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Unvergesslich. Pal Dardai (r.) kümmerte sich am 2. Dezember 2001 nicht nur um Bayerns Spielmacher Mehmet Scholl, er erzielte kurz vor Schluss auch den Treffer zu Herthas 2:1-Sieg.

© Camera4/Imago

Hertha BSC trifft auf den Rekordmeister: Pal Dardai hat das Bayern-Besieger-Gen

Erst Frankfurt, dann die Bayern: Das Auftaktprogramm für Herthas neuen Trainer ist happig. Aber Pal Dardai weiß, wie man Favoriten ärgern kann.

Anfang Dezember jährt sich zum 20. Mal der Tag, an dem Pal Dardai, der bei Hertha BSC schon viele Rollen übernommen hat, in eine Rolle schlüpfte, die er vermutlich nie wieder loswerden wird.

Es war der 2. Dezember 2001, der 15. Spieltag in der Fußball-Bundesliga, als der defensive Mittelfeldspieler der Berliner seiner Mannschaft kurz vor Schluss mit einem Schuss unter die Latte einen wichtigen 2:1-Sieg bescherte. Und weil der Gegner niemand Geringeres war als der Deutsche Meister, Champions-League-Sieger und frische Weltpokalgewinner Bayern München wurde Dardai nicht nur zum Helden des Tages; er wurde auch zu einer Art Zeitzeuge.

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Es gibt naturgemäß nicht allzu viele Menschen, die an einem Sieg gegen die Bayern beteiligt waren – und bei Hertha BSC schon mal gar nicht. Ganze fünfmal ist es den Berlinern in den vergangenen vierzig Jahren gelungen, die Münchner zu bezwingen. Viermal wirkte Dardai daran mit, dreimal als Spieler, einmal als Trainer. Und natürlich wird er jetzt jedes Mal, wenn das Duell mit den Bayern ansteht, gefragt, wie das denn so ist und wie das denn so geht. Pal, erzähl mal!

Eine schöne Geschichte sei das, antwortet Dardai. „Für die Journalisten.“ Als er damals, im Dezember 2001, nach dem Spiel in den Vip-Raum des Olympiastadions kam, erhoben sich die besonders wichtigen und besonders zahlungskräftigen Fans des Vereins von ihren Plätzen und feierten ihn mit frenetischem Applaus. Seitdem weiß Dardai, „dass man sich in solchen Spielen verewigen kann bei seinem Klub“. Den praktischen Nutzen dieser Erfahrung für die Gegenwart und seine Arbeit als Trainer aber erachtet er als gering: „Ich kann mich nicht vor die Mannschaft stellen und sagen: ,Ich habe gegen die gewonnen.’ Da lachen die mich aus.“

Die Bayern müssen nach dem Spiel schnell weg

An diesem Freitag ist es wieder so weit: Hertha BSC empfängt die Bayern. Wieder sind die Münchner Champions-League-Sieger. Doch anders als im Dezember 2001 kommen sie diesmal nicht auf direktem Weg vom Weltpokal-Finale nach Berlin; diesmal reisen sie unmittelbar nach dem Auftritt im Olympiastadion zur Klub-WM nach Katar, weswegen das Spiel um eine halbe Stunde vorverlegt wurde (20 Uhr, live bei Dazn).

Sonst sind die Voraussetzungen wie fast immer in den vergangenen fünfzig Jahren: Bayern ist der Favorit, Hertha der Außenseiter. Aber das soll die Berliner nicht in ihrer Haltung zu diesem Spiel beeinflussen. „Ich wünsche mir, dass wir mutig sind und mehr Lust haben zu gewinnen, als Angst davor zu verlieren“, sagt Sportdirektor Arne Friedrich.

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Für Pal Dardai, Herthas neuen alten Trainer, ist es das zweite Spiel nach seiner Rückkehr. Und es ist die zweite von mindestens fünf Aufgaben zum Auftakt seiner Rettungsmission, die maximal knifflig sind. Dardai hat schon bei seiner Vorstellung vorige Woche auf die Tücken des Spielplans hingewiesen; darauf, dass man nicht zwingend davon ausgehen kann, dass Hertha bei Spielen gegen Frankfurt, Bayern, Stuttgart, Leipzig und Wolfsburg gleich die Welle der Euphorie erwischt; und dass man sich gedanklich daher auch auf das Gegenteil einstellen muss und entsprechend einen Plan B haben braucht.

