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Auf dem Weg zu den Pyramiden von Gizeh. In Ägypten liegt vieles brach. Die Revolution brachte neue Probleme - und Chancen für Unternehmen.

© Kevin P. Hoffmann

Sigmar Gabriel in Ägypten: Schwierige Werbung für ein Milliarden-Dollar-Solarprojekt

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist wieder in Ägypten. Menschenrechtler üben Kritik. An der kleinen Berliner Börse aber drückt man die Daumen.

Ein paar Herrschaften, die am 9. März in das Bundeswirtschaftsministerium an Scharnhorststraße in Berlin-Mitte spaziert sind, hatten nur dieses Wochenende Mitte April fest im Blick. Den Besuch des Ministers Gabriel in Ägypten, sein Treffen am Sonntag mit Präsident Fatah Al-Sisi. Die Vertreter der noch sehr kleinen Terra Sola Group AG, die seit Ende 2014 an der Berliner Börse gelistet ist, haben extrem große Pläne für Sisis Land. 

Bei deren Umsetzung sind sie zwar schon sehr weit gekommen, sie haben vor einem Jahr am Nil mit dem Ministerpräsidenten schon ein „Memorandum of Understanding“ für ihr Projekt unterzeichnet. Aber für die letzten Schritte sie können sie Fürsprache des Vize-Kanzlers sehr gut gebrauchen. Und Sigmar Gabriels Wort hat in Ägypten offenbar Gewicht: Immerhin hat er, der schon zum dritten Mal innerhalb eines Jahres nach Kairo reist, dem Weltkonzernen Siemens geholfen, einen „den größten Einzelauftrag aller Zeiten“ für seine gewaltigen Gas-Dampf-Turbinen abzuschließen. Das sichert viele Jobs am größten Werk des Unternehmens in Berlin-Moabit.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht am 16.04.2016 auf dem Flug nach Kairo (Ägypten) mit mitreisenden Journalisten.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spricht am 16.04.2016 auf dem Flug nach Kairo (Ägypten) mit mitreisenden Journalisten.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Das im Vergleich winzige Unternehmen Terra Sola hat dem Volumen nach vergleichbar große Pläne wie Siemens. Das Unternehmen will für Ägypten Solarkraftwerke im Volumen von 3,5 Milliarden Dollar (3,1 Milliarden Euro) in den Sahara-Sand setzen. Das Projekt umfasst den Bau von Photovoltaik-Solarkraftwerken von 2000 MWp Kapazität sowie von zwei industriellen Produktionsstätten in Ägypten. Es beinhaltet zudem ein Programm zur Förderung von ägyptischen kleinen und mittelgroßen Unternehmen und zur Ausbildung von ägyptischen Fachkräften und Spezialisten. Lesen Sie hier einen ausführlichen Bericht darüber. Gleichwohl ist Terra Sola es mit Siemens nicht zu vergleichen: Die Koordination des dafür nötigen Industriekonsortiums übernimmt ein vergleichsweise winziges Team rund um den Schweizer Hedgefonds-Manager David Heimhofer, der in der Regel vom Steuerparadies Bahrein im Persischen Golf aus seine Geschäfte koordiniert. Lesen Sie hier ein Porträt über den Mann.

Das größte Problem aber, merkten die Ministerialbeamten bei diesem Treffen in März an: Das Unternehmen ist - streng genommen - nicht deutsch! Es residiert im berühmt-berüchtigten Schweizer Steuersparkanton Zug: Inwieweit kann es dann von Hermes-Kreditbürgschaften oder KfW-Krediten profitieren? Oder von der Fürsprache des Ministers persönlich? 

Am Flughafen in Kario begrüßt die Regierung Investoren: "Investieren Sie in Ägypten... Investieren Sie in die Zukunft...".
Am Flughafen in Kario begrüßt die Regierung Investoren: "Investieren Sie in Ägypten... Investieren Sie in die Zukunft...".

© Kevin P. Hoffmann

Solche komplizierten Fragen. Noch dümpelt die Terra-Sola-Aktie daher dahin - und wird es vielleicht weiter tun. Und doch würden auch einige deutsche Firmen von dem Solargeschäft mit den Ägyptern profitieren:

Immerhin hat Heimhofer mittlerweile einen schweren Projektpartner aus dem Dax gefunden: den Energiekonzern RWE, vertreten durch den ehemaligen Desertec-Wüstenstomkoordinator Paul van Son, der heute für RWE das Büro in Dubai leitet. An Bord sind auch die Hamburger Firma Enerparc , ist ein international aufgestelltes Ingenieur- und Technologie-Unternehmen und LTi Re Energy, ein Automations- und Sensorikspezialist, eine 100-Prozent-Tochter der Hamburger Körber-Konzerns, Erfinder und einst Weltmarktfüher für Zigarettenautomaten.

