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Aufgepasst. Nach oben wird die Luft am deutschen Aktienmarkt langsam dünn, der Dax hat seit Jahresanfang gut 1000 Punkte gewonnen – trotz Euro-Schuldenkrise. Doch die Bewertungen sind nach wie vor günstig.

© dapd

Jahresstart: Kursrallye oder Korrektur

Noch nie ist der Dax in 25 Jahren so stark gestartet wie 2012. Professionelle Anleger sind auf den Zug aufgesprungen – Kleinanleger zögern.

Selbst erfahrene Börsianer werden von der Entwicklung überrascht. Am Rosenmontag nach gerade einmal sieben Wochen und 36 Handelstagen im neuen Jahr hat der Deutsche Aktienindex (Dax) den gesamten Verlust des Börsenjahres 2011 wieder wettgemacht. Seit Jahresanfang steht ein Plus von mehr als 1000 Punkten oder rund 17 Prozent auf der Anzeigetafel im Frankfurter Börsensaal – trotz Euro-Schuldenkrise und Sorgen vor einer Rezession.

Am Mittwoch, einen Tag nach der EU- Einigung auf ein neues Griechenland- Hilfspaket, konnten sich die Skeptiker bestätigt fühlen, denen der Aktienaufschwung zu schnell ging: Am zweiten Tag in Folge ging es abwärts – zuletzt um 0,6 Prozent auf 6859 Zähler.

Und nun? Wie geht es weiter? Holen die Anleger nur kurz Luft, um dann weiter Aktien zu kaufen, die im historischen Vergleich immer noch preiswert sind – oder zumindest so aussehen? Oder folgt jetzt die Korrektur der Übertreibungen der vergangenen Wochen?

Ein Rückblick: Das Jahr 2011 schloss das Börsenbarometer für die 30 größten deutschen, an der Börse gelisteten Konzerne mit 5898 Punkten ab, 16 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Zu Wochenbeginn stand der Dax zeitweise bei mehr als 6950 Punkten, höher als Ende 2010. Es ist die stärkste Jahresanfangsrallye in der knapp 25-jährigen Geschichte des Dax. Ganz vorne: die Commerzbank mit einem Plus von rund 60 Prozent. Bei BMW, Daimler und Infineon sind es zwischen 30 und 40 Prozent. Kein einziger Dax-Wert hat seit Jahresanfang verloren.

DIE CHANCEN

Als wichtigen Kurstreiber haben Börsianer die Europäische Zentralbank (EZB) identifiziert. Zu historisch niedrigen Zinsen von einem Prozent versorgen die Notenbanker die Geschäftsbanken mit billigem Geld. Zudem haben sie im Dezember erstmals einen Drei-Jahres-Kredit zu einem Prozent ausgeschrieben. Fast eine halbe Milliarde Euro haben sich die Banken auf diesem Weg beschafft. Ende Februar gibt es bei einem weiteren billigen Drei-Jahres-Kredit möglicherweise noch einmal so viel. Ein Teil dieses Geldes wird offensichtlich in Aktien investiert.

Dabei lassen sich die Anleger von Konjunkturaussichten motivieren, die nicht so düster sind wie vor Wochen befürchtet. In den USA deuten regionale Frühindikatoren und Arbeitsmarktdaten darauf hin, dass sich die Wirtschaft besser erholt als gedacht. In Deutschland rechnet die Bundesbank nur mit einer vorübergehenden Schwächephase – im Frühjahr gehe es wieder aufwärts. Der wichtige ZEW-Konjunkturindikator zeigt deutlich nach oben. Auch die im vierten Quartal 2011 um 0,2 Prozent geschrumpfte Wirtschaftsleistung alarmiert Volkswirte nicht. In China und in den Schwellenländern brummt es nach wie vor, was den Export in Europa und vor allem in Deutschland beflügelt.

Hinzu kommt die gute Verfassung deutscher Unternehmen. Die Konzerne, aber auch der Mittelstand haben die Krise hervorragend gemeistert. Ihre Bilanzen sind sauber, die Auftragsbücher sind voll, der Auftragseingang hat im Dezember wieder zugelegt. Ihre Rücklagen sind so hoch, dass sie Investitionen aus eigener Kraft stemmen können und kaum auf Banken angewiesen sind. Die Gewinne sprudeln: In den kommenden Wochen werden die 30 Dax-Konzerne rund 27 Milliarden Euro an Dividenden ausschütten.

Da lohnt sich kaum noch der Blick auf Staatsanleihen. Sie haben ihren Ruf als risikolose Anlage durch die Euro-Schuldenkrise eingebüßt. Und sichere Staatsanleihen, wie etwa Bundespapiere, bringen aktuell nicht einmal zwei Prozent Zinsen. Auch die Verzinsung auf Tagesgeld-Konten ist mit im Schnitt 1,65 Prozent derzeit nicht üppig. Gold ist schon teuer und wirft weder Dividende noch Zinsen ab.

Für ein solides Fundament der vergangenen Kursanstiege spricht, dass vor allem Groß-Anleger wie Investmentfonds, Versicherungen oder Pensionskassen investiert haben. Zunächst hätten sie gezögert, berichten Beobachter, mittlerweile seien sie aber auf den Zug aufgesprungen. Sonst verpassen sie den Anschluss und verfehlen ihre Renditeziele. Kurzum: Die Stimmung ist gut und dies befeuert die Kauflaune. Die Hausse nährt die Hausse, besagt eine alte Börsen-Weisheit.

DIE RISIKEN

Privatanleger haben bislang kaum vom Kursaufschwung profitiert. Ein Einstieg zum jetzigen Zeitpunkt wäre also riskant. Ohnehin fehlt es den Privaten am nötigen Optimismus: Der jüngsten Umfrage der DZ Bank zufolge rechnen derzeit nur 27 Prozent der Privatanleger mit weiter steigenden Kursen. Das ist der zweitniedrigste Wert seit vier Jahren. 30 Prozent sind pessimistisch. Und 40 Prozent würden eher Gold als Aktien kaufen.

Einige Bank-Analysten teilen diese vorsichtige Einstellung: „Eine aufgehellte Konjunktursicht sowie ein freundlicherer Verlauf der Schuldenkrise sind schon teilweise eingepreist“, gibt die Landesbank Berlin zu bedenken. Die Analysten verweisen außerdem mit Blick auf die Länder Griechenland und Iran auf ein weiterhin relativ hohes „Ereignisrisiko“. Schlussfolgerung der Experten: „Die Wahrscheinlichkeit für eine – auch stärker ausfallende – Korrektur hat deutlich zugenommen.“

Große und kleine Anleger wissen, dass die Euro-Schuldenkrise nicht überwunden ist. Eine Pleite des Landes ist nach wie vor nicht ausgeschlossen. In den USA und Japan sind die Schuldenprobleme noch größer. Die Stimmung auf dem Parkett kann schnell wieder kippen.

Die DZ Bank warnt vor kurzfristigen Gewinnmitnahmen, die die Kurse weiter drücken könnten. „Auch die zyklischen europäischen Indizes scheinen nach dem fulminanten Jahresauftakt heißgelaufen.“ Den Dax sehen die Analysten Ende 2012 bei 6600 Punkten – rund vier Prozent niedriger als heute. Auch die Weberbank spricht beim Blick auf Aktien von „nachlassender Dynamik“. Für die kommenden Wochen sei man dennoch optimistisch für den Dax – „solange die Unterstützung der 6400 Punktemarke gehalten wird“.

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