Wenn es dumm läuft, fällt Hertha an diesem Wochenende sogar auf einen Abstiegsplatz zurück – zum ersten Mal seit dem 13. Spieltag der vergangenen Saison, als die Mannschaft nach dem Debüt von Jürgen Klinsmann Sechzehnter war. Trotzdem sagt Dardai über das Duell mit den Bayern: „Wir werden nicht reingehen, um irgendwie zu überleben.“

Sein Plan gegen die Bayern wird ähnlich aussehen wie bei seinem Comeback vor einer Woche gegen Eintracht Frankfurt. „Wir können nicht sagen: Wir werden 60 Prozent Ballbesitz haben“, erklärt Dardai. Stattdessen geht es um Kompaktheit in der Defensive, um richtige Entscheidungen nach Ballgewinnen, um schnelles Umschalten und vor allem um Effizienz vor dem gegnerischen Tor. „Wir sind vorbereitet“, sagt Herthas Trainer. „Aber es geht nur, wenn jeder gegen den Ball mitmacht und keiner nachlässt. Und wenn du Balleroberungen hast, musst du schon wissen, wo du hinwillst.“

Hertha BSC will wieder unbequem werden

Mit dieser Art des Fußballs sind die Berliner unter Dardai viereinhalb Jahre lang vergleichsweise erfolgreich gewesen (vor allem wenn man sieht, wie es unter seinen vier Nachfolgern ausgesehen hat). Gegen Hertha hat kaum jemand gerne gespielt, weil die Mannschaft maximal unbequem war. Und das schließt die Bayern explizit ein.

Auf den ersten Blick hat Herthas Bilanz gegen den Rekordmeister unter Pal Dardai als Trainer nichts Verdächtiges. Von zehn Pflichtspielen (davon eins im DFB-Pokal) haben die Münchner sechs für sich entschieden, drei gingen mit einem Unentschieden zu Ende, und nur einmal gewann Hertha. Dardai war schon zwei Jahre im Amt, als er im Februar 2017 vor einem Spiel gegen die Bayern feststellen musste: „Seitdem ich hier Trainer bin, haben wir gegen sie noch nicht mal ein Tor geschossen.“ Das gelang den Berlinern erst im fünften Aufeinandertreffen.

Und trotzdem lohnt sich ein zweiter Blick auf die Statistik. Er verrät, dass es für den FC Bayern gegen Dardai und seine Mannschaft fast nie einfach war. Ihr höchster Sieg war ein 3:0 in der Saison 2016/17, sonst erzielten die Münchner nie mehr als zwei Tore gegen Hertha. Eine solche Bilanz kann in jüngerer Vergangenheit kein anderer der aktuellen Bundesligisten gegen den Rekordmeister aufweisen, sieht man einmal von Herthas Lokalrivalen, dem 1. FC Union, ab, der allerdings erst dreimal gegen die Münchner gespielt hat.

Von den vergangenen fünf Ligaspielen gegen die Bayern hat Dardai mit Hertha nur eins verloren, seine Heimbilanz ist sogar ausgeglichen (ein Sieg, zwei Unentschieden, eine Niederlage, 5:5 Tore). „Pal wird einen sehr, sehr guten Plan ausarbeiten“, folgert Sportdirektor Arne Friedrich wohl auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit. „Davon bin ich überzeugt.“

Im Dezember 2001 gingen die Bayern kurz nach der Pause durch ein Kopfballtor von Niko Kovac in Führung. Den Ausgleich für Hertha erzielte ein Spieler, der erst zehn Minuten vorher eingewechselt worden war. Sein Name: Andreas „Zecke“ Neuendorf. Am Freitag wird er als Co-Trainer neben Pal Dardai an der Seitenlinie sitzen. Mehr Bayern-Besieger-Expertise auf der Bank geht wirklich nicht.

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