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24.11.2023, Berlin: Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), gibt ein Statement.

© dpa/Christoph Soeder

Update

Bahnstreik der GDL läuft: Tarifstreit eskaliert nach 11-Prozent-Angebot der Deutschen Bahn

Die GDL hat den Zugverkehr seit Donnerstagabend lahmgelegt. Bis zum 7. Januar soll es keine weiteren Streiks geben – anschließend werden sie laut Claus Weselsky „länger und intensiver“.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihre Mitglieder zu einem erneuten Warnstreik bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Von Donnerstagabend, 22.00 Uhr, bis Freitagabend, 22.00 Uhr, müssen sich Fahrgäste wieder auf Tausende Zugausfälle im bundesweiten Bahnverkehr einstellen.

Vom nun angekündigten Warnstreik betroffen sind neben der Deutschen Bahn auch weitere Eisenbahnunternehmen, etwa der Transdev-Konzern (unter anderem Bayerische Oberlandbahn, NordWestBahn). Die GDL bewertet die Tarifverhandlungen sowohl bei der Bahn als auch bei Transdev als gescheitert. Betroffen sind auch die S-Bahnen in Berlin und Hamburg. Im Güterverkehr soll der Streik laut Mitteilung bereits um 18.00 Uhr am Donnerstagabend beginnen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing appellierte an die Tarifparteien, eine schnelle Lösung zu finden. Der FDP-Politiker sagte am Donnerstag dem TV-Sender Welt, es gelte Tarifautonomie. „Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung hier zu schlichten, aber klar ist auch: Die Menschen sind auf Mobilität angewiesen. Und gerade während der Feiertage trifft es die Familien hart oder Menschen, die zu ihren Freunden wollen, zu ihren Liebsten wollen. Und deswegen kann man nur appellieren an alle, sich schnell zu einigen.“

Die Bahn sei ein wichtiges Verkehrsmittel. Die Bürgerinnen und Bürger seien darauf angewiesen, dass sie zuverlässig fahre, so Wissing. Streiks belasteten die gesamte Gesellschaft. „Das ist eine Verantwortung, die jeder wahrnehmen muss, der an den Tarifverhandlungen beteiligt ist.“

Bahn: Jeder fünfte Fernzug soll fahren

Die Deutsche Bahn will während des Warnstreiks rund 20 Prozent des Fernverkehrs aufrechterhalten. „Das wird im Raum München noch nicht wirklich klappen“, sagte Bahnsprecher Achim Stauß am Donnerstagmorgen in Berlin mit Blick auf das Schneechaos in Bayern. „Aber insgesamt ist das unser Ziel.“

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Im Regionalverkehr erwarte die Bahn aufgrund des Warnstreiks große Unterschiede je nach Region. In Bayern werde der Verkehr aufgrund der Witterung weitgehend zum Erliegen kommen. Anderswo sei das nicht der Fall, betonte Stauß. Im Güterverkehr gebe es aufgrund des Wintereinbruchs im Süden Deutschlands bereits jetzt einen Stau von mehreren hundert Zügen.

Der Warnstreik werde die Situation weiter verschärfen, hieß es. Auswirkungen würden auch über das Wochenende hinaus zu spüren sein. Die Bahn empfiehlt ihren Fahrgästen erneut, Reisen zu verschieben oder auf Fahrten am Donnerstag und Freitag zu verzichten.

Die Gewerkschaft will so unter anderem der Forderung nach einer Arbeitszeitsenkung für Schichtarbeiter Nachdruck verleihen. GDL-Chef Claus Weselsky hatte die Tarifverhandlungen am 24. November für gescheitert erklärt, weil die Bahn unter anderem bei diesem Punkt bislang keinen Verhandlungsspielraum signalisierte.

Die erst seit vier Wochen andauernden Tarifverhandlungen wurden von Beginn an hart geführt. Schon vor der ersten Runde hatte GDL-Chef Claus Weselsky immer wieder mit Warnstreiks gedroht. Eine Woche nach dem Verhandlungsauftakt machte er die Drohung dann schon wahr. Und schon nach der zweiten Verhandlungsrunde erklärte er die Tarifrunde für gescheitert.

Der letzte Streik bis zum 7. Januar – danach werden Streiks „länger und intensiver“

Nach dem bundesweiten Warnstreik von Donnerstagabend bis Freitagabend will Weselsky den Fahrgästen aber eine längere Pause bis ins neue Jahr hinein einräumen. „Wir werden jetzt diese Streikaktion am Donnerstag und Freitag durchführen, und es ist für dieses Jahr die letzte“, sagte Weselsky am Mittwochabend bei MDR-aktuell.

Anschließend kommt die Urabstimmung und die Auszählung am 19. Dezember. Und es wird keine Arbeitskampfaktionen mehr geben, auch in der ersten Januarwoche nicht.“ Bis zum 7. Januar sei daher kein weiterer Warnstreik zu befürchten.

Aber: „Danach werden die Streiks länger und intensiver“, sagte der GDL-Vorsitzende am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk.

