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Nur beim Schießen klemmte es hier und da mal bei Denise Herrmann.

© imago images/Lehtikuva

Nach dem Ende einer Saison mit Aufs und Abs: Welche Herausforderungen nun auf das deutsche Biathlon zukommen

Zu wenige Treffer, zu wenige Talente, zu wenig Schnee – das deutsche Team hat trotz einer ordentlichen Biathlon-Saison viel zu tun.

Vielleicht hätte Jens Spahn den Satz doch ein wenig anders formulieren sollen. „Das Virus ist alkoholsensibel“, hatte der Gesundheitsminister vergangene Woche auf einer Pressekonferenz gesagt. Das hatte nicht nur im Netz für Stimmung gesorgt: „Haha, saufen gegen das Coronavirus! Und ihr deckt euch mit Klopapier ein!“ So ungefähr. Dass es eigentlich darum ging, nun auch Industriealkohol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln zu nutzen, ging dabei ein bisschen unter.

Auch im Lager des deutschen Biathlon-Teams nimmt man es in dieser Hinsicht offenbar nicht ganz so genau. „Das sollte man vor dem Fernsehen jetzt wahrscheinlich nicht sagen“, erklärte Vanessa Hinz nach dem letzten Rennen des Winters und tat es dann am ARD-Mikrofon doch: „Man soll ja auch ein bisschen desinfizieren, und das werden wir auch von innen raus machen.“ Einen kleinen Umtrunk werde es also schon geben.

Corona hin, Virus her: Beim vorzeitigen Saisonfinale im finnischen Kontiolahti hatten die deutschen Frauen noch einmal mit einem Doppelerfolg von Denise Herrmann und Franziska Preuß im Sprint überzeugt, auch wenn in der abschließenden Verfolgung am Samstag nicht mehr viel ging. „Hinten raus haben wir uns mit geballter Teamstärke präsentiert“, sagte Herrmann. „Wir können im Damenteam sehr zufrieden sein.“ Da kann man schon mal drauf anstoßen.

Das sieht auch Fritz Fischer so. „Die Saison hat gezeigt, dass man konkurrenzfähig ist“, sagt der frühere Bundestrainer und Olympiasieger. „Vor allem die Damen waren überraschend gut.“

Darauf hatte zu Beginn des Winters noch nicht allzu viel hingedeutet. Nach dem Abschied der alles überragenden Laura Dahlmeier hatten tatsächlich viele eine schwierige Saison für die Frauen erwartet. Doch dass sie so übel beginnen würde wie mit den historisch schlechten Platzierungen gleich beim zweiten Weltcup in Hochfilzen, war auch über die allerschlimmsten Befürchtungen hinausgegangen.

Die deutschen Biathletinnen steigerten sich

Fischer hatte jedoch keine Sorgen. „Ich kenne Biathlon“, sagt er. „Der Sport ist abwechslungsreich. Man muss konsequent dranbleiben.“ Und das schafften die deutschen Biathletinnen. Sie steigerten sich und sorgten vor allem mit ihren drei Silbermedaillen bei der WM in Antholz für die Highlights im Team des Deutschen Skiverbands (DSV).

Besonders Denise Herrmann zeigte dabei, warum sie vor der Saison als neue deutsche Topläuferin auserkoren wurde. Beim erneuten Weltcup-Gesamtsieg der Italienerin Dorothea Wierer wurde sie starke Dritte und gewann zudem die Sprintwertung. Dreimal stand sie in dieser Saison ganz oben auf dem Podium. Auch Franziska Preuß zeigte mit Platz sechs im Gesamtweltcup ihr Potenzial.

„Wir haben natürlich ein bisschen was zu tun, und da werden wir im Sommer hart dran arbeiten“, sagte Herrmann. „Wir haben uns schon ein paar Ziele gesteckt.“ Dazu dürfte bei ihr persönlich gehören, noch mehr Sicherheit am Schießstand zu gewinnen. Läuferisch bewegt sich Herrmann im Weltcup längst in ihrer eigenen Liga.

Doch das Schießen vermieste im Laufe der Saison oftmals die Stimmung im deutschen Team. Bei der WM wurde das besonders den deutschen Männern zum Verhängnis. Sie blieben dort nach teils haarsträubenden Schießleistungen ohne Einzelmedaille. Schnell war eine Diskussion darüber im Gange, ob es sich der DSV noch leisten könne, keinen festen Schießcoach für den Weltcup-Kader zu beschäftigen. In anderen Nationen ist das längst Usus.

Fischer hält davon wenig. „Wir haben gute Trainer“, findet er und sieht vor allem die Athletinnen und Athleten in der Pflicht. „Sie können alle schießen. Aber da waren viele Leichtsinnsfehler dabei.“ Besser werde es nur mit „noch mehr Freude bei den Lauf- und Schießeinheiten“.

Für die deutschen Männer gab es wenig zu feiern

Dazu gab es jedoch bei den Männern auch in den Weltcuprennen nur wenig Anlass. Allein Benedikt Doll holte einen Sieg und landete als bester Deutscher im Gesamtweltcup auf Platz acht. So fiel die Bilanz der Männer deutlich schlechter aus als die ihrer Kolleginnen – vor der Saison war man eigentlich eher vom umgekehrten Fall ausgegangen.

„Dinge, die es weiter zu verbessern gilt, haben wir auf dem Schirm“, sagt auch Bundestrainer Mark Kirchner. Er und der neue Sportliche Leiter Bernd Eisenbichler sind nun in der Sommerpause gefragt. Denn neben den Leistungen in der Spitze sind längst auch andere Themen auf das Tableau gerückt. Im Nachwuchs wird die Luft dünner, auf den heimischen Loipen der Schnee.

„Für jeden Verband wird es immer schwieriger, große Talente in das System zu bringen“, hat Eisenbichler erkannt und will „systematischer“ scouten. Der DSV möchte mit Schulen kooperieren, auch frühere Biathlon-Stars sollen dabei helfen.

Fritz Fischer ist einer von ihnen. Er weiß: „Wir haben zwar viele junge Leute, aber wir werden immer an den Top sechs gemessen.“ Und damit dem DSV zukünftig nicht die Spitzenplatzierungen davonschmelzen, braucht es zusätzlich Konzepte zur Schneesicherung auf den eigenen Trainingsanlagen.

Erst einmal sind nun jedoch Konzepte zur Gesundheitssicherung gefragt. Und zwar solche, die über die desinfizierende Wirkung von Alkohol im eigenen Blutkreislauf hinausgehen.

Leonard Brandbeck

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