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Weltweiter Handel findet vor allem mit Containern und von Hafen zu Hafen statt.

© Getty Images/iStockphoto

Freihandel: Auf Kollisionskurs

Weltweiter Freihandel ist für viele Ökonomen eine Idealvorstellung. Für US-Präsident Donald Trump scheint das bisher nicht zu gelten. Was bezweckt er und wie reagiert Deutschland?

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Amerika ist der Platz zum Geschäftemachen, sagte Donald Trump am Freitag bei seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Unternehmen aus aller Welt sollen in die USA kommen und dort produzieren, statt ihre Waren einfliegen zu lassen: So wünscht es sich der US-Präsident. Auf Waschmaschinen, Solaranlagen und Alufolie aus dem Ausland hat er deshalb bereits Strafzölle verhängt. Selbst auf Oliven aus Spanien wird in den USA künftig eine Importsteuer fällig – in der Hoffnung, dass die Amerikaner wieder mehr Oliven aus Kalifornien statt aus Andalusien essen.

Trumps Vorwurf: Weil die USA in der Vergangenheit immer mehr Produkte aus dem Ausland zugekauft haben, sind in den Vereinigten Staaten Jobs verloren gegangen. Die will der Präsident nun zurückholen. „Jetzt ist die perfekte Zeit, Ihren Betrieb und Ihre Investitionen in die Vereinigte Staaten zu bringen“, sagte Trump in Richtung der ausländischen Konzernchefs, von denen viele seiner Rede folgten. Doch was Trump als Lösung aller Probleme verkauft, stellt die Welt auf den Kopf: Es ist eine Abkehr vom Freihandel, den die meisten anderen Staaten propagieren. In Davos treffen Welten aufeinander. Protektionismus und Abschottung führten einen nicht weiter, sagte zum Beispiel die deutsche Kanzlerin in ihrer Rede. Jedes Land müsse die Regeln „für einen freien und fairen Handel“ unterstützen, meinte die britische Premierministerin Theresa May. Der US-Milliardär George Soros ging sogar noch weiter und nannte Trump „eine Gefahr für die Welt“. Worum es bei der Auseinandersetzung geht.

Was ist eigentlich Freihandel?

Freihandel ist für die meisten Ökonomen das Ideal. Staaten tauschen Waren „frei“ untereinander ohne Zölle oder Importsteuern. Die Idee dahinter ist schon fast 200 Jahre alt. Damals erkannte David Ricardo – wie Trump ein Unternehmer und Self-Made-Man –, dass Staaten ihren Wohlstand durch freien Handel steigern können. Jedes Land sollte sich seiner Meinung nach auf das konzentrieren, was es besonders gut herstellen kann und den Rest aus dem Ausland zukaufen. Ricardo hat das am Beispiel von Tuch und Wein erklärt: Es ist logisch, dass die Briten Wein aus Portugal importieren, weil die Portugiesen Wein besser und günstiger herstellen können. Im Gegenzug verkaufen die Briten Tuch nach Portugal. In beiden Ländern profitieren die Menschen so von besseren Produkten und günstigeren Preisen.

Warum gibt es dann Kritik?

Wenn ein Land wie die USA zunehmend Waren aus dem Ausland zukauft, verändert das die Wirtschaft. Zwar profitieren die Menschen davon, weil sie günstige und gute Waschmaschinen und Autos aus dem Ausland bekommen. Gleichzeitig verlieren aber auch Arbeiter in den USA ihren Job. Sie kann man so schnell nicht umschulen, sie werden arbeitslos, ihr Frust wächst. Besonders gut zu beobachten ist das im sogenannten Rust Belt: in Städten wie Detroit, Cleveland oder Pittsburgh. Ähnlich wie im Ruhrgebiet haben die Menschen dort lange ihr Geld im Bergbau und den Stahlschmieden verdient. Als der Stahl dann aber vermehrt aus dem Ausland kam, schlichtweg weil er dort billiger ist, verloren die Arbeiter ihren Job. Trumps einfache Antwort ist daher die Abkehr vom Freihandel. Mit hohen Zöllen auf Produkte aus dem Ausland will er die heimische Wirtschaft schützen.

Welche Folgen hat der Protektionismus?

