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Mats Hummels wird (3. v. l.) wird gegen Schweden wohl fehlen. Mario Gomez (r.) könnte von Beginn an auflaufen.

© Adrian Dennis/AFP

Fußball-WM in Russland: Gomez, Reus, Goretzka? So könnte die deutsche Elf aussehen

Gegen Schweden wird von Jogi Löw eine radikale Reaktion nach der Niederlage gegen Mexiko erwartet. Das passt aber nicht zum Naturell der Bundestrainers.

Leider gibt es keine verlässlichen Analysedaten über die vielleicht wichtigste Begegnung der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Russland. Sie hat am Montag im Teamquartier in Watutinki stattgefunden, und aus den Berichten der Beteiligten wurden später unterschiedliche Schlüsse gezogen. Es hat ordentlich geknallt, interpretierten die einen. Es hat gar nicht geknallt, die anderen. Objektive Daten liegen für die Teamsitzung der Nationalspieler nicht vor, die Schallpegelmessgeräte waren nicht eingeschaltet. Sicher ist nur, dass die Besprechung deutlich länger gedauert hatte als ursprünglich veranschlagt. „Es hat nicht so geknallt, wie es früher geknallt hätte“, sagte Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft.

So wie 1974. Das Mexiko der Nationalmannschaft war damals die DDR, die das vor allem politisch aufgeladene Gruppenspiel mit 1:0 für sich entschieden hatte. Die sportlichen Folgen blieben allerdings überschaubar, weil sich die Nationalmannschaft schon zuvor für die zweite Finalrunde qualifiziert hatte, der Frust aber war nach drei spielerisch dürftigen Auftritten immens. „Wir haben uns gegenseitig angekotzt“, erinnert sich Berti Vogts. „Das fing schon in der Kabine an, ging im Bus weiter und endete erst morgens um fünf in der Küche unseres Quartiers.“

In jener Nacht von Malente wurden reichlich Bier und Wein konsumiert, und als irgendwann Co-Trainer Jupp Derwall zum Schlafengehen mahnte, war ein Spieler kurz davor, ihm eine Rotweinflasche an den Kopf zu werfen. Es wurde weiter getrunken und am Ende gemeinsam gesungen. „Das war das erste Mal, dass wir eine Mannschaft waren“, sagt Vogts. Der Legende nach hat Kapitän Franz Beckenbauer nach dem DDR- Spiel für den ermatteten Bundestrainer Helmut Schön das Kommando übernommen. Gegen Jugoslawien standen vier neue Spieler in der Startelf, die Deutschen gewannen 2:0, nach drei weiteren Siegen waren sie Weltmeister.

Vier Änderungen im Vergleich zum Mexiko-Spiel, das ist ungefähr die Quote, die dem Fußballvolk auch für die Partie gegen Schweden vorschwebt. Personelle Möglichkeiten hat der Bundestrainer einige, spekuliert wird viel. Als sicher darf gelten, dass Mats Hummels aus der Startelf fliegt – er hat sich am Donnerstag im Training den Halswirbel verrenkt, seitdem ist bei ihm keine Besserung eingetreten. Niklas Süle oder Antonio Rüdiger könnten ihn ersetzen. Dazu wird der wiedergenesene Jonas Hector Herthas Marvin Plattenhardt verdrängen – alle weitergehenden Deutungen sind so zuverlässig wie Sternendeuterei.

„Aber irgendeinen Impuls wird es schon geben“

Fürs defensive Mittelfeld böte sich Leon Goretzka anstelle von Sami Khedira an. Marco Reus steht vermutlich vor seinem Startelfdebüt – fraglich ist nur, ob er für Thomas Müller, Mesut Özil oder Julian Draxler spielen wird. Und im Sturm könnte der robustere Mario Gomez für Timo Werner zum Einsatz kommen. Gomez war am Freitag zur offiziellen Fifa-Pressekonferenz vor dem Spiel kommandiert worden. Ein Zeichen? Es könne ein Signal sein, antwortete der Stuttgarter, es könne aber auch ein Bluff sein.

„Es wäre verkehrt, sich jetzt einen oder zwei Spieler herauszusuchen“, sagt Manager Bierhoff über die Diskussionen um die Mannschaft. „Aber irgendeinen Impuls wird es schon geben.“ Es muss nicht zwingend ein personeller Impuls sein. Auch eine taktische Änderung ist möglich. So wurde bereits spekuliert, Löw könnte in der Abwehr auf eine Dreierkette umstellen. Das böte sich einerseits an, weil die Schweden traditionell mit zwei Stürmern spielen, wäre andererseits gegen einen mutmaßlich ultradefensiven Gegner ein bisschen zu viel des Guten.

Löw ist kein freier Radikaler

Bundestrainer Joachim Löw ist bisher nicht als freier Radikaler aufgefallen, der seine Pläne umschmeißt wie ein Zweijähriger einen Turm aus Bauklötzen. „Warum soll man nach einem Spiel alles in Frage stellen?“, sagte er. „Das grundsätzliche Vertrauen in diese Spieler wird nicht wegen eines Spiels in die Brüche gehen.“ Die personellen Veränderungen werden deutlich sparsamer ausfallen, als die Öffentlichkeit sich das erhofft.

Wenn man die Nationalspieler in diesen Tagen reden hört, klingt durch, dass auch sie eher keine Totalrevision befürworten. „Es hatte nichts mit der Qualität zu tun, sondern mit dem Bewusstsein“, sagt Mario Gomez. „Das sind Dinge, die man beheben kann. Ich glaube nicht, dass wir dafür die Identität der Mannschaft verändern müssen.“ Der durchaus selbstkritische Tenor nach der Niederlage gegen Mexiko lautet: Unsere Einstellung ist wichtiger als die Aufstellung.

Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass eine Mannschaft nur selten mit derselben Besetzung aus einem Turnier herausgeht, mit der sie in das Turnier hineingegangen ist. Auch 2014, beim Titelgewinn in Brasilien, nahm Löw eine entscheidende Änderung vor – ohne die Mannschaft komplett umzubauen. Nach dem Achtelfinale zog er Philipp Lahm aus dem defensiven Mittelfeld in die Viererkette zurück. Entsprechende Diskussionen hatte es in der Öffentlichkeit seit dem ersten Spiel gegeben. Der Bundestrainer hielt trotzdem an seinem Plan fasst – bis der Wunsch auch innerhalb der Mannschaft immer größer wurde.

Löw legt großen Wert auf seine Autonomie als Bundestrainer. Er ist in der Vergangenheit aber auch so klug gewesen, bei seinen Entscheidungen nicht nur zu berücksichtigen, was seine Mannschaft braucht, sondern auch das, was sie will.

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