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Hoch hinaus. Auch das Berliner Baugewerbe bewertet die aktuelle Lage positiver als im Frühjahr. Und es könnte noch besser laufen – hoffen die Betriebe.

© dpa

Berliner Handwerk überrascht: "Kann man nicht meckern"

Die Berliner Wirtschaft sieht sich allen Herausforderungen gewachsen – ist aber vorsichtig für 2016.

Die wirtschaftliche Lage entlockt Jürgen Wittke die höchste Form des Berliner Lobes. „Kann man nicht meckern“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer am Montag bei der Vorstellung der gemeinsam mit der IHK durchgeführten aktuellen Konjunkturumfrage. In nackten Zahlen heißt das: Mit 136 Punkten ist die Stimmung in der Berliner Wirtschaft im Herbst genauso hoch wie im Frühjahr. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) hält deshalb an ihrer Wachstumsprognose von 1,9 Prozent für das laufende Jahr fest, wie Vizechef Christian Wiesenhütter betont. Wie hoch das Plus beim Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr liegen könnte – darüber will er lieber nicht spekulieren. „Es gibt kleine Fragezeichen für die Zukunft“, sagt er. „Wir müssen es aber wieder schaffen, stärker zu wachsen als der Bundesdurchschnitt.“

In den vergangenen Jahren war der Berliner Wirtschaft das stets gelungen. Ausschlaggebend für den Aufschwung ist laut den Kammern unter anderem die wachsende Zahl der Touristen: Im ersten Halbjahr verzeichneten die Landesstatistiker 13,8 Millionen Übernachtungen – allein die Zahl ausländischer Gäste legte um neun Prozent zu. Sie schlafen nicht nur in Hotels, sie bevölkern Cafés und Restaurants, schlendern durch Einkaufsstraßen und Geschäfte, kaufen ein. Handel und Gastgewerbe bewerten ihre Lage im langjährigen Vergleich in diesem Herbst wohl auch deshalb mit Bestwerten. Die Dienstleistungsbranche sieht sich zumindest im Aufschwung.

Bester Wert seit 1992

Besonders erfreut zeigen sich die Kammern aber von der Entwicklung im Handwerk. Die Betriebe hätten seit dem Frühjahr einen regelrechten Konjunkturschub erlebt. Die Auftragslage sei in den vergangenen sechs Monaten deutlich stärker nach oben gegangen als erwartet. Aktuelle Lage und Erwartungen fürs kommende Halbjahr ergeben für die Handwerksbetriebe den besten Wert seit 1992. „Sie sehen mich als glücklichen Chef einer Handwerkskammer“, kommentiert Wittke das in seinen Augen überraschendste Ergebnis der Umfrage. Einer der Hauptgründe für den Aufschwung sei die erhöhte Nachfrage bei den klassischen Zulieferbetrieben für die Industrie, erläutert der Kammerchef.

Sein IHK-Pendant auf dem Podium lobt vor allem den Dienstleistungssektor, der für die Berliner Wirtschaft nach wie vor eine Hauptrolle spielt. „Wenn das Dienstleistungsgewerbe floriert, floriert Berlin“, sagt Wiesenhütter. Umso erfreulicher sei es, dass die befragten Unternehmen von noch besseren Geschäften als im Frühjahr berichteten.

Keine neuen Jobs in der Industrie

Allerdings ist die gute Stimmung immer auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Bundeshauptstadt wirtschaftlich von einem niedrigen Niveau kommt. Nicht nur in der Arbeitslosenstatistik rangierte sie jahrelang weit hinten im Vergleich der 16 Bundesländer. Ein besonderes Sorgenkind in diesem Zusammenhang ist die Industrie, in der in den 90er Jahren mehr als 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen waren. An der Beschäftigungsschwäche im produzierenden Gewerbe wird sich kurzfristig auch nichts ändern. Zwar bewertet die Berliner Industrie trotz bestehender Unsicherheiten etwa im Russland- und China-Geschäft ihre Lage als stabil und blickt erwartungsvoll aufs kommende halbe Jahr. Neue Jobs wollen die Unternehmen deshalb aber nicht schaffen.

In den übrigen Branchen sieht es, was die Beschäftigung angeht, hingegen gut aus. Besonders im Bau, im Handel und bei Dienstleistern bieten sich für Arbeitsuchende Möglichkeiten. „Positiv sehen wir, dass auch die Start-ups investieren“, hebt Wiesenhütter hervor. Viele der Gründer – wie etwa Lieferdienste und -plattformen – seien im Dienstleistungssektor zu Hause.

Keine Spezialmaßnahmen für Flüchtlinge

Bleiben die „kleinen Fragezeichen“. Niemand könne derzeit seriös bewerten, wie sich die Flüchtlingsproblematik entwickeln werde, sagt Wiesenhütter. Die IHK geht nach eigenen Berechnungen davon aus, dass im kommenden Jahr – nach ihrer Anerkennung – etwa 3000 syrische Flüchtlinge mit guten Qualifikationen auf den Berliner Arbeitsmarkt kommen. Für sie wie auch für die weit größere Zahl der geringer Qualifizierten müsse das Ziel Nummer eins der Spracherwerb sein.

Gemeinsam mit der Arbeitsagentur werde man Instrumente zur Integration entwickeln. „Diese werden aber allen Arbeitsuchenden zur Verfügung stehen“, sagt Wiesenhütter. „Spezielle Maßnahmen für Flüchtlinge halte ich für falsch.“

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