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Nico Feisst.

© Thilo Rückeis

So inklusiv ist die Paralympics Zeitung aus Berlin: Der Wahnsinn

Inklusion? Ich versteh den Aufruhr nicht. Für mich ist nur wichtig, ob ich jemanden mag oder nicht - nicht, ob er behindert ist oder nicht. Das sagt Nico Feisst, Jugendreporter der Paralympics Zeitung. Und was noch?

Das Großartige beim Berichterstatter über die Paralympics ist, dass man schnell nicht mehr wahrnimmt, ob jemand nun ein oder zwei Arme hat, sehen kann oder nicht, sitzend oder stehend Leistungssport treibt. Man verfolgt schlicht die Leistung der Athleten. Diese Erfahrung haben in zehn Jahren Paralympics Zeitung des Tagesspiegels schon zahlreiche junge Journalisten aus der ganzen Welt gemacht. Dazu gehören auch Nico Feisst und Jonas Wengert.

Es ist vielleicht bezeichnend für das Medienprojekt, dass es bei der Arbeit keine Rolle spielte, was genau eigentlich ihre Behinderung ist. Ganz im Geiste von Nico Feisst, der sagt: „Ich versteh den ganzen Aufruhr um Inklusion nie, weil ich keine Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung mache, nur ob ich sie mag oder nicht.“

Fahr doch mal mehr Rollstuhl!

Nico Feisst muss man mögen, weil er sagt, er sei zu dem internationalen Projekt beim Schreibwettbewerb für die Paralympics in London 2012 durch Zufall und vor allem dank seines „überragenden Interviewpartners Holger Kimmig“, einem beinamputierten Schwimmer, gekommen. Nico Feisst hat dann als Neueinsteiger teils originellere Themen ausgegraben als manche erfahrene Berichterstatter. Und er erzählt lächelnd, er musste Jonas als Rollstuhlfahrer bei den Paralympics in Sotschi schon mal öfter in den Hintern treten – aber nur, wenn der morgens mal nicht aus dem Bett kam. So einer wie Nico Feisst darf dann auch den Jonas Wengert, der auch laufen kann, anhauen: Dieser solle wegen seines eigenen Basketballsports doch bitte mehr Rollstuhl fahren!

Jonas Wengert.
Jonas Wengert.

© Thilo Rückeis

Oft haben sich aber all die anderen, nichtbehinderten jungen Paralympics-Zeitungs-Journalisten ganz selbstverständlich in Jonas’ Rollstuhl gesetzt, weil das bequem war oder Spaß gemacht hat oder eine freundschaftliche Geste war gegenüber dem Kollegen. Jonas Wengert sagt genau wie alle anderen jungen Paralympics-Journalisten, das Projekt sei „Wahnsinn gewesen und der Hammer“.

Sie feiern zusammen Silvester

Schöne Momente seien es zudem gewesen, resümiert Jonas Wengert, wenn die anderen seine Behinderung völlig vergaßen und ihn etwa beim Vorbereitungsseminar an der Uni in Moskau baten, doch mal schnell dies oder das zu holen und ihnen erst dann auffiel, dass er dafür ja länger brauche oder das eine oder andere vielleicht nicht tragen könne. Ihn also sahen wie jeden anderen auch. Viele der Jugendlichen der Paralympics-Zeitungs-Projekte seit 2004 aus verschiedenen Ländern treffen sich auch nach dem Projekt noch, etwa zum Silvesterfeiern.

Ey, Dicker!

Student Nico Feisst aus Dortmund und der Student Jonas Wengert aus Reutlingen waren neulich bei einem Spiel von Borussia Dortmund in Augsburg, und als Nico den leeren Rollstuhl von Jonas vom Sitz zurück zum Auto brachte, da riefen ihm Fußballfans zu: „Ey Dicker, Du hast Deinen Passagier verloren.“ Genauso, findet Nico, müsse man mit dem Thema Behinderung umgehen.

Ach so: Nico Feisst ist hochgradig schwerhörig. Und Jonas Wengert hat eine „beinbetonte Tetraspastik“, das nur so nebenbei.

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