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Der Finanzminister von Bulgarien, Assen Wassilew.

© IMAGO/photothek

Bulgariens Finanzminister Assen Wassilew: „Ich wünsche mir eine objektive Bewertung, ob Bulgarien bereit für den Euro ist“

Bulgarien will zum 1. Januar 2025 den Euro einführen. Bei einem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Christian Lindner am Freitag zeigte sich Assen Wassilew optmistisch, das Datum halten zu können.

Herr Wassilew, Sie trafen Ihren deutschen Kollegen, Finanzminister Christian Lindner, in einer für Bulgarien turbulenten Zeit. Bulgarien soll in die Schengenzone aufgenommen werden und ab kommendem Jahr dem Euroraum beitreten. Klappt die Euro-Einführung zum 1. Januar 2025 nach Plan?
Wir gehen nicht davon aus, dass wir das Datum verschieben müssen. Es gab Bedenken bei der Staatsverschuldung und dem Haushaltsdefizit in den Jahren 2020 und 2022. Diese Bedenken konnten wir aber ausräumen. Wir konnten nun einen Haushalt verabschieden, der die Maastricht-Kriterien erfüllt. Wir haben das Jahr 2023 mit einem Defizit von 2,2 Prozent abgeschlossen.

Bulgarien ist zudem mit 22 Prozent das Land mit der zweitniedrigsten Staatsverschuldung in der Europäischen Union. Beim Haushaltsdefizit liegen wir seit 2009 unter drei Prozent – die einzige Ausnahme waren die Jahre der Coronakrise. So gesehen hat Deutschland einen weiteren Verbündeten in Europa, der eine vernünftige Schulden- und Defizitpolitik verfolgen und sich gleichzeitig auf Investitionen und Reindustrialisierung konzentrieren will.

Allerdings mangelt es noch an der Preisstabilität – die Inflationsrate darf nicht höher liegen als 1,5 Prozentpunkte über der Rate der drei preisstabilsten Mitgliedsstaaten.
Von 2013 bis 2020 gelang es Bulgarien, das Inflationskriterium zu erfüllen. Als Corona und dann der Krieg in der Ukraine ausbrachen, stieg die Inflation in ganz Europa, auch in Bulgarien. Derzeit sinkt die Inflation bei uns schneller als in anderen europäischen Ländern, sodass wir davon ausgehen, dass wir das Kriterium in diesem Jahr erfüllen werden. Das hat übrigens auch die Europäische Kommission prognostiziert. Rein formal gibt es also kein Hindernis für den Beitritt Bulgariens zur Eurozone. Geopolitisch und strategisch ist das äußerst wichtig für Bulgarien und für die Europäische Union.

Teile der bulgarischen Bevölkerung haben Angst, dass der Euro alltägliche Waren verteuern könnte. Wird es zu einem Preisschock kommen?
Nein, denn Bulgariens Währung ist seit 1997 über ein Currency Board zuerst an die Deutsche Mark, dann an den Euro gekoppelt. Der reale Wechselkurs von Lew in Euro ist seit 2007 festgeschrieben. In Bulgarien arbeitet die gesamte Wirtschaft de facto bereits mit dem Euro, was man sowohl bei den Preisen als auch bei den Immobilientransaktionen sieht. Beim Beitritt Kroatiens haben wir gesehen, dass die Teuerung nur 0,2 bis 0,3 Prozent betrug.

Wie begegnen Sie den Sorgen vor dem Euro, die dennoch viele Menschen haben?
Vielleicht gibt es einen gewissen Prozentsatz von Bürgern, die Angst haben. Der große Teil der Bürger arbeitet aber bereits in Euro und hat Konten in Euro. Wenn sie ein Haus kaufen wollen, bezahlen sie dafür in Euro. Der Euro ist also nichts Beängstigendes und auch nichts Entferntes.

Wir erwarten von der Eurozone, dass wir keinen politischen Subjektivismus zulassen, sondern die Kriterien absolut objektiv betrachten.

Assen Wassilew, Finanzminister Bulgariens

Wie kann Deutschland Bulgarien bei der Euro-Einführung unterstützen?
Ich wünsche mir eine objektive Bewertung, ob Bulgarien die Kriterien für die Euro-Einführung erfüllt, und auf der Grundlage dieser objektiven Bewertung eine entsprechende Entscheidung.

