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Coronavirus inbegriffen: Wenn Anleger gegen Pandemien wetten

Investoren kassieren hohe Renditen mit Pandemie-Anleihen. Doch greift das Virus um sich, ist ihr Geld weg. Das könnte bald erstmals der Fall sein.

Der Ebola-Ausbruch 2014 in Guinea war der Weckruf. 11 310 Menschen tötete das Virus in zwei Jahren in Westafrika, bei 28 600 Erkrankten. Seuchenexperten waren sich damals einig: Ein schnelleres Eingreifen zur Eindämmung der Krankheit hätte bis zu 90 Prozent der Opfer verhindern können. Doch den Entwicklungsländern fehlte das Geld. Die Weltbank hat deshalb damals beschlossen, mit einer Anleihe Finanzinvestoren an den Risiken von Pandemien zu beteiligen. 320 Millionen Dollar steckten internationale Großanleger Ende Juni 2017 in zwei Tranchen eines „Pandemic Bond“, der unter bestimmten Bedingungen rasch Gelder ausschüttet.

Aufgrund des Coronaviruses könnten, sollte es sich in Entwicklungsländern festsetzen, nun erstmalig Gelder aus den Bonds zum Einsatz kommen. Käme das Virus dort zum Ausbruch, würden mit den Geldern erste Gegenmaßnahmen finanziert – so lange, bis reichere Länder humanitäre Mittel bereitstellen könnten. Erste Maßnahmen wären etwa die Unterstützung mit mehr medizinischem Personal, mit notwendiger Anti-Seuchen-Ausrüstung, aber auch mit Expertise und Koordination.

Die Konditionen

Um Investoren zu motivieren, in die Anleihen zu investieren, war ein Risikoausgleich notwendig: sehr hohe Zinsen. Für die erste Bonds-Tranche über 225 Millionen Dollar überweist der Emittent, die International Bank for Reconstruction and Development, ein Institut aus der Weltbank-Gruppe, 6,5 Prozent über einem festgelegten Basis-Zinssatz, dem US-Libor für sechs Monate. Er liegt derzeit bei gut 1,7 Prozent. Die Tranche deckt Pandemie-Gefahren mit Influenza-Viren oder dem Coronavirus ab.

Für die zweite Tranche werden sogar 11,1 Prozent über dem 6-Monats-Libor fällig, denn das Risiko für die Investoren ist deutlich höher: Dieser Teil des Bonds deckt neben dem Coronavirus weitere potenzielle Pandemien ab, etwa auch das Rifttalfieber, das Lassa-Fieber oder durch Filoviren ausgelöste Krankheiten wie Ebola oder das Marburg-Fieber.

Nötig waren die hohe Zinsen, weil die Bond-Investoren sehr hohe Risiken eingingen: Tritt der Zweck des Investments ein, können sie ihr Geld zu großen Teilen verlieren. Im Prinzip übernehmen Finanzinvestoren damit jene Risiken, die normalerweise von Versicherern getragen werden, zuletzt aber immer öfter an Investoren ausgelagert worden sind, etwa bei den Catastrophe Bonds, das sind Anleihen, die vor allem Risiken wie Erdbeben oder Wirbelstürme abdecken.

Bei einer Coronavirus-Pandemie etwa macht die Weltbank, wenn die Kriterien einer Ausschüttung erreicht sind, bis zu 195,83 Millionen Dollar aus der „Pandemic Emergency Financing Faciliy“ (PEF) für betroffene Entwicklungsländer locker. Die Höchstsumme fließt nur, wenn eine Reihe sehr konkreter und belegbarer Vorbedingungen eingetreten sind. So muss es zu einem globalen Ausbruch mit mindestens acht betroffenen Ländern gekommen sein, dazu zu mindestens 2500 Todesfällen in bestimmten Ländern. Betroffen sein müssen sogenannte IDA-Länder, das sind Entwicklungsländer mit niedriger Kreditwürdigkeit und einem Bruttoinlandsprodukt von maximal 1175 Dollar pro Kopf und Jahr. Dazu zählen derzeit laut Weltbank 76 Länder, darunter Kamerun, der Sudan, oder Nepal.

Die Bedingungen

Damit Gelder ausgeschüttet werden, muss ein ganzer Katalog von Bedingungen aktiviert sein, um zu gewährleisten, dass tatsächlich die Gefahr einer Pandemie mit ernsthafter Bedrohung für ein Entwicklungsland besteht. So muss der Ausbruch einer Seuche schon drei Monate her sein, insgesamt muss das Virus mehr als 250 Menschen getötet haben, wobei in jedem Land mehr als 20 Todesfälle zu beklagen sein müssen. Aus diesem Grund schüttete die PEF 2018 auch keine Gelder an den Kongo aus. Zwar starben im Kongo bei einem erneuten Ausbruch von Ebola 1800 Menschen, doch konnte eine Pandemie verhindert werden. Nur in Uganda gab es sonst ein paar wenige Infektionen, mit zwei Toten.

