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Ewige Baustelle. Die Commerzbank musste in der Finanzkrise Staatshilfen in Anspruch nehmen, um zu überleben. Aber die Lage wird nicht besser.

© dpa

Milliardendefizit: Die Commerzbank bröckelt

Der Aktienkurs der Commerzbank stürzt nach einem Bericht über einen milliardenschweren Kapitalbedarf um mehr als elf Prozent ab. Staatliche Hilfen wären eine Rettungsmöglichkeit, aber es gibt auch radikalere Gedankenspiele.

Berlin - Der Commerzbank fehlen möglicherweise fünf Milliarden Euro – zwei Milliarden mehr als bislang angenommen. Ein entsprechender Bericht der Nachrichtenagentur Reuters brachte am Dienstag die Aktie zum Absturz. Der Kurs verlor zeitweise mehr als elf Prozent und rutschte auf den tiefsten Stand aller Zeiten: 1,19 Euro. Damit hat sich der Kurs seit Ende Oktober fast halbiert; vor einem Jahr lag er sogar noch bei rund fünf Euro. Am Aktienmarkt wird nun über eine nochmalige Kapitalerhöhung oder weitere staatliche Hilfen diskutiert.

Angesichts des neuerlichen Kursverfalls forderte der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Handeln auf. „Man muss die Commerzbank im Zweifel zerschlagen, wenn sie ihre Probleme nicht lösen kann“, sagte Schäffler dem Tagesspiegel. Es fehle an einer Strategie, wie das Institut, an dem der Bund 25 Prozent und eine Aktie hält, wieder vollständig in private Hände komme. Neuerliche Staatshilfen seien der falsche Weg. „Das entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden.“ Der Kursverfall zeige, „dass der Staat ein schlechter Banker ist“.

Auf großes Vertrauen der Aktienanleger darf das Frankfurter Geldinstitut allerdings nicht hoffen. „Commerzbank-Aktien würde man angesichts der Marktdynamik im Moment wohl nicht einmal für 80 Cent verkauft kriegen“, sagte ein Analyst, der nicht genannt werden wollte. Unter dem rechnerischen Nennwert von 1,00 Euro darf die Bank gar keine neuen Papiere ausgeben.

Lesen Sie auf Seite 2, wie die Konzernführung auf die Meldungen reagiert.

„Fünf Milliarden Euro wären sicher kaum zu erzielen“, sagte Fairesearch-Analyst Dieter Hein dieser Zeitung. Er verlasse sich allerdings nicht auf Gerüchte; zunächst solle das Ergebnis des „Blitzstresstests“ der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) abgewartet werden. Die Veröffentlichung war in der vergangenen Woche auf Ende November verschoben worden. „Dass die Commerzbank noch lange nicht über den Berg ist, war jedem Beobachter klar“, sagte Hein. Im dritten Quartal hatte die zweitgrößte deutsche Bank einen Verlust von fast 700 Millionen Euro verbucht.

Reuters berichtete unter Berufung „auf mehrere mit den Zahlen vertraute Personen“, dass der Bank rund fünf Milliarden Euro fehlen, um die von der EBA bis 2012 geforderte höhere Eigenkapitalquote von neun Prozent zu erreichen. Die Commerzbank war davon ausgegangen, für ihren erhöhten Risikopuffer 2,9 Milliarden Euro beschaffen zu müssen, wie sie im Oktober mitgeteilt hatte. Sie hatte geplant, dies ohne Kapitalerhöhung oder staatliche Hilfen zu schaffen.

Bereits in der vergangenen Woche hatte es Meldungen gegeben, nach denen sich die deutschen Großbanken auf Überraschungen beim „Blitzstresstest“ der EU-Bankenaufsicht einstellen müssen. Die EBA war vor zwei Wochen von einem Gesamtkapitalbedarf von 5,2 Milliarden Euro für alle deutschen Banken ausgegangen. Nachdem die Behörde ihre Berechnungen auf eine neue Basis gestellt und neue Daten von den größten 70 Banken in Europa angefordert hatte, könnte die Lücke nun auf mehr als zehn Milliarden Euro steigen, hieß es zuletzt.

Um die Auflagen der Aufseher aus eigener Kraft zu erfüllen, will Commerzbank-Chef Martin Blessing die Bilanzrisiken im kommenden halben Jahr drastisch reduzieren. Er hat seine Zukunft als Vorstandschef daran geknüpft, dass die Bank nicht noch einmal Staatshilfe beanspruchen muss. Die Schrumpfkur dürfte nicht nur zulasten des Auslandsgeschäfts gehen, sondern auch die Kommunen treffen, denen die Commerzbank Milliarden leiht.

Ein Zusammenbruch der Bank wird von Analysten nicht erwartet. „Die Commerzbank geht nicht pleite“, sagte Dieter Hein. „Sie wird das Geld bekommen – vom Markt oder eben vom Staat.“

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