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Obenauf. Leon Goretzka (oben) lässt sich von Serge Gnabry tragen.

© AFP/Lukas Barth

FC Bayern: Leon Goretzka holt sich neues Selbstbewusstsein

Lange schien Leon Goretzka für Thomas Tuchel nur eine Verlegenheitslösung in der Mittelfeldzentrale zu sein, nun scheinen Spieler und scheidender Trainer eine Linie gefunden zu haben.

Das Lob am Ende eines höchst vergnüglichen Nachmittags kam nicht von höchster Stelle, aber von jenem Mann, der für einen Fußballspieler in der Regel maßgeblich ist. „Leon“, sagte Thomas Tuchel, der Trainer des FC Bayern, im Sky-Interview, „war wahrscheinlich der Spieler des Spiels“. Leon Goretzka war gemeint. Nicht Harry Kane, der beim 8:1-Sieg der Münchner gegen den FSV Mainz 05 drei Tore erzielte. Nicht Joshua Kimmich, der sich mit seiner Versetzung vom Mittelfeld auf die rechte Abwehrseite arrangiert zu haben scheint und mit Top-Werten bei Ballkontakten, Flanken und Pässen brillierte. Und auch nicht Jamal Musiala, der wie so oft leichtfüßig durch die Abwehrreihen tanzte und mit einem Treffer an der Münchner Tor-Gala beteiligt war.

Die Einschätzung war nicht falsch, immerhin erzielte Goretzka zwei Tore und bereitete zwei weitere vor, war damit zweitbester Schütze an diesem Tag für die Münchner. Aber außergewöhnlich dennoch, denn für Tuchel war er bisher eher selten der Spieler des Spiels, manchmal, so schien es, lediglich eine Verlegenheitslösung in der Mittelfeldzentrale.

Weil Goretzkas Vorstellung von der Interpretation der Position eine andere ist als die des Trainers. Das mag immer noch so sein, aber die beiden haben jetzt, da sich die Wege bald trennen werden, wohl eine gemeinsame Linie gefunden. Es sei „gar nicht so wichtig, ob mir die Rolle gefällt oder nicht“, sagt Goretzka. Er versuche einfach nur, „das umzusetzen, was der Trainer mir mitgibt“.

Goretzka hat wohl auch verstanden, dass es auch um seine Zukunft geht

Tuchel hat es geschafft, dem Spieler die etwas defensivere Rolle schmackhaft zu machen. Oder es kann auch einfach sein, dass Goretzka verstanden hat, dass es in diesen letzten Wochen der Saison auch ein wenig um seine Zukunft geht. Beim FC Bayern und bei einem attraktiven anderen Verein. Er gehört womöglich zu den Spielern, die unter besonderer Beobachtung des Vereins stehen, auch weil er bis Samstag schon länger nicht mehr überzeugt hatte.

Am wenigsten war vermutlich der Besuch von Freunden ausschlaggebend, obwohl es Goretzka als „schöne Geschichte“ bezeichnete. „Die haben gesagt: Wir sind jetzt schon mal da, dann musst du auch ein Tor machen“, erzählte er. Die Hoffnungen hatte er aber sofort gedämpft und sie wissen lassen, „dass das auf der Position, die ich mittlerweile spiele, eigentlich gar nicht mehr geht“.

Wenn das Selbstvertrauen wieder da ist – und der Gegner mitspielt, dann schon. Der deutliche Sieg unter der Woche in der Champions League, dieses 3:0 gegen Lazio Rom, hat den Knoten bei den Bayern vielleicht noch nicht ganz gelöst, aber auf jeden Fall gelockert. So gelingen auch Tore wie jenes von Serge Gnabry zum zwischenzeitlichen 6:1. Der Angreifer war nach dreimonatiger Verletzungspause zu seinem Bundesliga-Comeback gekommen und nur vier Minuten nach der Einwechslung erzielte er mit der Hacke das spektakulärste Tor der Partie. Die Mainzer Taktik, hoch zu pressen, statt einen Abwehrriegel am Strafraum aufzuziehen, kam den Münchnern entgegen.

Es mag verwunderlich sein, dass es Tuchel nun, da sein Abschied zum Saisonende beschlossene Sache ist, zu gelingen scheint, Spieler wie Goretzka oder Kimmich von seinen Ideen zu überzeugen. Dass er vielleicht auch jenen Pragmatismus zeigt, zu dem er zuvor nicht bereit gewesen war.

Dazu gehört auch, dass er Thomas Müller von Anfang an spielen lässt. Der rechtfertigte am Samstag seinen Einsatz wie schon gegen Rom unter anderem mit einem Tor. Tuchel hat sich außerdem in Matthijs de Ligt und Eric Dier auf ein Innerverteidiger-Duo festgelegt, mit dem noch vor ein paar Wochen nicht zu rechnen war, weil der eine, de Ligt, bei Tuchel nicht im Kurs steht oder besser: stand. Und der andere, Dier, lediglich als Ergänzung für das knapp bemessene Defensiv-Personal vorgesehen war. Aber die beiden harmonieren vortrefflich und wirken immer gefestigter.

Vermutlich spielt der FC Bayern noch immer nicht ganz so, wie sich der Perfektionist Tuchel das vorstellt, aber er kann damit leben. Und seine Mannschaft offenbar auch.

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