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Ein ICE steht vor der Abfahrt im Erfurter Hauptbahnhof.

© dpa/Martin Schutt

Update

Längster Streik : Die Bahn steht Montag und Dienstag

Die Gewerkschaft EVG eskaliert den Tarifkonflikt weiter und streikt diesmal mehr als zwei Tage lang. Für die Bahn ist das „irrsinnig“.

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Wegen eines großangelegten Warnstreiks stellt die Deutsche Bahn den Fernverkehr für zwei Tage vollständig ein. Zwischen Sonntagabend um 22 Uhr und Dienstagabend um 24 Uhr blieben sämtliche ICE- und IC-Züge in den Depots, teilte der bundeseigene Konzern am Donnerstag mit.

Es ist der längste Warnstreik in der EVG-Geschichte. „Die Geduld der Beschäftigten ist beendet“, sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay am Donnerstag. „Wir sehen uns gezwungen, 50 Stunden zu streiken.“ In den vergangenen elf Wochen habe es in den Tarifverhandlungen mit der bundeseigenen Bahn und rund 50 weiteren Bahnbetrieben kaum Bewegung gegeben, weshalb vor allem die Bahn den Warnstreik provoziert habe.

Dieser irrsinnige Streit ist grundlos und restlos überzogen.

Martin Seiler, Personalvorstand der Bahn

„Dieser irrsinnige Streik ist grundlos und restlos überzogen“, kommentierte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler das Vorgehen der Gewerkschaft. Die Bahn kündigte „umfangreiche Kulanzregelungen für die Fahrgäste“ an und will darüber ebenso wie über mögliche Notfahrpläne so bald wie möglich informieren.

Auch der europäische Güterverkehr am Montag und Dienstag ist massiv betroffen, weil sechs von zehn Frachtkorridoren über das deutsche Schienennetz führten, teilte die Bahn weiter mit. „Wir brauchen Druck“, erläuterte EVG-Verhandlerin Ingenschay die gewünschten Auswirkungen auf den Güterverkehr.  

Bundesregierung ruft zur Mäßigung auf

Die Bundesregierung, die sich aufgrund der Tarifautonomie aus dem Konflikt herauszuhalten hat, rief gleichwohl zur Mäßigung auf. „Ich appelliere an die Tarifparteien, ein Verkehrschaos zu vermeiden“, sagte Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP), der zugleich Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr ist, dem Tagesspiegel: „Der Tarifkonflikt sollte nicht zulasten der Bevölkerung geführt werden.“ Alle Seiten seien „aufgefordert, sich entsprechend ihrer Verantwortung zu verhalten“.

Um die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten, müssten die Deutsche Bahn und die Verkehrsbetriebe vor Ort nun „frühzeitig geeignete Vorkehrungen“ treffen, so Theurer: „Infrastruktur ist zentral für die Funktionsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.“

Noch deutlich kritischer gegenüber der Ankündigung der Gewerkschaft äußerte sich sein liberaler Parteifreund Reinhard Houben, der wirtschaftspolitischer Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion ist: „Auch eine hohe Inflation und gestiegene Energiepreise rechtfertigen nicht die erhobenen Forderungen der EVG.“ Seiner Meinung nach könnten Tarifverhandlungen „nicht frei von jeder Verhältnismäßigkeit geführt werden“.

Schließlich könne sich das Angebot der Bahn an ihre Beschäftigten „sehen lassen“, so Houben gegenüber dem Tagesspiegel weiter: „Umso weniger gerechtfertigt sind erneute Warnstreiks, die den Personen- und Güterverkehr über mehrere Tage lahmlegen und massive Auswirkungen auf ganz Europa haben.“

Die EVG fordert für rund 180.000 Tarifgeschäfte bei der Bahn sowie einige weitere Zehntausend bei den privaten Bahnen eine Erhöhung der Monatsentgelte um 650 Euro sowie eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns, den bei der Bahn rund 2000 Beschäftigte in den Bereichen Reinigung und Sicherheit erhalten.

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Die Bahn wiederum hat für dieses Jahr die Zahlung einer steuer- und abgabenfreien Inflationsprämie in Höhe von 2450 Euro angeboten sowie im kommenden Jahr prozentuale Erhöhungen von acht bis zehn Prozent. Das sei das höchste Angebot, das die Bahn je gemacht habe, sagte Seiler.

„Wir haben die Türen sperrangelweit aufgemacht, aber die EVG bleibt vor der Türe stehen“, meinte der Personalvorstand. Die Gewerkschaft wolle „ein Tarifdiktat durchsetzen“. Es gehe der EVG nicht um die Einkommen, sondern „um den Machtkampf der Gewerkschaften“ EVG und GDL. Die Gewerkschaft der Lokführer stellt Anfang Juni ihre Lohnforderung vor, über die jedoch erst im Herbst verhandelt wird.

Um den Streik in der Himmelfahrtswoche zu vermeiden, hatte Seiler am Dienstag Zugeständnisse beim Mindestlohn gemacht. Danach sollte der gesetzliche Mindestlohn von zwölf Euro mit Wirkung in allen Entgelttabellen der Bahn stehen und mithin als Grundlage dienen für die vorgeschlagene Lohnerhöhung von zehn Prozent. Die EVG hatte Seilers Angebot als „Trickserei“ zurückgewiesen, weil die Mindestlöhne „keinesfalls die in der Branche festgelegten Branchenmindestlöhne übersteigen“ und bei 13 Euro gedeckelt würden.

„Diese Einschränkung ist für uns inakzeptabel, eine zwei Klassen-Gesellschaft wird es mit uns nicht geben“, sagte Kristian Loroch, der gemeinsam mit Ingenschay die Verhandlungen führt. „Das ist schändlich für ein Bundesunternehmen“, attackierte Loroch die Bahn. Entsprechend falle die Reaktion mit dem Streik kommende Woche aus.

Am 27. März hatte die EVG gemeinsam mit Verdi große Teile des öffentlichen Verkehrs inklusive Flughäfen bestreikt. Ein weiterer Warnstreik im April dauerte acht Stunden. „Die Wut der Beschäftigten ist groß“, sagte Ingenschay am Donnerstag. Die Streikbereitschaft der EVG-Mitglieder sei hoch, trotz Lohneinbußen: Bei Warnstreiks gibt es kein Streikgeld. Die nächsten Verhandlungen mit der Bahn sind am 23. Mai, beide Seiten erwarten da noch kein Ergebnis. Das streben EVG und Bahn aber bis zum 5. Juni an, wenn die GDL ihre Forderung vorstellt.

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