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Dem kleinen Finale fehlt der heilige Ernst des richtigen Endspiels. Es bringt selbst jemanden wie Oliver Kahn (r.) zum Lachen.

© imago/Thorge Huter

Kleines Finale, großer Trost: Das Spiel um Platz drei ist mehr als der Blinddarm der Fußball-WM

„Das kleine Finale“ hat keinerlei Funktion, braucht niemand und kann deshalb weg. Oder? Statt Ablehnung und Verachtung hätte es Lob und Preis verdient.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Louis van Gaal, der bekanntlich immer recht hat, hat sich schon vor acht Jahren klar positioniert. Das Spiel um Platz drei? „Das hat mit Sport nichts mehr zu tun“, hat der damalige Bondscoach der holländischen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in Brasilien gesagt. „Es kann nur ein Finale geben, und in dem muss es darum gehen, Champion zu werden.“

Das Spiel um Platz drei, auch bekannt als „Das kleine Finale“, ist so etwas wie der Blinddarm des Fußballs: Hat keinerlei Funktion, braucht niemand und kann deshalb weg. Bei Fußball-Europameisterschaften ist dieser Wettkampf um die goldene Ananas irgendwann (nach der EM 1980, um genau zu sein) einfach ersatzlos gestrichen worden. Und: Fehlt was?

Ja. Oder besser: Ohne das Spiel um Platz drei wären uns zumindest einige schöne Geschichten verwehrt geblieben. Die von Willi Schulz zum Beispiel, der 1970 dummerweise seine Fußballschuhe im Mannschaftshotel hat stehen lassen, weil er auf das kleine Finale gegen Uruguay nämlich ähnlich viel Lust verspürte wie viele Jahrzehnte später Louis van Gaal.

Und ohne das Spiel um Platz drei bei der WM 2006 hätten wir – Achtung: Ironie – auch nie erfahren, dass Stuttgart viel schöner ist als Berlin.

Statt nur einem Sieger gibt es zwei

Das Spiel um Platz drei erntet Ablehnung und Verachtung, wo es Lob und Preis verdient hätte. Im Vergleich zum heiligen Ernst des richtigen Endspiels verströmt es eine gewisse Leichtigkeit, und im Idealfall ist das kleine Finale durchaus dazu geeignet, großen Trost zu spenden. Es verdoppelt die Zahl der Mannschaften, die eine WM als Sieger beenden: Aus eins mach zwei.

Auch im konkreten Fall muss man sich keine Sorgen machen. An diesem Samstag treffen in Katar zwei Teams aufeinander, die das Spiel eben nicht als Zumutung begreifen, sondern als Chance und Geschenk. Die Kroaten denken noch heute voller Stolz an 1998 zurück, als der dritte Platz bei der WM in Frankreich der erste große fußballerische Erfolg für das damals noch junge Land war.

Und bei Marokko, Kroatiens Gegner, bestehen erst recht keine Bedenken. Die Aussicht auf Bronze ist Ansporn genug für eine Mannschaft, die mit ihren leidenschaftlichen Auftritten viele neue Anhänger gefunden hat. Auch die goldene Ananas kann herrlich süß schmecken.

Das müsste eigentlich selbst Louis van Gaal, der bekanntlich immer recht hat, inzwischen zugeben. So überflüssig er das Spiel um Platz drei vor acht Jahren auch gefunden haben mag: Es hinderte sein Team nicht daran, den Gastgeber Brasilien im kleinen Finale mit 3:0 zu besiegen.

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