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Die Europäische Zentralbank kauft die Märkte leer, hinzu kommt die Angst vor dem Brexit: Investoren sehnen sich nach Sicherheit.

© dpa-tmn

Negativrendite: Bundesanleihen werden zum Minusgeschäft

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik müssen Anleger Geld mitbringen, statt welches zu bekommen, wenn sie eine zehnjährige Bundesanleihe in ihr Depot legen.

Verkehrte Welt am Kapitalmarkt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik zahlen Investoren Geld dafür, dass sie sich eine zehnjährige Bundesanleihe in ihr Depot packen dürfen – statt Geld zu kassieren. „Absurdistan ist jetzt auch bei den Zehnjährigen angekommen“, hieß es am Dienstag in Frankfurt am Main. Deutschland ist damit das zweite Land aus der Riege der sieben führenden Industriestaaten (G7), dessen zehnjährige Bundesanleihen unter die Renditemarke von null Prozent gerutscht sind. Nur in Japan, das seit Jahren mit niedrigen Zinsen versucht, die Wirtschaft anzukurbeln, ist das auch so.

Was ist am Dienstag passiert?

Um exakt 9.16 Uhr ist es geschehen: Die Durchschnittsrendite der zehnjährigen Bundesanleihen rutschte mit minus 0,001 Prozent in den negativen Bereich. Im weiteren Verlauf ging es bis auf minus 0,004 Prozent bergab. Erstmals legen Käufer bei diesen Anleihen also Geld drauf statt Zinsen zu kassieren. Zumindest dann, wenn sie die Papiere jetzt kaufen. Denn zehnjährige Bundesanleihen sind bei Investoren gefragt, das treibt den Kurs der Papiere in die Höhe und drückt die Rendite. Besser steht derjenige da, der die Papiere gleich am Anfang gekauft hat und bis zum Ende der Laufzeit hält. Er bekommt weiter seine Zinsen, allerdings sind auch diese niedrig. Bei der jüngsten zehnjährigen Bundesanleihe sind es nur noch 0,5 Prozent.

Warum sind die Zehnjährigen so wichtig?

Bei Anleihen mit kürzerer Laufzeit sind negative Renditen bereits Alltag, zweijährige Bundesanleihen sind schon seit Mitte 2014 ein Verlustgeschäft. Doch nun trifft das auch die Zehnjährigen. Diese Bundesanleihen genießen die Bestnote der Ratingagenturen und sind für Investoren sowie den Finanzminister die wichtigsten Titel unter den Bundeswertpapieren. Knapp die Hälfte des deutschen Schuldenbergs von 1,1 Billionen Euro besteht aus zehnjährigen Bundesanleihen. Zwar nimmt der Bund wegen der schwarzen Null seit 2014 keine neuen Schulden mehr auf, er muss aber jedes Jahr rund 20 Prozent der Altschulden umfinanzieren, weil Anleihen auslaufen. Je weniger Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Investoren für neue Anleihen bieten muss, umso besser für den Staat – und umso schlechter für Versicherungen und Pensionskassen. Denn die gehören zu den Hauptkäufern, weil sie das Geld der Versicherten langfristig und möglichst risikoarm anlegen müssen.

Um welche Dimensionen geht es?

Die derzeit im Umlauf befindlichen Bundeswertpapiere haben einen Wert von fast 500 Milliarden Euro. An den Börsen und außerbörslich wird aber pro Jahr rund das Fünffache umgesetzt. Der Handel mit Zehnjährigen hat ein Volumen von rund 2,5 Billionen Euro im Jahr.

Warum kommt es zur Minusrendite?

Vor allem die Verunsicherung über den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU und die Folgen für die Zukunft der Gemeinschaft ist nach Ansicht von Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der Deka-Bank, für die Talfahrt verantwortlich. „Das treibt Investoren in den sicheren Hafen der Bundesanleihen“. Sie kaufen die Papiere und sorgen damit für Kurssteigerungen. Dazu kommt die Europäische Zentralbank mit ihrer aggressiven Geldpolitik. Die EZB hat seit März vergangenen Jahres Staatsanleihen der Euro-Länder im Volumen von 835 Milliarden Euro gekauft, allein 191 Milliarden Euro entfallen auf deutsche Papiere, vornehmlich Bundesanleihen. Jeden Monat pumpt die Notenbank 80 Milliarden Euro in die Finanzmärkte. Seit Anfang dieses Monats kaufen die Währungshüter auch noch Anleihen von Großkonzernen.

Was heißt das für die Anleger?

Nur zwei Prozent aller umlaufenden Bundesanleihen, nicht nur der Zehnjährigen, liegen in den Händen privater Anleger. Sie haben 1,3 Milliarden Euro in die Bundespapiere investiert, und es dürften eher noch weniger werden. „Für Privatanleger macht es keinen Sinn mehr, Bundesanleihen zu kaufen“, sagt ein Händler an der Börse. Betroffen sind Bürger aber nicht nur als Anleger, sondern auch als Versicherungsnehmer oder Betriebsrentner. Denn Versicherungen, Fonds und Pensionskassen haben angesichts der Mickerrenditen der Staatspapiere immer größere Probleme, die notwendigen Renditen und versprochenen Garantien zu erwirtschaften. Der Renditerückgang unter die Nulllinie markiere ein „neues trauriges Kapital in einem von der Geldpolitik verzerrten europäischen Anleihemarkt“, kritisierte der Chefvolkswirt des Versicherungsverbands GDV, Klaus Wiener.

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