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In der Theorie kann eine Bahnfahrt durchaus gemütlich sein. Wie hier, in der Schlafwagenszene in „Manche mögen’s heiß“.

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Mühsame Online-Tickets: Wie ich fast daran verzweifelte, eine Bahnreise nach Rom zu buchen

Wer das Klima schützen will, fährt mit der Bahn in den Urlaub. Doch das klingt leichter, als es am Ende ist. Ein Erfahrungsbericht.

Der Junge wollte nach Rom. In „Gewi“ (so nennt man heute das Fach, in dem Geschichte und Erdkunde unterrichtet wird) waren die Römer dran. Kolosseum und so. Wollten wir uns also angucken. Wenn sich die Kinder schon mal für irgendwas interessieren …

Der gleiche Junge war allerdings erst vor wenigen Wochen an einem Freitag in Begleitung seiner Gewi-Lehrerin (und seines Vaters) demonstrieren: „Wir sind viel! Wir sind laut! Weil ihr uns die Zukunft klaut!“

Nach Rom zu kommen, ist also heute nicht mehr so einfach. Man fängt sich leicht den Spott von Freunden oder Kollegen ein, wenn man in den Herbstferien mal eben den ganzen schönen Greta-Aktivismus der vergangenen Monate mit einem Billigflieger durchkreuzt hat. Vom schlechten Gewissen ganz zu schweigen.

Also Bahn. Ist das nicht eine wunderbare Idee? Urlaub von Anfang an! Ein Abenteuer für die Kinder! Skatspielen und Leberwurstbrote! Keine Sicherheitskontrollen! Keine entwürdigenden Wartezeiten in Schönefeld oder Tegel! Die stahlgewordene Entschleunigung!

Und nebenbei ersparen wir dem Weltklima zwei Tonnen CO2.

Man muss ein ziemlicher Freak sind

Im Prinzip stimmt das alles. Aber es ist dann doch ein bisschen komplizierter. Wir sprechen jetzt nicht von den Fehlern im Buchungssystem der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), die uns nach zahlreichen fehlgeschlagenen Buchungsversuchen, Telefonanrufen und intensivem Mailwechsel doch nur für die Rückfahrt von Rom nach München Liegewagentickets verkaufen konnten.

Wir sprechen nicht davon, dass sich manche der versprochenen Sonderangebote der Deutschen Bahn nur am Schalter im Bahnhof buchen lassen, während andere nur online zu erwerben sind.

Wer eine Bahnreise Berlin–München–Rom und zurück buchen will, muss ein ziemlicher Freak sein und sehr viel Zeit und Geduld mitbringen. Und er muss flexibel sein, was die Reisetermine angeht – jedenfalls wenn man Mitte August Fahrkarten und Reservierungen für Mitte Oktober kaufen möchte.

Österreichs Nachtzüge sind ständig ausgebucht

Das betrifft vor allem die Nachtzugverbindungen. Die Deutsche Bahn hat ihre Nachtzüge vor wenigen Jahren abgeschafft. Sie ließen sich angeblich nicht mehr wirtschaftlich betreiben. Allerdings hatte die DB ihr Wagenmaterial auch über Jahrzehnte runtergefahren, ohne je für Ersatz oder Modernisierung zu sorgen.

Es kommt uns heute komisch vor, dass man noch vor zwei, drei Jahren dachte, Nachtzugverbindungen hätten in der Zeit der Billigflüge keine Zukunft. Die ÖBB sahen das mit den Nachtzügen anders und übernahmen eine Reihe von Strecken. Wien ist inzwischen der dickste Knoten im europäischen Nachtzugnetz. Aber es gibt auch ÖBB-Strecken, die Österreich gar nicht berühren. Man kann beispielsweise von Berlin nach Zürich mit dem „Nightjet“ fahren. Und die Österreicher wollen ihr Netz ausbauen: Wien–Köln– Brüssel und Wien–Amsterdam kommen nächstes Jahr dazu. 13 neue Züge sind bestellt. Einst beliebte Verbindungen, etwa nach Paris oder Kopenhagen, fehlen noch.

