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Seit 70 Jahren Kulisse für kleinen und großen Sport: Die Halle am Sachsendamm.

© IMAGO/Schöning

Sporthalle Schöneberg wird 70: Bei der Eröffnung war sie etwas ganz Besonderes – nur die Telefonzellen sorgten für Unmut

1,2 Millionen D-Mark teuer, ein Jahr Bauzeit: 1954 bekommt Berlin eine hochmoderne Sportstätte. Heute ist sie immer noch gut nachgefragt. Wir gratulieren zum runden Geburtstag.

Bei der Eröffnung ist die Sporthalle Schöneberg etwas ganz Besonderes. „Die Halle ist die schönste, zweckmäßigste und modernste in Berlin“, schwärmt diese Zeitung, die von einer „Kampf- und Übungsstätte in erster Linie für die Amateursportler“ schreibt.

Und weil sie zu ihrer Zeit so einzigartig ist, gibt der Tagesspiegel viel Raum für Details. Ein Beispiel: Erstmals ist in einer Berliner Sportstätte „eine Heizungsanlage eingebaut worden mit Ventilatoren und Brennerkammern, durch die gasbeheizte Frischluft in ständigem Kreislauf in die Halle geblasen wird“. Jeder der vier Öfen brauche 70 Kubikmeter Gas pro Stunde, die Luft trete aus den automatisch regulierbaren Öfen mit einer Temperatur von 180 Grad aus.

1,3 Millionen Mark hat die Sporthalle am Sachsendamm gekostet. Entworfen vom Architekten Friedrich Schell, ist sie nach einjähriger Bauzeit fertig. Am 10. April 1954, an diesem Mittwoch vor 70 Jahren, eröffnet Schönebergs Bezirksbürgermeisterin Ella Barowsky (FDP) die Halle, anschließend folgt ein bunter Querschnitt durch die Berliner Sportlandschaft, von Gymnastik-Darbietungen bis Rollschuhkunstlauf.

Die aus Beton gegossenen Zuschauertribünen auf den beiden Längsseiten bieten 1550 Menschen Sitzplätze, die Spielfläche mit ihrem doppelschwingenden Eichenparkettboden ist 24 mal 60 Meter groß, im Innenraum gibt es zwei Sprunggruben (die heute nicht mehr existieren), eine Hallenrunde beträgt 135 Meter. Aber es gibt auch etwas zu monieren: Zwar sind zwei schalldichte Telefonzellen errichtet worden, allerdings ohne Telefone. „Die Post hat sich in langwierigen Verhandlungen bisher geweigert, diese Apparate (Kosten jeweils 500 DM) aufzuhängen“, weiß der Tagesspiegel. Grund: Die Rendite sei nicht gesichert.

Auch ohne Telefone und mit offener Renditefrage ist sofort viel los. Ein Ausschnitt aus dem Veranstaltungsplan der ersten Wochen: Offene Deutsche Meisterschaften im Tischtennis, Osterturnier der Handballer des Olympischen SC, Dreistädtekampf Berlin/Düsseldorf/Essen im Turnen, Berliner Meisterschaften im Hallenradsport. „Große saalsportliche Veranstaltungen der Radfahrer sind in Berlin selten geworden, weil es in den letzten Jahren an einer geeigneten Sportstätte gefehlt hat“, ist im Tagesspiegel zu lesen. Nun hat sich das geändert.


1959 findet eine Weltmeisterschaft in der Sporthalle Schöneberg statt

Darüber hinaus finden sich Berichte zu einer Veranstaltung der Angestelltengewerkschaft gegen den Einspruch von Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (CSU) zum Berliner Besoldungsgesetz, Treffen von Parteien oder ein Trachtenfest. Aber zurück zum Sport: 1959 kommt die Halle sogar zu WM-Ehren, bei den Titelkämpfen im Karambolagebillard.

Um sie herum tut sich in den folgenden Jahren auch einiges. Eine Radrennbahn wird gebaut – die es inzwischen nicht mehr gibt, dort steht ein Möbelhaus. Die Schwimmhalle, in der Mark Spitz Weltrekorde aufstellt, ist seit Jahrzehnten unter anderem die Heimat der Wasserballer der Wasserfreunde Spandau 04, die dort neben zahlreichen anderen Titeln auch Europokale holten.

