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Die NPD hat in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren, doch mit ihren Auftritten schüchtern sie in etlichen Kommunen die Bewohner ein.

© Christian Charisius/Reuters

Nach dem gescheiterten Verbot: Wo die NPD noch gefährlich ist

Sie marschieren durch den Ort, im Gleichschritt, bedrohlich. Was der Staat verkraftet, hält der Einzelne nicht so einfach aus – wenn er jeden Tag unter der NPD zu leiden hat. Ein Besuch in der Provinz. Unser Blendle-Tipp.

Die Eiche leidet derzeit, sagt Jüttner. Die Eiche ausgerechnet, die stattliche, der Deutsche Wappenbaum, und ausgerechnet hier, in diesem Ort, der nach ihr und ihrer Pracht benannt ist. Das allgemeine Klima wohl ist schuld, das kaum zu fassende. Zu trocken war es vielleicht in den vergangenen Jahren, zu warm, genau richtig für ihre Feinde.

Schöneiche bei Berlin, selbsternannte „Wald-, Garten- und Kulturgemeinde“. Mehr Bäume auf öffentlichem Straßenland, in Parks und Grünanlagen als Einwohner. Befallen von Wetterphänomenen und dem Eichenprozessionsspinner, der das Laub auffrisst. Am Dienstag vergangener Woche mehrfach im Bundesverfassungsgerichtsurteil zum NPD-Verbot erwähnt, wegen „Vorfällen“, die dem Ort auf andere Art und Weise an die Substanz gegangen sind. Die Vorfälle sollten dem Gericht bei der Entscheidungsfindung helfen, ob die Partei gefährlich sei. Sinngemäß steht im Urteil jetzt: Die Gemeinde halte derlei schon aus.

Jüttner, Jahrgang 1953, Vorname Heinrich, bis zum vergangenen Herbst zwei Jahrzehnte lang Bürgermeister hier gewesen, sagt: „Wird sie auch. Aber wenn ich so durch den Ort gehe und mit den Leuten spreche, dann ist da schon viel Enttäuschung über das Urteil. Und Sorge, wie es weitergeht.“ Jüttner wittert Gefahr. Die Mehrheit in Schöneiche – so sieht er es – hätte es um der friedlichen Zukunft willen gern gesehen, wenn die Partei verboten worden wäre.

Er auch. Jüttner schaut durch das Terrassenfenster seines Hauses in den schneebedeckten Garten. Er hat viel Zeit seit dem Herbst, ist mit seiner Frau in den Urlaub gefahren, hat den Apfelbaum gestutzt. Das Verfassungsgerichtsurteil hat er zur Kenntnis genommen, hineingelesen hat er noch nicht. „Aus Sicht des Staates hat das Gericht wohl ordentlich gearbeitet“, sagt Jüttner. „Der Staat gibt sich unbeeindruckt. Aber als Einzelner, als Betroffener, als Opfer, da findet man, dass die NPD verboten gehört.“ Der Einzelne halte die Neonazis nämlich nicht so ohne Weiteres aus.

Heinrich Jüttner war Bürgermeister von Schöneiche und wurde zum Feindbild der NPD. Er sagt: Den Staat, den die bekämpften, war ja ich.

© Hampel

Wenn sie sich zum Beispiel, wie in Schöneiche geschehen, trotz Polizeischutz auf ein jüdisches Fest schleichen, fünf, sechs Leute, und dann schreien: Ihr seid die, die man vergessen hat zu vergasen. Wenn 20, 25 Leute, schwarz gekleidet und im Gleichschritt, durch die Besuchermenge eines Heimatfestes marschieren, „martialisch, bedrohlich“, sagt Jüttner, „das hat Wirkung“. Er hat es ja oft genug am eigenen Leib erlebt. „Viele Besucher sind danach nach Hause gegangen.“

Jüttner kommt vor im Urteil. Er ist dort der „Bürgermeister J.“: „Wenige Tage nach der letzten Störung sei es zu einer Bedrohung des Bürgermeisters J. durch drei vermummte Personen auf seinem privaten Grundstück gekommen“, steht da, „die gegen 23.40 Uhr bei ihm zu Hause geklingelt und ihn mit den Worten beschimpft hätten: ‚Da ist ja der Volksfeind!‘“

Geklingelt? „Die haben das Gartentor eingetreten“, sagt Jüttner. „Und hinterher lesen Sie dann noch im Internet“ – Gesinnungsgenossen der Angreifer übten dort eine Art Manöverkritik –, „das sei das falsche Vorgehen gewesen. Blei, acht Millimeter, hätte besser gepasst, oder gleich das Haus anzuzünden.“

All diese und andere Vorfälle haben dazu geführt, dass sich eines Tages zwei Männer bei Jüttner meldeten. Zwei Juristen, sie würden den NPD-Verbotsantrag ausarbeiten, sagten sie. Ob er sich vorstellen könne, mit seinen Erfahrungen und denen anderer Schöneicher darin aufgenommen zu werden, als Beispiel für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD? Für die Gefahr, die von ihr ausgeht? Jüttner konnte.

Der Chef des Brandenburger Verfassungsschutzamtes kam vorbei, fragte noch einmal. Klärte Jüttner auf über mögliche Konsequenzen daraus, er würde sich damit ja ziemlich exponieren. Jüttner blieb dabei.

Warum? „Ich war Bürgermeister, ich hatte ein Amt, ich war ja genau der Staat, den die bekämpfen wollen“, sagt er. „Dem tritt man dann entgegen, das ist quasi die Amtsaufgabe.“ Und wenn man das dann tue ...

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