Aus Berlin kommt - neben der Börsenplatzierung - immerhin der ehemalige Solon-Manager Sascha Gaede, er steuert das Projekt. Schönheitsfehler dabei: Ein paar Inder haben Solons Know-how und Maschinen vor wenigen Jahren aus dem Forschungs- und Technologiepark Adlershof aus der Insolvenzmasse aufgekauft und ihre Fabrik in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgebaut. Jobs in Berlin entstehen also nicht. Nicht unmittelbar jedenfalls.

Straßenszene am Stadtrand von Kairo: Die Infrastruktur funktioniert vielerorts nicht. Mit längeren Stromausfällen ist fast täglich zu rechnen. Auch darum will Al-Sisi Investoren für den Energiesektor locken.
Straßenszene am Stadtrand von Kairo: Die Infrastruktur funktioniert vielerorts nicht. Mit längeren Stromausfällen ist fast täglich zu rechnen. Auch darum will Al-Sisi Investoren für den Energiesektor locken.

© Kevin P. Hoffmann

Und trotzdem: Die Ägypter stehen auf deutsche Technologie! Und nicht nur die: Auch die Organisation der Energiewende beeindruckt offenbar am Nil. Dort hat man bereits nach deutschem Vorbild Schritte zur Energiewende eingeleitet. Dort gibt es für erneuerbare Energien mittlerweile das hierzulande erfundene Prinzip der Einspeisevergütung: Eigentümer von Windrädern oder Solaranlagen erhalten eine  fixe Summe je Kilowattstunde, die sie ins Stromnetz einspeisen. Und sogar deutlich modernere Ausschreibungsmodelle für Strom probiert Ägypten aus. Auch damit sammelt der langjährige Umweltminister und heutige Wirtschafts- und Energieminister Gabriel in Deutschland derzeit erst erste Erfahrungen.

Vor einem Jahr verhandelten die Leute hinter Terra Sola noch über konkrete Vergütungssätze für die Stromeinspeisung. Vielleicht hätten sie sich auch an Ausschreibungen für Stromkapazitäten beteiligt. Jetzt ist beiden Seiten klar: Das Projekt - 3,4 Milliarden Dollar Volumen - ist zu groß für Spielereien. Es hat in Ägypten den besonderen Status eines Projekts von nationaler Bedeutung erlangt. So wie der Suez-Staudamm zum Beispiel. Das bedeutet nicht automatisch, dass es auch so umgesetzt wird. Es bedeutet vor allem, dass das gesamte Kabinett sich damit befassen muss. Und es befürworten muss.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (2.v.r, SPD) kommt am 16.04.2016 auf dem Flughafen in Kairo an und sitzt zusammen mit dem deutschen Botschafter Julius Georg Luy (2.v.l) in einem Empfangsraum.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (2.v.r, SPD) kommt am 16.04.2016 auf dem Flughafen in Kairo an und sitzt zusammen mit dem deutschen Botschafter Julius Georg Luy (2.v.l) in einem Empfangsraum.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Wird es das? Terra Sola wirbt mit 10.000 Azubis, die mit Hilfe eines Instituts der TU-Berlin in Ägypten ausgebildet werden sollen und mehr als 50.000 Arbeitsplätze, die vor Ort entstehen. Zudem sucht das Land, das bisher vor allem von Öl, Gas, und dem Assuan-Staudamm abhängig ist und mehrfach die Woche unter Stromausfällen leidet nach Lösungen für die Energiekrise. 

Es heißt, Gabriel hat auf seinem Staatsbesuch nach Ägypten rund 120 Unternehmensvertreter an Bord. Zugleich kritisiert die Opposition, namentlich zum Beispiel sein langjähriger Weggefährte Jürgen Trittin, die seine Reise an den Nil. Schließlich verschlechtert sich die Menschenrechtslage unter dem Regime von Präsident Al-Sisi stetig, wie man liest. Moralisch schwierig ist es, in so einem Land für deutsche Technologien zu werben. Vielleicht versöhnt es den den Grünen-Politiker ja, dass Gabriel diesmal nicht nur Panzern Geleitschutz gibt, sondern auch den erneuerbaren Energien.

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