Die Halle ist die schönste, zweckmäßigste und modernste in Berlin.

Der Tagesspiegel zur Eröffnung der Sporthalle Schöneberg am 10. April 1954

Ende der 60er Jahre gibt es in direkter Nachbarschaft verkehrstechnisch einschneidende Veränderungen, die Autobahn A100 wird aus Steglitz bis zum Sachsendamm verlängert, das Kreuz Schöneberg entsteht. Weitere Teilstücke sind geplant, aber nicht realisiert worden. Unter der Brücke nah der Halle sind die Bäume längst hochgewachsen.

Bei den Sporthallen in der Stadt herrscht ebenfalls früh ein Kommen und Gehen: 1964 Einweihung der Sporthalle Charlottenburg, kurz Sömmeringhalle. 1973 Abriss des Sportpalastes. Die Sporthalle Schöneberg ist und bleibt da und bildet in West-Berlin mit der Deutschlandhalle sowie der Eissporthalle in der Jafféstraße und der Sporthalle Charlottenburg die großen Vier.


Tennis Borussia sichert sich den „Goldenen Fußball“

Anfang Januar 1965 berichtet die SFB-Abendschau über das „Erste Hallenfußball-Turnier der Knaben um den Goldenen Fußball“ in Schöneberg unter der Schirmherrschaft von „Herr Stadtrat für Jugend und Sport, Hans Kettner“ (Ankündigungsplakat). „Es spielten nicht die Cracks von heute, sondern die Stars von 1975“, heißt es im Beitrag. Das Finale gewinnt Tennis Borussia 2:1 gegen Kickers 1900.

Fazit im SFB: „Die jungen Burschen kämpften und spielten, dass einem alten Fußballer das Herz im Leibe lachte.“ Ab den 1970er Jahren wird Hallenfußball immer beliebter. Die großen Namen kommen in die Deutschlandhalle, die Berliner Klassen nach Schöneberg.

1983 sagt Michael Barthel von der SPD, die Halle sei bei Sportlern beliebter als die in Charlottenburg. Letztere hat nach Ansicht des Politikers „Bahnhofsatmosphäre", wenn sie nicht ausverkauft ist. Dazu sei angemerkt, dass es zu der Zeit um eine Sanierung der Schöneberger Halle geht und Bezirksstadtrat Barthel bemüht sich laut Tagesspiegel um „eine gezielte Sonderzuweisung aus Landesmitteln“. Die Reparaturen ziehen sich, die Kosten steigen, am Ende sind es etwa acht Millionen D-Mark unter anderem für eine neue Lüftungsanlage und Dachisolierung sowie wärmedämmende Dreifach-Fenster.

8
Millionen DM kostet die Sanierung der Halle in den 1980er Jahren.

Für Sonntag, den 6. November 1989, kündigt diese Zeitung unter den Sportveranstaltungen des Wochenendes eine Begegnung im Handballpokal der Frauen zwischen dem Bundesligisten TSV Tempelhof-Mariendorf und dem TV Echterdingen an. Drei Tage später verändern sich Berlin und die Welt, die Mauer geht auf.

Und in der Sporthalle Schöneberg? Geht das Sportleben weiter seinen gewohnten, eng getakteten Gang. Am 11. November spielen zunächst nachmittags nacheinander die Hockey-Männer der Zehlendorfer Wespen und des Berliner HC, ehe abends der VfL Lichtenrade gegen Eintracht Hagen in der zweiten Handball-Bundesliga antritt.

Berlin kann Olympia verkraften und gewährleisten.

Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper (SPD) im Jahr 1990

Mitte Januar 1990 veröffentlicht der Senat eine im Sommer zuvor in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zum Thema Olympische Sommerspiele. „Berlin kann Olympia verkraften und gewährleisten“, sagt der Regierende Bürgermeister Walter Momper (SPD). Laut Studie müssten dafür viele vorhandene Sportstätten um- und sechs Sporthallen sowie ein Tennisstadion neu gebaut werden. Die Sporthalle Charlottenburg wird explizit als eine der wenigen Hallen erwähnt, die internationalen Standards entspricht. Die Sporthalle Schöneberg ist kein Thema. Wenige Jahre später ist dann auch Olympia erst einmal kein Thema mehr.