Die österreichischen Züge sind ein bisschen altmodisch, aber komfortabel. Man kann mit der Familie ein ganzes Liegewagenabteil ohne Aufpreis buchen, auch wenn man nicht zu sechst ist. Es gibt Paprika-Hendl aus der Mikrowelle und Grünen Veltliner. Und der aus Kabul stammende Schaffner ist schüchtern, aber sehr freundlich.

Das Problem mit den Österreichern ist, dass sie ständig ausgebucht sind. Jedenfalls an Tagen, an denen mehr als 300 Menschen eine bestimmte Strecke fahren wollen. Der Zug von Berlin nach Zürich zu Beginn der Winterferien nächstes Jahr war, nur Stunden nachdem die Buchung möglich war, ausverkauft. Die ÖBB sagt, sie könnten an solchen Tagen drei „Nightjets“ auf die Strecke schicken, nur – „die Wagen gibt es nicht“.

Mit Kindern auf dem Boden sitzen? Nein, danke!

Man kann natürlich auch tagsüber fahren. Wer morgens halb sieben am Berliner Hauptbahnhof einsteigt, ist 14 Stunden und 23 Minuten später in Rom – Umsteigen in München und Verona. Und die Römer gehen eh nicht so früh essen … Nach London schafft man es in zwölf, nach Stockholm in 13, nach Madrid in 20 Stunden. O. k., das ist vielleicht doch ein bisschen lang …

Tagesfahrten machen die Sache nicht unbedingt einfacher. Die ICEs nach München gehören zu den bestausgelasteten Zügen der Deutschen Bahn. Sie sind oft ausgebucht. Fahrgäste sitzen in den Eingangsbereichen auf dem Boden oder halten sich stundenlang an einer Tasse Kaffee in der „Bordgastronomie“ fest. Mit Kindern möchte man das nicht unbedingt durchziehen.

Und zwischen Verona oder Bologna und Rom verkehren zwar die schicken roten und silbernen Hochgeschwindigkeitspfeile von Trenitalia, aber in einen „Frecciarossa“ oder „Frecciargento“ darf man ohne Reservierung gar nicht einsteigen. Und die ist für – sagen wir – Freitagnachmittag nicht so leicht zu bekommen. Es ist alles eine Frage der Kapazitäten. Und die sind heute schon oft erschöpft. Im vergangenen Jahr registrierte die Bahn eine Zunahme der Zahl der Fernverkehrsreisenden um 4,4 Prozent. Da war die Reisegruppe „Greta“ noch gar nicht unterwegs.

Statt Griechenland nach Karwendel

Und die Buchungstechnik ist ein Elend. Wer sich auf die Internetseite für internationale Buchungen der DB begibt und dort Dutzende Male die Geburtsdaten aller Reisenden eingetippt hat, dem wird die Fehlermeldung „Es tut uns leid, wir können die von Ihnen gewählte Verbindung online nicht verkaufen“ schnell sehr vertraut. Am Ende fummelt man sich durch deutsche, österreichische und italienische Buchungsportale, gibt immer wieder Termine und Geburtsdaten, Reservierungswünsche und Kreditkartennummern ein, weil ein Ticket für die ganze Strecke nicht zu bekommen ist. Es gibt Apps, die helfen sollen, günstige Bahntickets für europaweite Verbindungen zu kaufen. Aber das funktioniert noch nicht. Und es bleibt immer das diffuse Gefühl, irgendwie doch zu viel bezahlt zu haben.

Es ist ein langer Weg, bis grenzüberschreitende Fernreisen mit der Bahn nicht mehr nur was für Freaks sind. Aber vielleicht ist es ja schon ein erster Schritt, wenn wenigstens die Freaks umsteigen. Oder aber ihre Reiseziele anpassen …

Unsere Nachbarin wollte mit Mann und Kindern in den Herbstferien eigentlich nach Griechenland fliegen. Die Familie ist dann mit der Bahn nach Mittenwald gefahren. War voll, hat aber gut geklappt. Nur sieben Stunden. Sparpreis. Kaum Verspätung. Und im Karwendel soll es sehr schön gewesen sein.

Sven Siebert

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