spezialhelmen auch Scharfschützengewehre und Kalaschnikows mit Schalldämpfern.

Sakulowski schätzt die Größe der Einheit auf bis zu 200 Personen, doch genaue Zahlen gibt es nicht. In jedem DDR-Bezirk gab es eine kleine Untereinheit, der Sitz der Potsdamer Einheit befand sich auf dem Gelände der Volkspolizei, wo sich heute die Polizeiinspektion Potsdam befindet.

Häufig zum Einsatz kam die Elitetruppe nicht: „Dinge wie Geiselnahmen oder Attentate gab es in der DDR ja nur selten“, sagt Sakulowski. „Die meiste Zeit waren sie mit hartem Training beschäftigt.“ Bei Großveranstaltungen wie den Weltfestspielen der Jugend oder bei der Leipziger Messe waren sie verdeckt vor Ort, um im Falle eines Anschlags eingreifen zu können.

Häufig wurde das Spezialkommando bei der Fahndung nach fahnenflüchtigen russischen Soldaten hinzugezogen. „Ich kannte das noch selber aus Kindertagen, wenn es Gerüchte gab, dass sich irgendwo ein Russe in einer Scheune versteckt hielt oder Ähnliches“, sagt Sakulowski.

Laut der Stasi desertierten in den 80er-Jahren jährlich zwischen 300 und 400 sowjetische Soldaten, oft aus Verzweiflung über Missstände oder Misshandlungen in ihrer Kaserne. Wenn die Deserteure ihre Waffen mitgenommen hatten, wurde es gefährlich: Immer wieder kam es bei der Festnahme der Soldaten zu Schusswechseln.

Sakulowski hat mit vielen ehemaligen Mitgliedern der Diensteinheit IX gesprochen und ihre Aussagen in der Stasiunterlagen-Behörde nachgeprüft. Aus diesen geht hervor, dass sich die Spezialkämpfer sehr fair gegenüber den russischen Soldaten verhielten. Wenn diese von der eigenen Armee gestellt wurden, erwartete die Deserteure jedoch nicht selten der Tod.

Nach der Wende ging die Diensteinheit IX in die SEKs der neuen Bundesländer auf. „Nach meinen Recherchen sind sie niemals gegen Bürgerrechtler vorgegangen“, sagt Sakulowski. Dass die Diensteinheit bis heute nahezu unbekannt ist, verwundert ihn: „Die GSG 9 kennt jeder, aber mit diesen Teil der DDR-Geschichte hat sich noch kaum jemand beschäftigt.“ Eine Wissenslücke, die sich durch Sakulowskis Buch nun schließen lässt.

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