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Sorgenvolle Mienen. Neunationalspieler Kevin Behrens (links) und Danilho Doekhi warten seit August vergeblich auf ein Erfolgserlebnis.

© Imago/Matthias Koch

Erste echte Krise unter Urs Fischer: Der 1. FC Union Berlin ist auf der Suche nach sich selbst

Die Berliner haben zum ersten Mal seit 19 Jahren acht Pflichtspiele in Folge verloren und wirken phasenweise ratlos. Die Stärken der vergangenen Jahre sind aktuell allenfalls zu erahnen.

Robin Knoche war ziemlich genervt. Vom Ergebnis, von der Niederlagenserie, von den vielen Gegentoren. Doch besonders schien den Abwehrchef die aktuelle Lernresistenz des 1. FC Union zu stören. „Solange wir die Fehler, die wir analysieren, nicht abstellen, wird es schwierig. Wir müssen in allen Bereichen zulegen“, sagte Knoche am Samstag kurz nach dem deprimierenden 0:3 im eigenen Stadion gegen den VfB Stuttgart.

Die Berliner haben jetzt acht Spiele in Folge verloren, zum ersten Mal seit 2004. Sie sind mittlerweile in unmittelbare Nähe der Abstiegsplätze abgerutscht. Doch vor allem erkennen sie sich selbst kaum noch wieder.

In den vergangenen fünf Jahren unter Urs Fischer, in denen die Köpenicker praktisch nur eine Richtung kannten, lebten sie von ihrer Geschlossenheit, von Automatismen, von Effizienz und Galligkeit. Diese Stärken führten sie gegen alle Wahrscheinlichkeiten bis in die Champions League. Davon ist momentan allerdings kaum noch etwas zu sehen. Oder um es mit Kapitän Christopher Trimmel zu sagen: Union ist momentan nicht mehr „Union-like“.

So eine Niederlagenserie macht etwas mit dem Kopf. Da lässt es sich nicht so einfach befreit aufspielen.

Unions Abwehrchef Robin Knoche

Das wurde im Spiel gegen das Team der Stunde aus Stuttgart überdeutlich. Die Voraussetzungen für einen ersten Schritt hinaus aus der Krise waren für die Berliner eigentlich nicht schlecht. Die Länderspielpause hatte die Möglichkeit geboten, die Köpfe etwas freizubekommen, einige Spieler kamen bei der Nationalmannschaft auf andere Gedanken und mit Knoche sowie Rani Khedira waren zwei Stützen nach längerer Verletzung wieder zurück.

Die Hoffnung auf eine Stabilisierung wehrte aber nicht lange. In der ersten Halbzeit stand Union defensiv zwar weitgehend sicher, doch wie schon in den vergangenen Wochen fehlt die Konstanz. Immer wieder führen kollektive oder individuelle Fehler zu Großchancen des Gegners.

Union fehlt die Konstanz über 90 Minuten

Stuttgarts Tormaschine Serhou Guirassy ließ sich ins Mittelfeld zurückfallen, verlagerte das Spiel nach außen und stach in das sträflich verwaiste Abwehrzentrum der Berliner hinein. Die Zuordnung stimmte nicht, die Kommunikation fehlte. „Das Tor kannst du einfacher verteidigen“, monierte Fischer. „Aber das haben wir nicht gemacht.“

In der Pause wechselte Fischer dreimal, brachte mit Sheraldo Becker und David Fofana Geschwindigkeit und stellte auf einen Dreiersturm um. Die Maßnahme war durchaus erfolgreich, es ergaben sich die ersten Chancen, Union drückte. „Ich hatte in der zweiten Halbzeit ein sehr gutes Gefühl, aber das Tor hat gefehlt“, sagte Trimmel.

In der vergangenen Saison hätten die Berliner das Spiel in dieser Phase vermutlich gedreht. Doch die Wucht und die gnadenlose Effizienz, die jegliche Expected-Goals-Statistik ad absurdum geführt hat, fehlen momentan.

Über kurze Phasen, in denen die alten Stärken erkennbar werden, kommt Union nicht hinaus. Gegen Braga spielte das Team gute erste 35 Minuten, in Dortmund gab es eine starke Reaktion nach dem frühen 0:1, gegen Stuttgart drückten die Berliner nach der Pause. „Wir haben immer wieder Phasen, in denen es ganz gut ist“, sagte Trimmel. „Aber wenn es nur 20 Minuten von 90 sind, ist das zu wenig.“

Schwierige Ursachenforschung

In Kombination mit den defensiven Schwächen, die sich die Mannschaft zu oft leistet, kommen dann Ergebnisse wie in den vergangenen drei Bundesliga-Spielen vor eigenem Publikum gegen Stuttgart (0:3), Hoffenheim (0:2) oder Leipzig (0:3) heraus. Von der fast schon legendären Heimstärke ist aktuell nichts mehr übrig.

Mit der Ursachenforschung tun sich die Berliner weiter schwer. Wichtige Spieler haben auch in den vergangenen Jahren mal gefehlt, Neuzugänge mussten immer wieder integriert werden, die Doppelbelastung kennt Union mittlerweile auch zur Genüge. Eine echte Krise hat die Mannschaft aber noch nicht erlebt – und das merkt man den Spielern an.

„Es ist schwierig, die Fehler abzustellen, weil so eine Niederlagenserie etwas mit dem Kopf macht. Da lässt es sich nicht so einfach befreit aufspielen“, sagte Knoche. Einfacher wird es am Dienstag (21 Uhr) in der Champions League sicher auch nicht, wenn der italienische Meister SSC Neapel im Olympiastadion zu Gast ist.

Grund zur Panik sehen sie bei Union dennoch nicht. „Wir werden uns nicht intern zerfleischen, das bringt nichts“, sagte Trimmel und Knoche verwies auf das intakte Mannschaftsklima. „Wenn ich irgendwo ein resignierendes Zeichen erkennen würde, würde ich mir Sorgen machen. Aber das ist bei keinem der Fall.“

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