1992 verschwindet in der nun geeinten Stadt die Werner-Seelenbinder-Halle für immer, ihr folgt knapp zehn Jahre später erst die Eissport- und wieder rund zehn Jahre danach die Deutschlandhalle. Erbaut werden über die Jahre unter anderem die Max-Schmeling-Halle, das Velodrom und die Arena in der Nähe des Ostbahnhofs, die kürzlich mal wieder einen neuen Sponsorennamen erhielt.

Nicht mehr da: Die Deutschlandhalle musste dem City Cube weichen.

© imago sportfotodienst

Die Sporthalle Schöneberg existiert weiter. Mit ihrem in roter Farbe gehaltenen Eingangsbereich und den großen Leuchtbuchstaben darüber. Mit den Garderoben, an denen in den letzten Jahren vermutlich nur selten Jacken und Mäntel hingen. Mit den zwischendurch mal erneuerten Holzbänken, die nichts für empfindliche Rücken sind. Kurz: Mit dem Charme von vorgestern oder noch früher. Einiges dürfte sich seit der Eröffnung 1954 nicht groß verändert haben. Gut so, sagen die einen. Hier und da zumindest ein bisschen Moderne würde nicht schaden, sagen andere.

Einen Sponsorennamen hat sie nie übergeholfen bekommen, dafür ist sie seit 2003 Teil des Willibald-Gebhardt-Sportzentrums, benannt nach dem Naturwissenschaftler und Begründer der Olympischen Bewegung in Deutschland. Sie war und ist weiterhin Heimat für den kleinen und größeren Sport, aber auch für Modenschauen und Erotikmessen.

Anfang 2020 fanden in der Sporthalle Schöneberg die Berliner Meisterschaften im Karate statt.

© imago images/Schöning

Die große Zeit des Hallenfußballs mit Beteiligung der Profiklubs und stundenlangen Übertragungen im Deutschen Sportfernsehen (DSF) aus Oldenburg, Mannheim oder Bielefeld ist längst vorbei. In Berlin hatte der Amateurkick unter dem Dach aber eine am Ende zwar recht kleine, jedoch äußerst treue Fangemeinde.

Eine der wichtigsten Anlaufstellen bleibt bis zum Beginn der Coronavirus-Pandemie die Sporthalle Schöneberg. Vor allem die Endrunde der Landesliga am Neujahrstag ist stets gut besucht. Eine Zeit lang gibt es sogar eine Art VIP-Raum, also einen im Vorraum mit rot-weißem-Flatterband abgesperrten Bereich, in dem Schnittchen und Pils im Plastikbecher gereicht werden.

Manch Hallenenthusiast reist von der Arbeit mit dem Taxi an, um ja nicht an einem Montagabend kurz vor Weihnachten die ersten Minuten in der vierten Vorrundengruppe der Kreisliga A zu verpassen. Bei Kennern der Materie stehen die schmackhaften Mettbrötchen am Imbiss hoch im Kurs, weshalb im kleinen Kreis mitunter von der „Metthalle“ die Rede ist.

Auch an Weihnachten rollt bis vor wenigen Jahren in Schöneberg der Ball. Zum Beispiel am Zweiten Feiertag, Zwischenrunde Bezirksliga, 10 Uhr. Oder, gleicher Tag, anderes Jahr: Kreisliga C, alle Vorrunden nacheinander. Je nach Uhrzeit mal vor 15 Zuschauern, mal vor 25, selten vor mehr als 35.

Das Thema Hallenfußball hat sich in Berlin weitgehend erledigt, der Berliner Fußball-Verband setzt mit Macht auf Futsal. In der Sporthalle Schöneberg ist trotzdem gerade an den Wochenenden nach wie vor viel Betrieb. An diesem Sonnabend spielen etwa in der Oberliga Ostsee-Spree die Handballer der SG OSC-Schöneberg-Friedenau um 17.45 Uhr gegen den SV Fortuna 50 Neubrandenburg. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum 70., altes Haus!

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