War die Bewertung von Seiten Deutschlands und anderer EU-Länder bisher nicht objektiv?
Doch, sie war objektiv. Allerdings haben wir im Fall von Schengen gesehen, dass ein EU-Mitgliedsstaat, in dem Fall Österreich, trotz der objektiven Bewertung der Europäischen Kommission den Beitrittsprozess für Bulgarien und Rumänien blockiert hat. Wir erwarten von der Eurozone, dass wir keinen politischen Subjektivismus zulassen, sondern die Kriterien absolut objektiv betrachten.

Offizieller Besuch des bulgarischen Premierministers Nikolaj Denkow beim österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer. Österreich blockierte lange den Beitritt Bulgariens zur Schengenzone.
Offizieller Besuch des bulgarischen Premierministers Nikolaj Denkow beim österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer. Österreich blockierte lange den Beitritt Bulgariens zur Schengenzone.

© IMAGO/Andreas Stroh

Hat Bulgarien nicht ebenso subjektive Maßstäbe an Nordmazedonien angesetzt und so den EU-Beitritt des Landes blockiert?
Nein. Sie haben gesehen, dass Bulgarien die Mitgliedschaft Mazedoniens in der Europäischen Union unter sehr klaren Kriterien, die die Europäische Kommission zu bewerten hat, freigegeben hat. Mehr als eineinhalb Jahre danach will Mazedonien diese Kriterien nicht erfüllen. Wir haben keine neuen Kriterien aufgestellt. Was vereinbart worden ist, was die Mazedonier akzeptiert haben, muss umgesetzt und von der Kommission bewertet werden. Allerdings hat Mazedonien noch nicht einmal mit der Umsetzung begonnen – und das ist die Bewertung der Europäischen Kommission.

Bis September vergangenen Jahres wurde Bulgarien noch von der Europäischen Kommission im Rahmen des „Kooperations- und Kontrollverfahrens“ beim Kampf gegen Korruption und Geldwäsche beaufsichtigt. Wie weit ist die bulgarische Regierung heute im Kampf gegen Geldwäsche gekommen?
Dies ist keine formale Bedingung für den Beitritt zur Eurozone, aber wir unternehmen natürlich ernsthafte Anstrengungen zur Bekämpfung der Geldwäsche. Wir haben im vergangenen Jahr ein entsprechendes neues Gesetz verabschiedet. Bis zum Sommer möchten wir viele der EU-Empfehlungen umgesetzt haben, und dann werden wir die Wirksamkeit dieser Maßnahmen prüfen. Dies ist natürlich ein fortlaufender Prozess, der in ganz Europa stattfindet. Aus diesem Grund richtet die EU endlich eine Agentur zur Bekämpfung von Geldwäsche ein.

Was wollen Sie bei der Korruptions- und Geldwäschebekämpfung konkret erreichen?
Wir brauchen eine ständige Anstrengung. Man kann nicht sagen, dass man etwas Bestimmtes erreicht hat, denn im nächsten Moment könnte schon eine illegale Überweisung getätigt werden. Jedes einzelne Unternehmen muss überprüft werden, um sicherzustellen, dass durch seine Transaktionen kein Geld gewaschen wird.

Außerdem haben wir uns vorgenommen, bis Ende des Jahres den gesamten Frachtverkehr, der die bulgarisch-türkische Grenze passiert, zu kontrollieren. Über diese Grenze läuft der gesamte Handel auf dem Landweg zwischen Europa und der Türkei, dem Nahen Osten und Zentralasien. Unseren Daten zufolge passieren dort jährlich etwa 50.000 Euro illegales Bargeld die EU-Außengrenze. Das ist ein sehr großes Thema. Außerdem haben wir beim vergangenen Treffen mit Christian Lindner in Sofia beschlossen, dass Zollteams aus verschiedenen europäischen Ländern an der Grenze eingesetzt werden sollen.

Ein Stacheldrahtzaun zwischen der Türkei und Bulgarien wurde 2014 errichtet.
Ein Stacheldrahtzaun zwischen der Türkei und Bulgarien wurde 2014 errichtet.

© dpa/ VASSIL DONEV

Wie soll diese Zoll-Kooperation konkret aussehen?
Wir arbeiten derzeit aktiv mit Schweden zusammen. Wir haben eine Vereinbarung mit Frankreich. Und mit Deutschland sind wir im Gespräch und warten auf eine konkrete Zusage, wie viele deutsche Beamte an der bulgarischen Grenze eingesetzt werden können.

