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Ist nur Bares Wahres? Vor allem in Deutschland wird gerne mit Bargeld bezahlt.

© Foto: picture alliance/dpa/Silas Stein

Bundesbankchef Nagel: „Von einer Gesellschaft ohne Bargeld sind wir weit entfernt“

Cash gilt aus Auslaufmodell. Doch die Zentralbank ist da anderer Meinung – auch weil Bargeld in Krisen eine stabilisierende Wirkung haben kann.

Die Welt wird immer digitaler. Auch die Welt des Geldes. Cash gilt aus Auslaufmodell. In manchen Ländern wie Finnland, Schweden, Großbritannien, Südkorea und nicht zuletzt China ist das Zahlen mit Karten oder über mobile Zahlungssysteme per Smartphone weit fortgeschritten. In Deutschland wird dagegen noch ganz gern mit Scheinen und Münzen bezahlt.

Ein Zeichen für technologische Rückständigkeit? Oder sind die Deutschen und andere cash-affine Nationen ein bisschen klüger?

Für die Bundesbank ist das Thema wichtig. Denn sie ist im Rahmen der Europäischen Zentralbank für die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld zuständig. Bundesbankchef Joachim Nagel ist der Meinung, dass das auch noch lange so bleiben wird. Bargeld werde auf Dauer ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens sein, sagte er am Donnerstag anlässlich eines Bargeld-Symposiums der Bundesbank in Berlin. Man sei in Deutschland von „cashless society“, also einer bargeldlosen Gesellschaft, noch weit entfernt.

Bargeld nicht das Problem, sondern die Lösung

Franz Seitz und Gerhard Rösl, Ökonomen

Wie das? Hat ausgerechnet der Bundesbank-Chef den Schuss nicht gehört? Immerhin liegt nach Umfragen in der jüngeren Generation der Anteil derer, die eine Wirtschaft ohne Bargeld schon in den nächsten Jahren für wahrscheinlich halten, bei mehr als der Hälfte, während unter Älteren die Skepsis deutlich größer ist.

Die Banken bauen immer mehr Geldautomaten ab, die Schalteröffnungszeiten schrumpfen ohnehin. Und auch Nagel weiß, dass der Anteil digitalen Bezahlens selbst bei den Deutschen stetig wächst. In der Pandemie gab es zuletzt einen regelrechten Schub, auch wenn Bargeld weiterhin das meistgenutzte Zahlungsmittel ist.

Auftrieb in Krisenzeiten

Aber gerade die Covid-Zeit brachte auch dem Bargeld wieder Auftrieb. Laut Nagel ist Cash gerade in Krisenzeiten gefragt – und trägt dazu bei, eine krisengeschüttelte Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen. Denn in Krisen schwindet Vertrauen, auch in technische Zahlungssysteme.

Das einfache System Bargeld dagegen taugt als Mittel zur Wertaufbewahrung, nach dem Motto: sicher ist sicher. Der oberste deutsche Zentralbanker verwies zudem auf die verbreiteten Störungen von Zahlungsterminals in Läden vor einem Jahr. Ein Viertel der Betroffenen hätten ihre Einkäufe bleiben lassen müssen, weil sie kein oder zu wenig Bargeld in der Tasche hatten.

Sichere Wertanlage

Was aber macht Bargeld zu einem Retter in der Krise? Das versuchten bei dem Symposium die beiden Ökonomen Gerhard Rösl und Franz Seitz und die Wirtschaftspsychologin Julia Pitters deutlich zu machen. Nach Ansicht von Seitz und Rösl ist „Bargeld nicht das Problem, sondern die Lösung“ in Krisenzeiten.

Denn es zeigt sich, dass die Nachfrage nach Bargeld immens ansteigt, wenn Menschen glauben, dass die Zeiten kritisch werden. So sei es in der Jahrtausendwende-Krise gewesen, als das Umstellen der Computer für Ängste sorgte, so sei es auch in der Finanzkrise von 2008 gewesen – und zuletzt zu Beginn der Pandemie.

In solchen Phasen werde Bargeld als sichere Wertanlage in einem Währungsraum angesehen, so die Schlussfolgerung der Ökonomen. Dazu kommt eine latente Unsicherheit, ob digitale Infrastrukturen funktionieren. In Ländern, in denen politische Vertrauenskrisen oder Finanzkrisen (etwa massive Inflation) häufiger sind, gilt Bargeld als Stabilitätsanker – nicht unbedingt in der Währung des eigenen Landes, sondern dann auch in Form von US-Dollars, Euro-Scheinen oder Schweizer Franken.

Nicht zuletzt für Ärmere, so die Erkenntnis, ist Cash wichtig. „Bargeld ist inklusiv“, sagte Nagel. Es ermögliche Teilhabe für alle.

Die Ökonomen Seitz und Rösl haben angesichts ihrer Forschungen vor allem eine Empfehlung für Politiker und Notenbanken: Schränkt in Krisen die Bargeldversorgung nicht ein, sondern weitet sie flexibel je nach Nachfrage aus. Die Regierungen sollten darauf achten, dass eine ordentliche Cash-Infrastruktur bereitgestellt sei.

Auf einen Bank-Run, so die Erkenntnis von Rösl, solle man nicht mit Bargeldbeschränkungen reagieren. Stattdessen sollte man die Banken rechtzeitig Buchgeld bereitstellen und somit das Auszahlen von Bargeld unterstützen.

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