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Angekettet: In vielen Branchen sind Zwei-Jahres-Verträge üblich.

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Keine Zwei-Jahres-Verträge mehr: Das Wirtschaftsministerium blockiert im Streit über kürzere Verträge

Das Justizministerium will Zwei-Jahres-Verträge verbieten, das Wirtschaftsministerium ist dagegen. Doch ein Kompromiss im Sinne der Verbraucher wäre möglich.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht fand klare Worte, als sie ihren Entwurf für fairere Verbraucherverträge vorstellte. Verbraucher würden „viel zu häufig abgezockt und übervorteilt“, sagte die SPD-Politikerin. „Dem wollen wir mit dem Gesetz für fairere Verbraucherverträge einen Riegel vorschieben“.

Das war Ende Januar. Doch das Gesetz gibt es bis heute nicht. Seit acht Monaten streiten Bundesjustiz- und Bundeswirtschaftsministerium über einen zentralen Punkt der geplanten Reform: Sollen Fitnessstudios, Telekommunikationsunternehmen oder Partnervermittler auch in Zukunft 24-Monats-Verträge anbieten dürfen? Und sollen sich diese Verträge auch weiterhin um zwölf Monate verlängern dürfen, wenn Kunden es versäumen, rechtzeitig zu kündigen?

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will kürzere Verträge.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will kürzere Verträge.

© dpa

Die Justizministerin meint nein. Sie will per Gesetz festlegen, dass Verträge, die Verbraucher neu schließen, maximal ein Jahr lang laufen dürfen. Danach soll eine automatische Verlängerung für höchstens drei Monate möglich sein. Mit einer Kündigungsfrist von nur noch einem Monat sollen sich Kunden leichter von einem Vertrag trennen können.

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Warum das Wirtschaftsministerium blockiert

Doch das Bundeswirtschaftsministerium hat Bedenken. In der Unionsfraktion kann man das verstehen. „Das Verbot von 24-Monats-Verträgen und eine Einschränkung der automatischen Verlängerung der Verträge sind nicht im Koalitionsvertrag vereinbart“, gibt der Verbraucherschutzbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion, Sebastian Steineke, zu bedenken. „Es ist kein Wunder, dass es Vorbehalte seitens des Bundeswirtschaftsministeriums gibt.“ Zum Ärger über die Eigenmächtigkeit kommen inhaltliche Gründe: Die langen Verträge garantieren den Firmen sichere Einnahmen. Davon haben auch die Kunden etwas – niedrigere Monatsbeiträge oder attraktive Pakete.

Immer das neuste Handy? Gibt es billig nur mit Zwei-Jahres-Vertrag.
Immer das neuste Handy? Gibt es billig nur mit Zwei-Jahres-Vertrag.

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Für den Telekommunikationsbereich soll das jetzt sogar gesetzlich festgeschrieben werden. Im Gesetzentwurf zur Neufassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG), der gemeinsam vom Bundesverkehrs- und -wirtschaftsministerium erarbeitet worden ist, sollen Vertragslaufzeiten von 24 Monaten für Handy- oder Internetverträge weiterhin möglich sein. „Unternehmen können so längerfristiger planen und insbesondere die Kosten für den dringend notwendigen Netzausbau und für subventionierte Endgeräte reamortisieren“, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage. „Verbraucher wiederum können von ebendiesen Netzen und subventionierten Endgeräten sowie von günstigeren monatlichen Vertragsgebühren profitieren“.

Das Billighandy gibt es nur zusammen mit dem 24-Monats-Vertrag

Wie das aussieht, zeigen aktuelle Angebote: Das neue Samsung-Handy S20, das im Laden 825 Euro kostet, gibt es für 47 Euro, wenn man gleichzeitig einen Zwei-Jahres-Handyvertrag abschließt. Oder sogar für nur 0,97 Euro, wenn man bereit ist, einen entsprechend teureren Tarif zu zahlen. Die Mehrheit der Kunden wählt einen 24-Monats-Vertrag, um die Kombiangebote aus Mobilfunktarif und Smartphone mitzunehmen, heißt es bei der O2-Mutter Telefonicá. Allerdings gibt es bei O2 auch Flex-Verträge ohne Mindestlaufzeit für Mobilfunk oder Internet. Alternative für Telekom-, Vodafone- oder Discounter-Kunden: Prepaid-Verträge, bei denen man vorher aufgeladenes Guthaben verbraucht.

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Die Coronakrise verschärft das Problem

Verbraucherschützer überzeugt das nicht. „Durch die Coronakrise sind viele Verbraucher in finanzielle Schwierigkeiten geraten“, betont Michaela Schröder vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Die Politik sollte deshalb alles dafür tun, dass ihnen nicht unnötig Geld aus der Tasche gezogen wird.“ Eine Reduzierung der automatischen Vertragsverlängerung und der Kündigungsfristen würde Verbrauchern helfen, schnell aus einem ungewollten Vertrag herauszukommen. „Das spart vielen Menschen echtes Geld und sollte im Sinne beider Regierungsparteien sein“, meint Schröder.

So könnte ein Kompromiss aussehen

Doch wie könnte ein Kompromiss aussehen? Steineke, der in der Unionsfraktion Berichterstatter für das Vertragsthema ist, schlägt ein Sonderkündigungsrecht für die Kunden vor. „Es muss möglich sein, dass man einen Zwei-Jahres-Vertrag etwa im Fitnessstudio vorzeitig beenden kann, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr trainieren kann oder umzieht“, meint der CDU-Politiker.

Kompromiss? Bei Krankheit oder anderen wichtigen Gründen sollen Kunden aus dem Vertrag heraus dürfen, schlägt der Verbraucherschutzbeauftragte der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Sebastian Steineke, vor.
Kompromiss? Bei Krankheit oder anderen wichtigen Gründen sollen Kunden aus dem Vertrag heraus dürfen, schlägt der Verbraucherschutzbeauftragte der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Sebastian Steineke, vor.

© Imago

Was sonst noch geplant ist

Sollte das Bundesjustizministerium auf die Regelung zu den Vertragslaufzeiten verzichten, könnte man das Gesetz sehr schnell auf den Weg bringen. Der Entwurf enthält nämlich noch andere wichtige Punkte, etwa die Regelung, dass Strom- und Gasverträge, die am Telefon geschlossen werden, nur dann gültig sein sollen, wenn die Verbraucher sie anschließend bestätigen. In diesem Punkt sind sich Union und SPD einig, berichtet Steineke. Umso relevanter sei es, einen Kompromiss bei den Vertragslaufzeiten zu finden. „Wir müssen jetzt den Knoten durchtrennen. Die Verhandlungen dauern schon viel zu lange“, sagt Steineke.

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