In welchem Umfang sollte Deutschland hier unterstützen?
Je mehr, desto besser und je schneller, desto besser. Man kann sich das Ausmaß nicht vorstellen, bevor man es nicht selbst gesehen hat. Wir sprechen hier über eine Größenordnung von etwa 4000 Lkw pro Tag – bei nur einem Grenzübergang. Pro Jahr passieren dort zudem Millionen von Autos, Bussen und Züge die Grenze – wir sind der Eintrittspunkt in die Europäische Union für diesen Verkehr.

Was kann Bulgarien bei der Korruptionsbekämpfung besser machen?
Was fehlt, ist der weitere Ausbau der Ermittlungsbehörden. Sie müssen in der Lage sein, komplexe Transaktionen über mehrere Länder hinweg zu verfolgen.

Welche Maßnahmen sind konkret dafür erforderlich?
Wir haben begonnen, mit den anderen Finanznachrichtendiensten in der Europäischen Union, im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten, sodass unsere Beamten besser ausgebildet sind, Zugang zu besseren Informationen haben und daher effektiver arbeiten können.

Bulgarien wird Teil der Schengen-Zone – zumindest sollen innereuropäische Grenzkontrollen auf dem Luft- und Seeweg entfallen. Wie lange wird es weiterhin Kontrollen an allen Grenzen geben?
Das hängt davon ab, wie hoch die Risiken an der Grenze sind. Das zu bewerten, liegt im Ermessen des zuständigen Innenministeriums. Aber für Bulgarien ist ein vollständiger Beitritt zu Schengen äußerst wichtig. Denn der Verlust für die bulgarische Wirtschaft aufgrund der Grenzkontrollen und verzögerten Lieferwege an den Schengen-Grenzen zu Rumänien und Griechenland beträgt zwischen drei und fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist enorm.

Am Donnerstag hat die Europäische Union ein Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro beschlossen. Was bedeutet das für Bulgarien?
Bulgarien unterstützt dieses Paket ausdrücklich sowie die Bemühungen der Ukraine, Russland aus ihrem eigenen Gebiet zu vertreiben und die Integrität der Ukraine wiederherzustellen. Seit dem ersten Tagen des Krieges hat Bulgarien die Ukraine sowohl mit Waffen als auch diplomatisch unterstützt. Ich persönlich halte dies für eine sehr gute Nachricht für Europa insgesamt, denn es verleiht den ukrainischen Bemühungen auf dem Schlachtfeld Nachhaltigkeit und Stabilität. Russland ist dann nicht mehr in der Lage, abzuwarten und die Lage für sich zu nutzen.

Die Zustimmung zu rechten Parteien, die gleichzeitig prorussisch sind, ist in Bulgarien ist in den vergangenen vier Jahren stark angestiegen. Wie groß ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht?
Trotz der starken russischen Propaganda in Bulgarien liegen diese rechtsextremen, linksextremen und prorussischen Parteien in Bulgarien unter 15 Prozent. Obwohl wir das ärmste Land in der Europäischen Union sind, gibt es keinen Grund dafür, dass sie an die Macht kommen könnten. Das liegt daran, dass in den letzten Jahren die Einkommen der Menschen stark gestiegen sind und die Ungleichheit abgenommen hat. Wir in Bulgarien haben es etwa geschafft, unsere Energie wettbewerbsfähig zu halten, weil wir sie weitgehend selbst erzeugen. Sie ist zwar immer noch teurer als russische Energie, aber sie gehört zu den billigsten in der Europäischen Union.

Bulgariens Bevölkerung schrumpft – auch weil viele Menschen in Ländern wie Deutschland arbeiten und leben. Wie wollen Sie dem begegnen?
In den letzten Jahren hat Bulgarien eine völlig andere Finanz- und Wirtschaftspolitik verfolgt als zuvor. Das hat uns durch all diese Krisen hindurchgebracht. Die Einkommen wachsen deutlich schneller als die Inflation und sie wuchsen am schnellsten in der gesamten Europäischen Union. 2024 werden die Einkommen Prognosen zufolge doppelt so schnell wachsen wie die Inflation. Im Jahr 2022 hatten wir deshalb zum ersten Mal mehr Bulgaren, die ins Land zurückgekehrt sind als Auswanderer. Nicht, weil die Regierung ihnen etwas vorschreibt, sondern weil es für sie besser ist, in Bulgarien zu leben und zu arbeiten. Wir sehen dies bereits in bestimmten Branchen mit höherem Einkommen.

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