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Wieder mehr los: Die Zeiten, in denen sich wenige Fahrgäste im Großraumwagen verteilen konnten, sind vorbei.

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Volle Abteile, keine Maske: Wo Corona freie Bahn hat

In vielen Zügen sitzt man wieder dicht an dicht - ohne Mindestabstand. Das wird wohl auch so bleiben. Die Bahn hält an ihrem offenen System fest.

Lange bin ich zu Hause geblieben. Doch seitdem die Covid-19-Zahlen zurückgehen, bin ich wieder häufiger unterwegs – innerhalb Deutschlands. Ein Auto habe ich nicht, ich fahre Bahn. So wie viele andere Fahrgäste auch. Die Züge werden immer voller. Anfangs verlor sich eine Handvoll Passagiere im Großraumwagen, dann beschränkte sich der Coronaschutz darauf, dass zumindest der Nebenplatz im ICE oder Intercity frei geblieben ist. Doch sicher ist das nicht. Und wer am Wochenende mit der Regionalbahn im Umland unterwegs ist, der sollte erst recht keine Angst vor Ansteckung im Reisegepäck haben.

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Von Waren nach Berlin: Im Regionalexpress ist alles voll

Ein Beispiel? Vor wenigen Tagen bin ich an einem Sonntag von Waren an der Müritz mit dem Regionalexpress nach Berlin gefahren. Der Zug kommt von der Ostsee, viele Plätze waren von rückkehrenden Kurzurlaubern belegt. Die wenigen freien Sitze waren nach Waren, Neustrelitz und Fürstenberg weg. Wie in Vor-Coronazeiten saßen wir dicht an dicht, von Mindestabstand keine Spur. Viele Menschen trugen ihre Masken nicht. Die Schaffnerin war nicht zu sehen.

Fahrradausflug: Die Regionalbahnen sind am Wochenende gut gefüllt.
Fahrradausflug: Die Regionalbahnen sind am Wochenende gut gefüllt.

© picture alliance/dpa

Wie kann das sein? Wir haben gelernt, dass der Mindestabstand nötig ist, damit sich Covid-19 nicht weiter verbreitet. Wirte müssen sich daran halten, Kinobetreiber, Supermärkte und Fitnessstudios. Für das Staatsunternehmen Bahn gilt das nicht. Wieso? Sind Bahnpassagiere weniger ansteckend als andere Menschen? Fliegen in der Bahn die Aerosole nicht wie überall sonst 1,50 Meter weit, sondern nur 15 Zentimeter? Wohl nicht.

Die Bahn sagt: Im Fernverkehr sind die Züge nicht ausgelastet

Bei der Bahn heißt es, im Fernverkehr gebe es genug Platz, um Abstand zu halten. „Aktuell sind unsere ICE- und IC-Züge durchschnittlich rund 20 bis 30 Prozent ausgelastet“, sagt ein Sprecher. Das mag so sein, aber es hilft mir nicht, wenn ich in einem der Züge sitze, die zu 80 oder 90 Prozent ausgelastet sind. Vom Regionalverkehr ganz zu schweigen.

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Im Internet wird gewarnt, wenn 50 Prozent der Plätze reserviert sind

Natürlich kann ich mir auch die Auslastungsanzeige im Internet ansehen. Für den Fernverkehr warnt die Bahn, sobald mehr als 50 Prozent der Plätze in einem Zug reserviert sind. Die Zahl der Reservierungen wird begrenzt, bei Zügen mit hoher Auslastung kann der Ticketverkauf ausgesetzt werden, betont die Bahn. Doch das verhindert nicht, dass Menschen dennoch einsteigen – dann eben ohne Reservierung. Die Bahn verspricht, dass sie für solche Fälle in den Wagen ausreichend Sitzplätze vorhält. Aber auch die sind irgendwann weg. Außerdem verhindert das System nicht, dass sich ein Mitreisender neben mich setzt, auch wenn ich das nicht will.

Fahrgäste sollen weiterhin spontan fahren dürfen

Fahrgäste sollen weiterhin die Möglichkeit bekommen, spontan in jeden Zug einzusteigen, heißt es bei der Bahn. „An dem offenen System, das Bahnkunden in Deutschland sehr schätzen, halten wir fest“, betont der Sprecher. Andere Länder handhaben das anders. In Frankreich und Italien sind viele Züge reservierungspflichtig. Ich finde das deutsche System grundsätzlich besser. Allerdings nicht in Zeiten der Pandemie.

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