Die Deutsche Bahn hat die Ankündigung der Lokführergewerkschaft begrüßt, abgesehen vom Warnstreik an diesem Donnerstag und Freitag bis Januar auf weitere Arbeitskämpfe zu verzichten. Die Gewerkschaft habe mit diesem „Weihnachtsfrieden“ den „Weg der Besinnung eingeschlagen“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler am Donnerstag.

Eine Anzeigetafel weist am Münchner Hauptbahnhof auf den Streik hin.
Eine Anzeigetafel weist am Münchner Hauptbahnhof auf den Streik hin.

© dpa/Lukas Barth

„Verantwortungslos und egoistisch“

Was den aktuellen Streik angeht, zeigte man sich bei der Deutschen Bahn indessen verärgert. „Die Lokführergewerkschaft vermiest Millionen unbeteiligten Menschen das zweite Adventswochenende. Ein Streik so kurz nach dem Wintereinbruch und so kurz vor dem Fahrplanwechsel ist verantwortungslos und egoistisch“, sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler am Abend. „Anstatt zu verhandeln und sich der Wirklichkeit zu stellen, streikt die Lokführergewerkschaft für unerfüllbare Forderungen. Das ist absolut unnötig.“

Zuletzt streikte die GDL bei der Bahn am 15. und 16. November. Bei dieser 20-stündigen Arbeitsniederlegung fielen gut 80 Prozent der eigentlich vorgesehenen Fernverkehrsfahrten aus. Im Regionalverkehr waren die Auswirkungen in manchen Bundesländern noch deutlicher, in einigen Regionen fuhr zeitweise quasi kein Zug und kaum eine S-Bahn.

Mit dem erneuten Warnstreik-Aufruf ignoriert die GDL augenscheinlich den Aufruf des Beamtenbundes (dbb), sich hinsichtlich der Verhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder abzustimmen. „Es wäre ein Unding, wenn unsere Aktionen durch Streiks der eigenen Mitgliedsorganisation torpediert würden“, sagte Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbunds (dbb), kürzlich der „Stuttgarter Zeitung“. Die Verhandlungen für den öffentlichen Dienst sind für Donnerstag und Freitag in Potsdam angesetzt. Die GDL ist Mitglied des dbb.

Eskalation des Tarifstreits

Der Tarifstreit zwischen der GDL und der Bahn ist in sehr kurzer Zeit heftig eskaliert. Mit dem nun ausgerufenen Warnstreik bleibt die GDL wie angekündigt auf Konfrontationskurs. Zwischen dem Verhandlungsauftakt und dem Scheitern der Gespräche lagen nur 15 Tage - dazwischen kam es bereits zu einem Warnstreik, zudem leitete die Gewerkschaft eine Urabstimmung über unbefristete Streiks ein.

Reduzierung auf 35-Stunden-Woche gefordert

Die GDL fordert für den neuen Tarifvertrag unter anderem eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden bei gleichem Lohn. DB-Personalvorstand Martin Seiler hält die Forderung für nicht umsetzbar und argumentiert, dass eine Umsetzung zu teuer sei. Zudem brauche es bei weniger Wochenarbeitszeit mehr Beschäftigte - in Zeiten des Fachkräftemangels seien diese aber nicht zu finden. GDL-Chef Weselsky geht dagegen davon aus, dass mit einer geringeren Wochenarbeitszeit die Berufe bei der Bahn attraktiver werden.

Darüber hinaus will die GDL ihren Geltungsbereich bei der Bahn ausweiten und Tarifverträge auch für Arbeitsbereiche abschließen, in denen sie bisher keine Tarifverträge vorweisen kann. Konkret geht es vor allem um Infrastrukturbetriebe. Seiler hält solche Verträge für nicht notwendig, weil die GDL in diesen Bereichen nicht maßgeblich vertreten sei.

Urabstimmungsergebnis erst Ende des Jahres

Der nun angekündigte Warnstreik wäre der vierte Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn im laufenden Jahr. Im März und April streikte bereits die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG jeweils einen Tag lang und legte so zweimal den kompletten Fernverkehr lahm. Auch im Regionalverkehr ging an diesen Warnstreiktagen bundesweit so gut wie nichts.

Die parallel gestartete Urabstimmung unter den GDL-Mitgliedern dauert noch einige Zeit an. Das Ergebnis soll am 19. Dezember vorliegen. Unbefristete Streiks sind möglich, wenn 75 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für solche Arbeitskämpfe stimmen.

DB bietet elf Prozent mehr Geld

Die von der GDL ausgehandelten Tarifverträge werden bei der Bahn nach Angaben des Konzerns lediglich auf etwa 10.000 Beschäftigte angewendet. Die GDL vertritt aber vor allem Lokführer und Zugbegleiter - sie hat dadurch auch als kleinere Gewerkschaft die Möglichkeit, den Bahnverkehr empfindlich zu stören und Züge zu stoppen. Die EVG verhandelte zuletzt für gut 180.000 DB-Beschäftigte.

Die GDL fordert neben der Arbeitszeitsenkung 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Die Bahn hat bisher eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten sowie die geforderte Inflationsausgleichsprämie angeboten. (dpa/AFP)

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