Auch das Coronavirus ist unter den gegenwärtigen Bedingungen (noch) kein Fall für eine Ausschüttung. Nach den neuesten Zahlen der Weltgesundheitsbehörde WHO ist es inzwischen zwar in 24 Ländern verbreitet, es sind insgesamt 20 630 Menschen belegt erkrankt und 425 Menschen gestorben. Doch außerhalb von China, das ohnehin nicht zum Kreis der ärmsten Länder zu zählen ist, gibt es bisher nur zwei bestätigte Todesopfer, auf den Philippinen und in Hongkong. Sollten sich die Zahlen nicht dramatisch erhöhen, vor allem in Afrika und den ärmeren Teilen Asiens, dann erhalten die Investoren im Juli ihr investiertes Geld zurück – oder können in eine wohl zu erwartende Neuauflage der Bonds investieren.

Die Zinsen hat die Emittentin nur überwiesen – nicht aber bezahlt. Sie stammen in voller Höhe von den drei Geberländern Deutschland, Japan und Australien.

Die Geldgeber

Private Anleger haben in die Fonds wohl eher nicht investiert, denn die Mindestanlagesumme lag bei 250 000 Euro. Laut Weltbank sind 42 Prozent der Investoren in der 11,1-Prozent-Tranche Pensionsfonds, vor allem aus Europa, wo die Zinssituation wegen der Minuszinsen für größere Anleger weitaus schwieriger ist als auf dem amerikanischen Kontinent oder in Asien. 16 Prozent sind normale Anlagefonds und 35 Prozent Anleger, die speziell an Catastrophe-Bonds mit hohem Risiko bei hohen Renditen interessiert sind und sogar zu fast zwei Dritteln die Gelder der niedriger verzinsten Tranche beschafft haben. Zwischen drei Viertel und vier Fünftel der Anleger kommen aus Europa.

Eine der Hauptbeteiligten bei der Entwicklung der Pandemie-Abwehr-Gelder für Entwicklungsländer war die Munich Re. „Es besteht kaum ein Zweifel, dass wir in der Zukunft eine schwere Epidemie erleben werden – wahrscheinlich innerhalb einer Lebensspanne sogar eine globale Pandemie, die Gesellschaften und Volkswirtschaften destabilisieren könnte“, so der Rückversicherer. Länder mit niedrigen bis mittleren Sozialprodukten seien häufig stark unterversichert gegen bedrohliche Risiken.

Dass die „Pandemic Emergency Financing Facility“ nicht nur aus dem Bond, sondern auch aus einer Versicherungskomponente besteht, die die Munich Re (gemeinsam mit dem Schweizer Rückversicherer Swiss Re) entwickelt hat, macht deutlich: die Versicherungsbranche ist nicht mehr bereit, schwere Risiken mit womöglich globaler Ausweitung alleine zu tragen, sondern beteiligt die Kapitalmärkte daran.

Vorteil einer Beteiligung der Kapitalmärkte sei beispielsweise, dass die Bedingungen für die Ausschüttung von Geldern vorab klar definiert seien und nicht mehr nach dem Ausbruch im Einzelnen zwischen den Geldgebern ausgehandelt werden müssten. Dies beschleunige die Bereitstellung von Geldern immens, sagt Gunther Kraut, Leiter der „Epidemic Risk Solutions“ bei der Munich Re. Zudem setzten Entwicklungshilfe wie Weltbank ohnehin immer stärker auf marktwirtschaftliche Mechanismen, die nach dem Motto „billions to trillions“ öffentliche Gelder vervielfachen könnten. Auch die Kritik an den Auszahlungsmechanismen wie im Fall des jüngsten Ebola-Ausbruchs im Kongo weist Kraut zurück: „Der Verlauf einer Pandemie ist dynamisch und kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit vorhergesagt werden – insofern können auch die besten Konzepte und Risikomodelle nicht alle denkbaren Ausbruchsverläufe abdecken.“

Allerdings sei dies auch der Weltbank klar gewesen, weshalb man eine Cash-Komponente eingebaut habe. Diese habe Gelder an den Kongo ausgeschüttet. Die versicherten Summen wie auch die Gelder aus der Anleihe seien jedoch an „objektiv messbare Kriterien geknüpft, die im Nachhinein nicht zu ändern sind“.

Ob und wann nun das Coronavirus Auszahlungen aktiviert, könne nicht vorhergesagt werden. Ein unabhängiger „Calculation agent“ beobachtet den Virus-Ausbruch aufgrund aktueller Daten der WHO und entscheidet fortlaufend, ob der Auszahlungsfall aktiviert ist oder nicht. Tritt der Fall dann ein, werden die Rückversicherer darüber informiert, dass Zahlungen fällig sind – und die Investoren darüber, dass ihr Geld in Teilen verloren ist.

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