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Dauerjubel. Athletic Bilbao feiert den Erfolg über Sporting Lissabon im Halbfinale der Europa League. Die spanischen Mannschaften dominieren in dieser Saison den Kontinent, gegen ihre Passarien kommt niemand in Europa an.

© dapd

Europapokal: Tiki-Taka auf Baskisch

Am Mittwoch treffen Athletic Bilbao und Atletico Madrid im Europa-League-Finale aufeinander. Spanische Teams holten dieses Jahr in Europa so viele Punkte wie keine Nation zuvor – am Geld alleine lag es nicht.

Europa League, Viertelfinale. Schalke 04 spielte gegen Athletic Bilbao: Die Schalker lagen in der Nachspielzeit hinten, stürmten. Doch statt den Kugel einfach nach vorne zu dreschen, blieb Athletic ballsicher, spielt über Markel Susaeta einen mustergültigen Konter, den Jungstar Iker Munian zum 4:2 für die Basken vollendete. Eine Kombination, wie man sie vielleicht von Xavi und Messi erwartet hätte. Stattdessen spielte sie mit Athletic Bilbao ein Verein, der besonderen Wert auf seine baskische Herkunft legt, nur lokale Spieler verpflichtet und deshalb quasi vom internationalen Transfermarkt abgeschnitten ist. Ein Verein, dessen Kader genauso viel wert ist wie der von Schalke 04. Und nur etwa ein Drittel so viel wie der von Manchester United, einer Mannschaft, der Athletic zuvor im Achtelfinale mit zwei Siegen keine Chance ließ. Nun wartet im Finale am Mittwoch Atletico Madrid im rein spanischen Finale in Bukarest (ab 20.45 Uhr live bei Kabel 1).

Die Mannschaften der Primera Division stellten in dieser Spielzeit fünf von acht Halbfinalisten im Europapokal und dazu noch einen Allzeit-Rekord auf: 20,6 Punkte holten sie für die Uefa-Fünfjahreswertung, nach die die Europapokal-Plätze verteilt werden. In der nächsten Saison winkt dort der erste Platz, nachdem England zuletzt vier Jahre lang vorne war – die Primera Division marschiert.

Genau genommen sind die 20,6 Punkte Platz zwei der ewigen Ligen-Bestenliste, 1959/60 schaffte ebenfalls die Primera Division sogar 22,5 Punkte. Doch damals, als Spieler wie Alfredo di Stefano und Ferenc Puskas Real Madrid zum 7:3 im Landesmeister-Cup über Eintracht Frankfurt schossen, wurde die Wertung noch nicht angewandt, auch gab es bis dahin weder Uefa- noch Pokalsieger-Cup. Die Leistung in diesem Jahr ist also einzigartig. Die Frage ist nur: Warum ist Spanien so erfolgreich?

Es könnte am leidigen Thema Geld liegen. Tatsächlich führen Real Madrid und Barcelona die Finanz-Tabelle der 20 umsatzstärksten europäischen Vereine an. Auch ist der Marktwert aller Spieler der teuersten fünf Teams Spaniens mit 1,6 Milliarden Euro deutlich höher als etwa jener der teuersten Bundesligisten (930 Millionen), jedoch ist er niedriger als jener der englischen Top-Mannschaften (1,8 Milliarden). Die Engländer sind ohnehin dank cleverer Vermarktung sowie Scheich- und Oligarchen-Milliarden finanziell davongezogen, stellen sieben der 20 finanzstärksten Mannschaften Europas, Deutschland und Italien haben vier Teams in der Liste, die Primera Division nur deren drei. Sie ächzt außerdem unter einem Schuldenberg von 3,5 Milliarden Euro – der geplante und viel kritisierte Schuldenschnitt durch den Staat wird das nur unwesentlich ändern, die Steuerschulden machen nur einen Teil dieser Summe aus.

Liegt es an der Struktur der Liga oder doch an der Körpergröße?

Schon eher könnte die Struktur der spanischen Liga eine Antwort liefern. Barca und Real feiern aktuell die längste Phase ihrer Überlegenheit, haben sich die letzten acht Titel geteilt und einen Spieltag vor Saisonschluss zusammen unglaubliche 229 Tore erzielt. Wegen dieser „Liga in der Liga“ könnten sich die spanischen Vereine besser auf Europa konzentrieren, national gebe es für sie ja ehe nichts zu holen, heißt es oft von Trainern gegnerischer Mannschaften. Schaut man sich die Rumpfelf an, mit welcher der Tabellenneunte Bilbao im letzten Spiel vor dem Finale auftrat, mag dieses Argument noch verfangen. Auch zeigt sich der spanische Verband bei Spielverlegungen zu Gunsten der Europapokalteilnehmer konzilianter als seine englischen, italienischen und deutschen Konterparts. Doch wird dieser Vorteil aufgeweicht, da die spanische Liga satte 20 Vereine aufweist und ihre Vereine viele Nationalspieler, vor allem Südamerikaner, die durch ständige Transatlantikflüge auf mehr Spiele und Flugmeilen kommen als die Akteure der meisten Ligen. Genauso wie die Finanzen also höchstens als kleiner Teil der Erklärung der Überlegenheit in Frage kommen, taugt auch die Ligastruktur nur teilweise dazu, den Punkterekord dieser Spielzeit zu erklären.

Es sind andere statistische Kennwerte, die der Dominanz der Spanier auf die Schliche kommen helfen. Vergleicht man die Topligen, wie es die schweizerische Agentur „Cies Football Oberservatory“ getan hat, fällt auf, dass spanische Mannschaften mit 25 Prozent den höchsten Anteil selbst ausgebildeter Spieler in ihren Reihen haben, die dazu noch überdurchschnittlich lange bei ihren Vereinen spielen und von der Körpergröße her kleiner sind als ihre Konkurrenten.

Stilbildend für die Ausbildung junger Fußballer in Spanien wirkten die Niederländer Rinus Michels und Johann Cruyff, die den holländischen „Totalen Fußball“ nach Südeuropa transferierten. Sie gründeten in Barcelona die legendäre Fußballakademie „La Masia“, in der bis zum 16 Lebensjahr fast nur mit dem Ball gearbeitet wird. Die Mannschaften aller Altersstufen spielen das gleiche System – eine Praxis, die sich mittlerweile auch international durchsetzt. Aus der Barca-Akademie stammt das legendäre, auf dauerhafte Ballkontrolle ausgelegte Kurzpassspiel Tiki-Taka, quasi der Gegenentwurf zum laufintensiven Gegenpressing etwa des Deutschen Meisters Borussia Dortmund. Spieler wie Xavi, Iniesta und Messi gingen aus der Kaderschmiede hervor, deren Methoden mittlerweile nicht nur Erzrivale Real Madrid kopiert, sondern eben auch unscheinbare Teams wie Bilbao. Früher eine „Kick-and-Rush“-Truppe mit der Zentralwährung „Herzblut“, wandelte sich mit der Ausbildung auch der Spielstil von Athletic. Sein Trainer Marcelo Bielsa gilt als enger Freund des soeben bei Barcelona zurückgetretenen Pepp Guardiola. Die englischen Teams schießen zwar den Ball schon lange nicht mehr unkontrolliert nach vorne, agieren aber immer noch eher körperlich. Dass sie mit ihrer Finanzkraft das Potenzial zu mehr hätten, ist unbestritten. Mittelfristig jedoch wird das vor allem durch die Konzentration auf den Kombinationsfußball initiierte „Spanische Zeitalter“ in Europa weitergehen.

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