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Schuldenkrise: Angst um Italien

Die Finanzmärkte fürchten um die drittgrößte Volkswirtschaft Europas – die Kurse sinken.

Berlin - Die Angst vor einem Übergriff der Schuldenkrise auf Italien hat am Montag zu Turbulenzen an den Finanzmärkten gesorgt. Die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen stiegen auf Höchststände. Die Börsen in Mailand und in Frankfurt am Main gerieten zudem unter starken Druck, wobei die größten Verluste Aktien von Finanzkonzernen verzeichneten. Der Kurs der Gemeinschaftswährung Euro setzte seine Talfahrt fort. „Wenn die Politik nicht neue Rezepte zur Sicherung der Währungsunion entwickelt, werden sich die Märkte auch gegen Italien wenden“, warnte Michael Heise, Chefökonom des Versicherungskonzerns Allianz.

Am italienischen Finanzplatz Mailand verloren die wichtigsten Papiere des Landes knapp vier Prozent, nachdem sie bereits vergangene Woche abgestürzt waren. In Frankfurt am Main verlor der deutsche Aktienindex Dax 2,3 Prozent. Auch hier stießen Investoren Finanztitel ab – die Allianz verlor 4,1 Prozent, die Commerzbank sogar 8,6 Prozent. Der Euro rutschte erstmals seit einem Vierteljahr kurzzeitig unter die Marke von 1,40 Dollar. Besitzer von Anleihen flüchteten sich in als sicher geltende deutsche Staatspapiere: Die Rendite zehnjähriger italienischer Papiere stieg auf 5,41 Prozent, Bundesanleihen lagen mit 2,75 Prozent nur halb so hoch. Zugleich erreichte der Goldpreis Rekordstände – eine Feinunze kostete in Frankfurt zeitweise 1095,02 Euro.

Der Grund für die Nervosität ist Italiens Größe. Als drittgrößte Volkswirtschaft Europas wäre sie zu groß, um gerettet zu werden. Die Folgen einer Staatspleite wären mithin noch weitaus gravierender als in den Fällen von Griechenland, Irland oder Portugal, die bereits Hilfen der europäischen Partner erhalten. Nout Wellink, Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank, hatte kürzlich eine Verdopplung des europäischen Rettungspakets auf 1,5 Billionen Euro vorgeschlagen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will davon nichts wissen – mit der Realität habe dies nichts zu tun, erklärte er.

Bereits seit mehreren Monaten fahren die deutschen Institute ihr Engagement in Italien zurück. Anfang 2009 hatten sie noch Forderungen von mehr als 150 Milliarden Euro gegenüber italienischen Banken, Unternehmen und dem Staat, wie aus neuen Zahlen der Bundesbank hervorgeht. Ende Mai 2011 waren es nur noch gut 109 Milliarden. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), eine Art Zentralbank der Zentralbanken, rief am Montag Kreditinstitute zur Wachsamkeit auf. In den kommenden Jahren werde die Zahl der Schuldenländer zunehmen, daher gelte es, weniger Staatsanleihen zu kaufen.

Die Wirtschaftskraft Italiens gilt zwar als beträchtlich. Im vergangenen Jahr kam es aber nur auf ein Wachstum von 1,3 Prozent, nachdem es von der Krise 2009 mit minus fünf Prozent noch stärker betroffen war als Deutschland. Für Forschung und Entwicklung gibt Italien vergleichsweise wenig aus, die Produktivität stagniert seit dem Jahr 2000, während sie im EU-Schnitt um 1,3 Prozent gestiegen ist. In der Industrie macht der Export einen geringeren Teil aus als in Deutschland, zudem gelten Firmen wie Wirtschaftsstruktur als weniger modern. Das Kernproblem ist allerdings der hohe Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, forderte von den Politikern Europas eindeutige Rezepte. „Solange die Frage der Tragfähigkeit der Schulden nicht sauber geklärt ist, werden die Märkte hochgradig volatil bleiben“, befand er. „Der Herbst in Europa könnte noch turbulenter werden.“ Allianz-Chefökonom Michael Heise warnte vor einer ähnlichen Entwicklung wie in Griechenland. „Die Märkte differenzieren im Moment nicht, ein Land nach dem anderen wird auf den Radarschirm gestellt.“ Es sei nicht auszuschließen, dass das Misstrauen gegenüber Italien wachse und dann auch die Ratingagenturen ihre Bonitätsnoten senkten.

Heise schlug vor, Rom mithilfe einer neuartigen Euro-Anleihe zu retten, sollte sich die Krise zuspitzen. Dabei solle Italien Staatsanleihen ausgeben dürfen, die teilweise durch den Euro-Rettungsschirm garantiert und daher niedrig verzinst werden. Im Gegenzug müsse das Land eine Gebühr zahlen, die sich am Reformfortschritt orientieren und nach Erfolgen entsprechend sinken könnte. „Die Summen für eine Rettung werden immer größer, und die Steuerzahler dürften immer weniger gewillt sein, laufende private Anleihen durch staatliche Kredite zu ersetzen“, sagte Heise zur Begründung.

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