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Anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Deutschen Behindertensportverbandes sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel mit unseren jungen Reportern über den sozialen Beitrag des Sports – und über die Notwendigkeit, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.

© Michael Trippel/laif

Angela Merkel im Interview: "Gleichbehandlung von behinderten Menschen durchsetzen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht im Interview mit Schülerreportern der Paralympics Zeitung über die Rolle des Behindertensports für die Gesellschaft.

Frau Bundeskanzlerin, in 60 Jahren DBS hat sich viel getan. Was erachten Sie als besonders positiven Fortschritt?

Dass Menschen mit Behinderung Sport treiben und dabei Spitzenleistungen erzielen, ist selbstverständlich geworden. Der Deutsche Behindertensportverband kann anlässlich seines Jubiläums auf eine rasante positive Entwicklung zurückblicken. Erfolgreich setzt er sich im Breiten-, im Rehabilitations- und auch im Spitzensport für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein. Die beeindruckenden Leistungen bei den Paralympics sind ein wunderbarer Beleg der guten Arbeit in den vergangenen Jahren. Die spannenden Wettkämpfe und großartigen Rekorde begeistern ein wachsendes Publikum. Auch die Medien schenken dem Sport von Menschen mit Behinderung mehr Aufmerksamkeit. Das ist ein Fortschritt, auch wenn weitere Anstrengungen nötig sind. Aber auf das bisher Erreichte können der DBS, alle Athletinnen und Athleten sowie ihre zahlreichen Unterstützer wirklich stolz sein. Besonders freut mich auch die Entwicklung des Nachwuchsbereichs für den Sport der Menschen mit Behinderung. Bei den Schulsportwettbewerben zum Beispiel steht jetzt neben „Jugend trainiert für Olympia“ auch „Jugend trainiert für Paralympics“. Auf diese Weise lässt sich der Grundgedanke von Teilhabe und Selbstbestimmung noch mehr mit Leben füllen.

Haben Sie vor, die Paralympics 2012 in London zu besuchen?

Ob ich das terminlich schaffen werde, kann ich heute leider noch nicht sagen. Auf jeden Fall drücke ich allen deutschen Starterinnen und Startern ganz fest die Daumen.

Wie unterstützt die Bundesregierung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Paralympischen Spielen?

Die Bundesregierung fördert den Spitzensport der Menschen mit Behinderung seit vielen Jahren mit steigender Tendenz. 2011 ist ein Jahr ohne Paralympische Spiele. Trotzdem ist der Förderanteil gleich geblieben. Von dieser konstanten Unterstützung profitieren auch unsere Spitzenathletinnen und -athleten. Für die Entsendung der deutschen Mannschaft zu den Paralympics nach London konkret sollen aus dem Bundeshaushalt bis zu 1,3 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Welche Rolle spielt der Behindertensport Ihrer Meinung nach bei dem Thema Inklusion? Kann er hier eine Vehikelfunktion zur Durchsetzung des Inklusionsgedankens in der Gesellschaft erfüllen?

Der Sport ist Vorreiter und Vorbild. In verschiedenen Bereichen, beispielsweise im Kontext der Themen Integration und Gewaltprävention, hat sich gezeigt, welchen Beitrag er zu sozialen Fragestellungen leisten kann. Und so ist der Sport auch ein wesentliches Mittel zur Inklusion. Das bedeutet, den Alltag so zu gestalten, dass Menschen mit Behinderung von Anfang an mittendrin und dabei sind. Der Sport schafft durch seine vielfältigen Angebote Raum für ein gelungenes Miteinander. Das Kennenlernen der spezifischen Wünsche und Möglichkeiten von Menschen mit Behinderung ist dabei eine unerlässliche Voraussetzung. Mit seinen Angeboten für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien baut der Sport soziale Brücken in die Gesellschaft. Die wichtige Arbeit der Übungsleiter und ehrenamtlich Engagierten wirkt über die Sportangebote hinaus auch in das Bildungssystem und die Hochschulen hinein.

Was hat sich seit der Verabschiedung der UN-Konvention über die Rechte für Behinderte in Deutschland verändert und wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Seit dem Frühjahr 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention für Deutschland verbindlich. Ziel des Übereinkommens ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt leben. Um die Lücke zwischen Gesetz und Praxis zu schließen, hat die Bundesregierung einen Nationalen Aktionsplan verabschiedet. Er enthält klare Handlungsfelder und Maßnahmen. Und ich ermutige alle, die Aufgaben zielstrebig in Angriff zu nehmen. Auch im Sportbereich sind weitere Anstrengungen nötig, um den Anspruch auf Gleichbehandlung durchzusetzen. In vielen öffentlichen Turnhallen und Sportstätten fehlen leider immer noch barrierefreie Zugänge. Kommunen, Länder und Bund müssen hier aktiv werden, um Menschen mit Behinderung nicht auszusperren und damit auszuschließen. Auch der DBS und seine Partner haben gemeinsame Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erarbeitet. Das ist ein wichtiger Schritt für eine Gesellschaft, die Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht. Denn letztlich realisiert sich Inklusion am besten im Alltag, ganz konkret an der Ladentheke, am Arbeitsplatz, im Restaurant und gerade auch im Sport. Daher ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Barrieren weiter abzubauen und Gemeinsamkeiten herzustellen.

Die Fragen stellten: Anne Balzer, Franziska Ehlert, Tassilo Hummel, Raphael Menke, Heiko Möckl, Annemieke Overweg.

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