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Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch in Schwarzheide.

© dpa / LISI NIESNER

Stellenstreichung in Europa, neue Fabrik in Guangdong: Wie die BASF ihr China-Geschäft ausbaut

Der größte Chemiekonzern der Welt setzt trotz Warnungen seinen Expansionskurs in China fort. Bei einem Besuch des Kanzlers mahnt der BASF-Chef die Bundesregierung.

Schon aus dem Helikopter kann der Bundeskanzler die riesige Baustelle sehen. Zwei Kräne überragen die silberne Fabrikhalle, die zum Teil noch eingerüstet ist, davor stehen mehrere Dutzend Baucontainer. Olaf Scholz besucht an diesem Dienstag den BASF-Standort in Schwarzheide, ganz im Süden Brandenburgs, wo der Chemiekonzern an einer neuen Fabrik für Kathodenmaterial baut. Ein Projekt, das dem Kanzler einmal mehr vor Augen führt, wie trotz Weltenkrise alles mit allem zusammenhängt.

Bereits Ende des Jahres soll hier der Probebetrieb für die Herstellung von Kathodenteilen beginnen, die für den Bau von E-Autos benötigt werden. Die Rohstoffe, vor allem Nickel, kommen über Russland und eine Fabrik in Finnland in die Lausitz. Die Ausstattung von 400.000 Autobatterien will die BASF hier künftig pro Jahr produzieren und an diverse Autobauer liefern – die wiederum ihre größten Absatzmärkte in China sehen.

Von Russland bis China – in Schwarzheide zeigen sich die Zwänge, in denen die deutsche Wirtschaft steckt und damit auch der Bundeskanzler. Seit Tagen steht der Sozialdemokrat in der eigenen Koalition in der Kritik. Den Teilverkauf des Hamburger Hafens an ein chinesisches Staatsunternehmen hat er gegen den Widerstand von sechs Fachministerien durchgesetzt, auch seine Reise nach Peking mit einer Wirtschaftsdelegation sehen viele in der Ampel kritisch.

FDP und Grüne warnen vor zu großer Abhängigkeit vom Reich der Mitte und fordern, Lehren aus den Energieabhängigkeiten zu Russland zu ziehen. Scholz dagegen fürchtet die Folgen einer Rezession und will der Wirtschaft nicht die lukrativen Märkte verbauen.

Die Gewinne werden vor allem in Asien eingefahren

Die Wirtschaft braucht die Rückendeckung des Kanzlers in diesen Tagen. Und so steht an diesem Dienstag die Führungsriege der BASF auf der Baustelle in Schwarzheide für den Kanzler Spalier als er mit seiner schwarzen Dienstlimousine vorfährt. Konzernchef Martin Brudermüller begrüßt den Bundeskanzler und führt ihn durch die künftige Werkshalle.

Auch er steht unter Druck. Zwar steigt der Umsatz des größten Chemieunternehmens der Welt rasant – zuletzt um zwölf Prozent auf 22 Milliarden Euro im dritten Quartal.

Doch der Gewinn der Firma mit weltweit mehr als 110.000 Mitarbeitern brach um 28 Prozent ein. Zwar machte man noch 1,35 Milliarden Euro Gewinn, doch die werden vor allem auf den asiatischen Märkten eingefahren – eine Entwicklung, die auch bei anderen großen deutschen Unternehmen, wie Autobauern oder Siemens, immer häufiger zu beobachten ist.

Wir freuen uns, dass die Bundesregierung erkannt hat, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Angriff genommen werden muss.

Martin Brudermüller

Die europäischen Märkte mit den hohen Personal- und Energiekosten lohnen sich immer weniger. Brudermüller hatte sich zuletzt auch immer wieder über bürokratische Fesseln und schleppende Genehmigungsverfahren beim Ausbau erneuerbarer Energien beschwert.

Auch beim Besuch des Kanzlers mahnt er - wenn auch durch die Blume. „Wir freuen uns, dass die Bundesregierung erkannt hat, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Angriff genommen werden muss“, sagt Brudermüller. Vor allem bei der Energiepolitik macht er Druck: „Wir brauchen dringend neue Projekte, damit wir unser Versprechen zur Dekarbonisierung bei der BASF halten können.“

Olaf Scholz besuchte am Dienstag das BASF-Werk in Schwarzheide.

© Foto: REUTERS/LISI NIESNER

Doch parallel treibt Brudermüller den Umbau des Unternehmens voran. In Europa, vor allem am Stammsitz in Ludwigshafen, sollen Stellen gestrichen werden, in China wird expandiert. In der Provinz Guangdong baut die BASF gerade eine riesige neue Chemie-Anlage – es soll der drittgrößte BASF-Standort des Unternehmens werden und bereits das zweite dieser Art in China.

Von einem „Megaprojekt“ sprach Brudermüller zuletzt und verbat sich Kritik, die inzwischen offenbar auch aus seinem eigenen Unternehmen kommt. „China-Bashing“, sei das, so der Konzernchef, der früher selbst zehn Jahre in China gelebt hat.

Ein Kurs, der umstritten ist: „Tiefe Einschnitte an den heimischen Standorten anzukündigen, während Politik und Sozialpartner einen milliardenschweren Abwehrschirm aufspannen, ist nicht nur maximal instinkt- und respektlos, sondern wird auch auf unseren entschiedenen Widerstand treffen“, sagte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie, der auch im Aufsichtsrat der BASF sitzt.

Da ist es schon befremdlich, wenn gleichzeitig Stellenabbau in Deutschland angekündigt und eine Zehn-Milliarden-Investition in China vorangetrieben werden

Felix Banaszak (Grüne)

Kritik an Brudermüller kommt auch aus der Politik. „Die BASF profitiert wie kaum ein anderes Unternehmen von den im Abwehrschirm aus öffentlichen Geldern finanzierten Gas- und Strompreisbremsen“, sagt der grüne Wirtschaftspolitiker Felix Banaszak dem Tagesspiegel.

Grünen-Politiker Felix Banaszak kritisiert den Kurs der BASF.

© Marcel Kusch/dpa

Zudem erhalte der Chemiekonzern Investitionshilfen in Milliardenhöhe zur klimagerechten Umstellung der Produktion. „Da ist es schon befremdlich, wenn gleichzeitig Stellenabbau in Deutschland angekündigt und eine Zehn-Milliarden-Investition in China vorangetrieben werden“, kritisiert Banaszak.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Reinhard Houben, sieht den Handlungsbedarf dagegen bei der Politik: „Die Entscheidung von BASF zeigt, dass wir den Standort Deutschland neu aufstellen müssen, um die Zukunft unserer Wirtschaft zu sichern.“ Es brauche wettbewerbsfähige Energiepreise, Investitionen in die Infrastruktur, Fachkräftenachwuchs und eine stärkere Entbürokratisierung.

In Schwarzheide will BASF 180 neue Stellen schaffen. In der strukturschwachen Lausitz ein wichtiges Signal – und so nimmt sich Scholz trotz Terminnot die Zeit für den Besuch. Demonstrativ lobt der Kanzler die Investitionen. „Ein gutes Zeichen für unsere Zukunft und ein Zeichen dafür, dass die große industrielle Modernisierung Deutschlands gelingen wird“, sagt Scholz.

Der Schulterschluss mit der Wirtschaft ist ihm wichtig. Am Donnerstag wird er Martin Brudermüller schon wiedersehen – der BASF-Chef wird den Kanzler im Regierungsflieger nach Peking begleiten.

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