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Verbrechen in Brandenburg: Die Spur führt in den Untergrund

In Schildow gräbt die Polizei nach einem toten Türken aus dem Türsteher-Milieu – seit über zehn Jahren soll er dort in einem Garten liegen. Auf das mögliche Verbrechen sind die Ermittler zufällig gestoßen. Bisher hat den Mann niemand vermisst.

Schildow - Am Nachmittag, als das Loch im Garten der Villa fast drei Meter tief ist, muss schließlich Tobi ran. Der Leichenspürhund, sechs Jahre alt, wird vorsichtig im Rucksack hinab in die Tiefe getragen, er schnüffelt, ein Bellen oder Knurren aber ist am Gartenzaun, wo Nachbarn und Reporter stehen, nicht zu hören. Doch nach fünf Minuten sagt einer der Polizisten: „Tobi hat angeschlagen, er hat im Sand gewühlt.“ Wieder greifen die Polizisten zum Spaten, wieder buddeln sie nach dem toten Ahmet K.

Es ist der zweite Tag, an dem die Berliner Polizei mit 20 Beamten den Garten in der Bahnhofstraße durchwühlt. Sie ist auf der Suche nach dem Türken, der sich in den 90ern illegal in Berlin aufhielt und offenbar einem Verbrechen zum Opfer fiel. Nach Ermittlungen des LKA wurde er im Dezember 1996 oder Anfang Januar 1997 in der Diskothek „Paparazzi“ in der Nürnberger Straße in Berlin-Schöneberg erschossen und in Schildow vergraben. Das „Paparazzi“ soll sich in den Räumen des legendären „Dschungel“ – der West-Berliner In-Disko – befunden haben.

Niemand hat den Toten vermisst

Vieles ist noch undurchsichtig an diesem Tag in Schildow, nördlich von Berlin. Bekannt geworden ist die Tat durch die Ermittlungen von LKA-Beamten, die in der Türsteher-Szene ermitteln. Sie arbeiteten an einem anderen Fall, als sie im Sommer 2008 aufgrund eines Hinweisgebers auf die Spur des toten Türken gelenkt wurden. Die Tat in der Schöneberger Disko war bis dahin gar nicht bekannt gewesen. Offenbar hatte niemand Ahmet K. vermisst – für die Ermittler ist das nicht ungewöhnlich, nicht in diesem Milieu. „Da er illegal in Berlin lebte, hat er kaum soziale Kontakte gehabt“, sagt ein Beamter. Dass Angehörige der Türsteher-Szene von der Tat wissen und schweigen, gilt für die Ermittler als wahrscheinlich. „Er hatte hier offenbar keine familiären Bindungen. Und auch zu Verwandten in der Türkei bestand wohl kein enger Kontakt. Die wussten offenbar nur, dass er sich irgendwo in Europa aufhält.“

Am Mittag fährt in der Straße ein abgedunkeltes Auto vor dem 1997 gebauten Haus vor; derzeit wohnt nur ein Mieter darin. Mehrere Personen steigen aus dem Wagen, laufen zur Grube, reden – und verschwinden nach einer Viertelstunde plötzlich wieder. War der Tippgeber darunter? An exakt jener Stelle graben die Polizisten ganz intensiv.

„Unsere Informationen klingen sehr überzeugend und stammen aus dem Umfeld des Täterkreises“, sagt ein Polizeisprecher. Er dementiert aber ein Gerücht, wonach eine Person im Zusammenhang festgenommen worden sei.

"Von der Anhöhe sind die Kinder gerodelt"

Die Nachbarn, die die Polizei beobachten, rätseln ebenfalls. Viele sind Ende der 90er hierher gezogen, ein älterer Mann aber erinnert sich: „1996 stand hier eine ganze Weile die Grundplatte für das spätere Haus“, sagt er im gegenüberliegenden „Alten Backhaus“ beim Morgenkaffee. „Früher gab’s an der Stelle nur einen Bungalow. Von der Anhöhe sind die Kinder gerodelt.“

Offensichtlich haben die Täter den Zeitraum zwischen dem Gießen der Grundplatte und dem Beginn der Hausmontage für das Verstecken der Leiche genutzt. „Die Baugrube war viel größer als die Betongrundplatte“, sagt ein Ermittler. „Da ist es leicht, irgendetwas am Rande abzulegen und mit Sand und Kies zu bedecken. Das merkt niemand, auch die später anrückende Baufirma nicht.“ Die verdichtete den Rand rund um das Haus und legte einen Pflasterweg über den späteren Grabungsort. Auch Mieter und Hausbesitzer sind nicht verdächtig.

Am späten Nachmittag, als Leichenspürhund Tobi längst wieder aus der Grube gezogen wurde, bricht die Polizei die Suche ab. Zu tief und groß ist das Loch direkt an der Kellerwand, das Haus soll ja nicht absacken. Ab Donnerstag muss nun eine Spezialfirma bei der Suche ran. Der Täterkreis dürfte aufgeschreckt sein. Genau darauf hofft nun auch die Polizei.

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