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Herbe Enttäuschung. Norwegen (rote Trikots) verliert bei den Paralympics gegen Italien. Nun wird es ganz schwer mit der angepeilten Bronzemedaille.

© Thilo Rückeis

Paralympics in Pyeongchang: Eine der Jungs

Es gibt kein weibliches Para-Eishockeyteam – also spielt die Norwegerin Lena Schröder eben bei den Männern mit.

Von Ronja Ringelstein

Wenn Lena Schröder sich auf dem Eis bewegt, hat sie genau ein Ziel: dem Gegner mächtig Druck zu machen. Also versucht sie schneller zu sein als die anderen, schiebt sich, in ihrem Schlitten sitzend, mit den Spikes an ihren Eishockey-Schlägern schnell nach vorne, jagt nach dem Puck, um ihn dann mit aller Kraft in Richtung Tor zu schießen. Unter ihrem Helm hat sie dann ihre langen weißblonden Haare verstaut, ihre Schultern wirken in der Kluft ebenso breit, wie die ihrer Teamkollegen. Lena Schröder ist die einzige weibliche Spielerin im norwegischen Nationalteam. Und sie ist die einzige Eishockeyspielerin bei den Paralympics überhaupt.

„Ich bin einfach eine der Jungs“, sagt Schröder. An diesem Samstag sitzt sie kurz vor Anpfiff des ersten Vorrundenspiels ihrer Mannschaft gegen Italien auf einem der oberen Ränge im Gangneung Hockey Center in Südkorea. Im Norweger Pullover, der ihre kräftigen Arme betont. Lena Schröder wurde mit Spina bifida, einem Wirbelspalt, geboren. Da er nicht besonders ausgeprägt ist, kann sie locker ihre Beine anwinkeln und die Füße auf die weißen Eisenstangen an den Zuschauerrängen stellen. Sie wirkt entspannt – klar, Italien ist kein einfacher Gegner, „aber wir sind besser“- Dass sich das an diesem Samstag nicht bestätigen wird und Italien nach dem 2:2 schließlich im Penaltyschießen den Puck einmal weniger daneben haut und 3:2 gewinnen wird, weiß sie da noch nicht.

Lena Schröder ist die einzige weibliche Spielerin im norwegischen Nationalteam.
Lena Schröder ist die einzige weibliche Spielerin im norwegischen Nationalteam.

© Thilo Rückeis

Es sind ihre ersten paralympischen Winterspiele. Norwegen hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Frau in den Kader zu nehmen. Normalerweise besteht ein Team aus 15 Männern und zwei Torhütern, es dürfen aber bis zu 18 nominiert werden, wenn mindestens eine Frau dabei ist. So soll die Teilnahme von Spielerinnen gefördert werden – denn ein eigenes Eishockeyteam der Frauen gibt es nicht. Als bislang einzige Frau war Brit Mjaasund Öjen ebenfalls mit dem norwegischen Männerteam 1994 in Lillehammer bei Paralympics dabei.

"Wir als Team unterscheiden nicht in Frau oder Mann"

An diesem Samstag spielt die 24 Jahre alte Medizinstudentin Schröder erst einmal nicht. Sie habe auch nicht erwartet, aufgestellt zu werden, sagt sie, denn bei diesem Match müssen die Besten spielen. Sie weiß, dass sie das in einem Team, in dem sonst nur Männer spielen, nie sein kann. Aber auf einem Freiticket ist sie nicht dabei. Sie kann es mit ihnen aufnehmen. Trainer Espen Hedge gab die Devise aus, dass es keine Extraregeln gebe. Sie muss als eine der Jungs funktionieren. Und das tut sie.

Die Teilnahme an den Paralympics ist Lena Schröders Traum, seit sie mit 15 Jahren im norwegischen Moss mit dem Para-Eishockey angefangen hat. Inzwischen spielt sie im Osloer Valerenga Club, zusammen mit Morten Vaernes, Nationalspieler und Lebensgefährte. Auch mit Frauen spielt sie, in einem europäischen Team. Aber zu wenig Länder haben eigene Frauen-Nationalteams, als dass sie paralympisch werden könnten. Obwohl beim Para-Eishockey nur fünf gegen fünf auf dem Eis sind, müssen die Kader 15 „Mann“ stark sein. Den ersten Ruf in die Nationalmannschaft bekam sie 2014 für eine Reihe von Freundschaftsspielen.

Zurück in Gangneung. Vier Minuten vor Ende des dritten Drittels steht es 2:1 für Italien. Lena Schröder zappelt nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Dann die vorübergehende Erlösung: Teamkollege Bakke Audun macht ein Tor. Sie reißt die Arme nach oben, springt auf. Nach regulärer Spielzeit steht es unentschieden. Doch Italien gewinnt im Penaltyschießen. Norwegen trifft das Tor nicht. Dabei wollten sie dieses Jahr eigentlich Bronze holen. Ob sie das noch schaffen, ist aber fraglich. Am Montag steht Kanada auf dem Plan – gegen die Titelverteidiger haben die Norweger seit Jahren nicht gewonnen. Bei einer Niederlage werden sie nicht mehr ins Halbfinale kommen, nur noch Platz fünf wäre drin. „Ich hoffe, dass der Coach mich Montag aufstellt“, sagt Schröder kampfeslustig. Da sie bislang nie ohne Schröder gegen Kanada gewinnen konnten, könnte der Trainer es darauf ankommen lassen.

In der Mixed Zone nach dem Spiel ist Nationalspieler Morten Vaernes, der das erste Tor für Norwegen machte, die Enttäuschung anzusehen: „Wir haben jetzt verloren und wahrscheinlich kostet uns das die Möglichkeit, ins Halbfinale zu kommen“, sagt er. Ob es ein wichtiges Zeichen sei, dass Schröder als Frau in der Mannschaft sei? „Wir als Team unterscheiden nicht in Frau oder Mann. Sie ist ein guter Spieler und guter Kamerad. Nicht mehr.“ Und seine Freundin seit fünf Jahren, natürlich.

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