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Die Zahl deutscher Aktionäre ist 2019 gesunken.

© Rumpenhorst/dpa

Ostdeutsche sind risikofreudiger: Männer halten häufiger Aktien als Frauen

Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich beim Geldanlegen. Gesamtdeutsch ist allerdings die weit verbreitete Skepsis gegenüber Aktien.

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Die Angst vor Ausbreitung des Coronavirus hat die weltweiten Börsen abstürzen lassen. Allein der Dax verlor seit seinem Rekordhoch im Februar zeitweise gut 15 Prozent. Und viele Anleger fragen sich: Geht es weiter bergab oder kommt die Erholung? Während die Entwicklung an den Aktienmärkten die einen verschreckt, dürften andere sie als Chance betrachten – und investieren.

Möglich, dass jetzt vor allem Ostdeutsche zugreifen. Denn Aktien- und Anleihebesitzer zwischen Rostock und Dresden sind risikofreudiger als Westdeutsche. Das jedenfalls will das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag des Onlinebrokers Etoro in einer Umfrage herausgefunden haben. Demnach gaben 30 Prozent der befragten Anleger aus Ostdeutschland an, bevorzugt auf hohe Renditen abzuzielen, statt langfristig zu investieren. In Westdeutschland setzen nur 22 Prozent auf diese Strategie.

Über die Gründe können Ökonomen nur mutmaßen. „Falls sich die Umfrageergebnisse bewahrheiten, ist es sicher spannend, tiefer in Ursachen hineinzuschauen“, sagt Gerrit Fey, Leiter des Fachbereichs Kapitalmärkte am Deutschen Aktieninstitut (DAI). Bislang gibt es dazu keine Untersuchungen.

Ostdeutsche investieren weniger

Eine Erklärung könnte sich aus den Zahlen ergeben: Rutscht das Depot ins Minus, droht Ostdeutschen ein geringerer Verlust. Laut Umfrage investieren sie nämlich kleinere Summen in Aktien und Anleihen als Westdeutsche. Ganze 43 Prozent der befragten Anleger aus den neuen Bundesländern stecken jährlich nicht mehr als 5000 Euro ins eigene Portfolio. Soziologen spekulieren hingegen auch über gesellschaftliche Gründe. Etwa darüber, dass Ostdeutsche die eigene Anlagestrategie bloß riskanter bewerten als Westdeutsche.

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Fakt ist jedoch: Geht es um die Geldanlage, zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. Während in Westdeutschland jeder Sechste Aktien oder Fonds besitzt, ist es im Osten des Landes nur knapp jeder Zehnte. Das ergeben die Zahlen des DAI für das vergangene Jahr. Ein Grund: die Unterschiede in der Wirtschaftskraft und im Einkommen, mutmaßen die Ökonomen des Instituts.

Westdeutsche achten häufiger auf Zukunftstechnologien

„Auffällig ist auch, dass im Westen die Direktanlage in Aktien relativ gesehen eine stärkere Rolle spielt als im Osten“, sagt Fey. „Wir vermuten, dass zum einem im Westen die Direktanlage eine längere Tradition hat“, sagt Fey. Zum anderen gebe es im Osten wenige börsennotierte Unternehmen, die Mitarbeiteraktie als Einstieg in den Markt sei relativ wenig verbreitet.

Auch bei den selbstgesteckten Grundsätzen gehen Ost und West auseinander. In den alten Bundesländern achten fast doppelt so viele Anleger darauf, in Unternehmen mit ethischen und nachhaltigen Konzepten zu investieren, wie die YouGov-Umfrage zeigt. Jeder fünfte Anleger aus Westdeutschland macht das zu einem Kriterium, in Ostdeutschland ist es nur jeder Zehnte. Das scheint sich auch auf die Auswahl der Wertpapiere auszuwirken: Laut Umfrage investieren Anleger im Westen häufiger in Zukunftstechnologien. Dazu zählen die Bereiche E-Mobilität und Wasserstoff, aber auch Big Data.

Alle Deutschen stehen Aktien skeptisch gegenüber

Die Daten beruhen auf einer Onlineerhebung, an der insgesamt knapp 2000 Personen teilgenommen haben. Die Unterschiede zwischen Ost und West sind jedoch ein Gefälle auf niedrigem Niveau. Denn tatsächlich stehen alle Deutschen Aktien insgesamt weiterhin äußerst skeptisch gegenüber. Wie das DAI Ende Februar mitteilte, ist der Anteil der Aktionäre in der Bundesrepublik 2019 sogar gesunken. Insgesamt gab es demnach im vergangenen Jahr 9,7 Millionen Aktienbesitzer. Das sind 15,2 Prozent der Bürger über 14 Jahre – und 660.000 weniger als im Vorjahr. 2017 und 2018 war die Zahl noch stetig gestiegen.

Der Großteil der Anleger setzt dabei lieber auf Fonds als auf Einzelaktien. Und obwohl es Sparpläne für Aktienfonds bei vielen Online-Brokern inzwischen ab 25 Euro pro Monat gibt, hängt der Aktienbesitz noch immer deutlich vom Einkommen ab. Bei einem Gehalt von unter 2000 Euro netto investieren nur fünf Prozent der Bürger in Aktien, bei über 4000 Euro monatlich hat fast jeder Dritte investiert.

Männer halten häufiger Aktien als Frauen

Ein Blick auf die Geschlechter zeigt zudem, dass Aktien noch immer überwiegend Männersache sind. Während 19 Prozent der Männer Aktien besitzen, liegt der Anteil bei Frauen nur bei zwölf Prozent. Für den Rückgang der Gesamtzahl waren 2019 jedoch nur die Männer verantwortlich. Bei ihnen lag die Quote ein Jahr zuvor zwei Prozentpunkte höher, bei den Frauen blieb der Wert konstant.

Damit haben viele Deutsche Aktien ausgerechnet in dem Jahr den Rücken gekehrt, in dem sowohl der Dax als auch die meisten anderen Leitindizes massive Kursgewinne vorweisen konnten. 2019 war der Dax um gut 25 Prozent gestiegen, der MSCI World – ein Index, der als Abbild der führenden Wirtschaftsnationen der Welt und für viele Sparpläne als Basisinvestment gilt – hatte sogar über 31 Prozent zugelegt.

Dass viele Aktionäre trotzdem ausstiegen, liegt nach Einschätzung des DAI an Kursverlusten von 2018, pessimistischen Konjunkturausblicken und den falschen Signalen aus der Politik. So drohe die diskutierte Finanztransaktionssteuer, potenzielle Aktionäre und Fondssparer abzuschrecken. Gerade in Minuszins-Zeiten gelten langfristige Aktieninvestments derzeit allerdings als sinnvolle Möglichkeit zur Altersvorsorge. Und das sieht nicht nur das DAI so, sondern auch die Verbraucherschutzzentralen.

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