Auch wenn eine Abschottung auf den ersten Blick für mehr Jobs im Land sorgt, heißt es nicht, dass es auch langfristig die beste Lösung ist. Schließlich importieren die USA bislang viele Produkte eben deshalb aus dem Ausland, weil sie dort billiger sind. Werden zum Beispiel die Waschmaschinen künftig wieder verstärkt im Land gefertigt, dürften sie teurer werden. Das schränkt dann aber den Handlungsspielraum der Menschen ein. Sie können sich weniger leisten und konsumieren weniger, was letztlich der Wirtschaft schadet. Dazu kommt, dass sich die US-Unternehmen nicht mehr mit der Konkurrenz aus dem Ausland messen müssen – mit der Folge dass sie weniger innovativ werden. Ohne den Druck von außen gibt es schließlich weniger Antrieb, die eigenen Produkte weiterzuentwickeln.

Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?

Deutschland ist eine Exportnation. Unser Wohlstand beruht zu einem nicht unerheblichen Teil darauf, dass es den hiesigen Unternehmen gelingt, ihre Waren ins Ausland zu verkaufen. Führt nun jedoch ein so wichtiger Handelspartner wie die USA Strafzölle ein, können die Unternehmen weniger ihrer Waren dorthin exportieren. Noch gravierender wären die Folgen, wenn sich daraus ein Handelskrieg entwickelt: Fängt ein Land an, Zölle zu erhöhen, tun andere es ihm schnell nach. Noch sind die Auswirkungen auf die deutschen Unternehmen allerdings gering. Die Wirtschaft wächst hierzulande weiter, als wäre nichts gewesen. Erst diese Woche zeigte das Ifo-Geschäftsklima: Die Unternehmer blicken derzeit so zuversichtlich in die Zukunft wie seit 1991 nicht mehr. Das liegt zum einen daran, dass ein Handelskrieg bislang nicht absehbar ist – stattdessen versuchen die übrigen Staaten lieber Freihandelsabkommen ohne die USA auszuhandeln. Dazu kommt, dass viele deutsche Konzerne schon jetzt auch große Fabriken in den Vereinigten Staaten haben. Was sie dort herstellen, können sie weiterhin in den USA verkaufen, ohne darauf Strafzölle zahlen zu müssen.

Wie reagieren die Unternehmen?

Unter den Konzernchefs hat bislang kaum einer lautstark gegen Trump aufbegehrt und zwar nicht ohne Grund. Denn auch wenn sie alle ein Interesse am Freihandel haben dürften und Zölle für fatal halten, wollen sie es sich doch nicht mit einem so wichtigen Handelspartner wie den USA vergraulen. Was das in der Praxis bedeutet, ließ sich am Donnerstagabend in Davos beobachten. Trump hatte eine illustre Runde europäischer Konzernchefs zum Abendessen geladen. Siemens-Chef Joe Kaeser, der direkt neben dem US-Präsidenten saß, gratulierte Trump prompt zur Steuerreform und stellte in Aussicht, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln. SAP-Boss Bill McDermott meinte, „Trump habe Schwung in die Weltwirtschaft gebracht“.

Welche Rolle spielt der schwache Dollar?

An sich profitieren die Amerikaner davon, wenn ihre Währung im Vergleich zum Euro nachgibt. Schließlich können sie dann ihre Waren leichter ins Ausland verkaufen, weil sie dort allein durch den günstigen Wechselkurs billiger werden. In diese Richtung argumentierte nun auch US-Finanzminister Steve Mnuchin in Davos: „Offensichtlich ist ein schwächerer Dollar gut für uns“, sagte er – und wurde prompt von Trump zurückgerufen. Denn auch wenn Mnuchin ökonomisch recht hat: Aus politischen Gründen wünschen sich die Amerikaner einen starken Dollar, weil er nach ihrem Verständnis Ausdruck einer starken amerikanischen Wirtschaft ist. Mit ihren gegensätzlichen Aussagen haben Mnuchin und Trump die Anleger aber verwirrt. Trotz oder gerade wegen des Einlenkens des Präsidenten trennten sie sich vom Dollar, auch am Freitag gab die US-Währung im Vergleich zum Euro nach.

Und das obwohl es Gründe für einen höheren Dollar-Kurs gibt: Die US-Notenbank hebt die Zinsen schneller an als die EZB, Trumps Steuerreform lockt Investoren. Doch der Dollar verliert, auch am Freitag ging es im Vergleich zum Euro bergab. Solange die Trump-Regierung für Verwirrung sorgt, wird sich daran wenig ändern.

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