zum Hauptinhalt
Größer, schöner, lauter – und inzwischen immer energieeffizienter. Auf der Ifa gibt es immer die neuesten Produkte und Technologien aus der Unterhaltungselektronik und der Hausgeräteindustrie zu sehen. In diesem Jahr vom 2. bis zum 6. September. Foto: AFP/Tobis Schwarz

© Foto: AFP/Tobis Schwarz

Richtungsweisende Tage für die Messe Berlin: Trubel unterm Funkturm

Eine Einigung zur Zukunft der Funkausstellung Ifa ist in Sicht. Und der Aufsichtsrat der Messe Berlin befasst sich mit den Compliance-Vorwürfen.

Man wunderte sich in London, als der Berliner Wirtschaftssenator Stephan Schwarz bereits vor mehr als zwei Wochen die Verhandlungen „auf der Zielgeraden“ angekommen sah. In der Zentrale von Clarion Events, dem 70-Prozent-Teilhaber der Ifa Management GmbH, staunt man schon länger über die Berliner Interessenvertreter inklusive Senator. Die Ifa-Verhandlungen zwischen der landeseigenen Messe Berlin und Clarion ziehen sich inzwischen über fast ein Jahr. Anstelle einer Vereinbarung über die Zukunft der wichtigsten Berliner Messe gab es schrille Nebengeräusche und hässliche Personalgeschichten, die den Aufsichtsratsvorsitzenden der Messe zum Rücktritt bewegten und dem Ifa-Direktor den Job kosteten. Vor einer Woche ging es dann endlich voran in den Gesprächen über die Zukunft der Ifa, die bislang nur bis 2023 in Berlin gesichert ist.

Wer macht die Ifa 2023?

Messechef Martin Ecknig hat inzwischen einen schriftlichen Vorschlag unterbreitet, der zu einer Grundlagenvereinbarung noch vor Beginn der Funkausstellung an diesem Freitag führen könnte. Strittig bis zuletzt ist die Frage, wer die Ifa 2023 veranstaltet: Zum letzten Mal die Messe Berlin oder bereits die Ifa Management GmbH, an der die gfu Consumer & Home Electronics 30 Prozent hält. Die Ifa gehört der gfu, zu der sich ein gutes Dutzend Unternehmen aus der Elektronik- und der Hausgeräteindustrie zusammengeschlossen haben.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bis 2023 ist die gfu vertraglich an die Messe Berlin gebunden, die bis dahin nicht nur als Vermieter des Geländes und der Ausstellungshallen, sondern auch als Veranstalter fungiert. Dazu zahlt die Messegesellschaft eine kleine siebenstellige Gebühr an die gfu. Die Ifa mit zuletzt mehr als 80 000 Fachbesuchern aus dem Ausland ist für die städtische Wirtschaft enorm wichtig – aber auch für die Messe Berlin: Der Umsatz liegt bei rund 35 Millionen Euro und unterm Strich blieben in den vergangenen Jahren drei bis fünf Millionen Euro Profit übrig.

Investoren gesucht

In diesem Jahr ist das Messegelände zu 80 Prozent ausgebucht; nach zwei trostlosen Coronajahren ist das ein guter Wert. Aber wie geht es weiter? Weltweit gibt es rund ein Dutzend ähnlicher ElektronikVeranstaltungen, mit denen die Ifa im Wettbewerb steht. Die Ifa sei die einzige, die nicht mit öffentlichen Geldern mitfinanziert werde, heißt es in der Branche. Auch deshalb hatte der frühere Berliner Messechef Christian Göke Finanzpartner für die Ifa und die gesamte Messegesellschaft gesucht. Gespräche mit dem Springer-Verlag, an denen auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller teilnahm, blieben jedoch ohne Ergebnis.

Spätestens von 2024 an liegt die Ifa in der Hand von Clarion. Der Konzern will in die Marke investieren, die Ifa ausbauen und digitalisieren. Am liebsten bereits 2023. Angeblich gibt Clarion bis 2032 eine Standortgarantie für Berlin. Messechef Ecknig wird den Aufsichtsrat am Donnerstag über den Stand der Ifa-Gespräche informieren. Die ursprünglich für die Sitzung vorgesehene Vorstellung einer Strategie für die Messegesellschaft wird dem Vernehmen nach verschoben.

Der langjährige Immobilienmanager von Siemens, Martin Ecknig, führt seit 2021 die Messe Berlin mit knapp 900 Mitarbeitenden.
Der langjährige Immobilienmanager von Siemens, Martin Ecknig, führt seit 2021 die Messe Berlin mit knapp 900 Mitarbeitenden.

© Messe Berlin GmbH

Ecknig, seit Anfang 2021 im Amt, arbeitet noch daran. Und der Aufsichtsrat ist vorerst mit der Vergangenheit beschäftigt. Nach dem Rücktritt von Wolf-Dieter Wolf führt Wirtschaftssenator Schwarz (parteilos, für die SPD) das Gremium. Seine Sprecherin teilt auf Anfrage mit, dass Schwarz „bereits vor einigen Wochen“ die Befassung des Aufsichtsrats am 1. September „mit den bis dahin vorliegenden Erkenntnissen der Compliance- Untersuchungen veranlasst hat“.

Der Senat prüft die Vorwürfe

Die Senatsverwaltungen für Finanzen und Wirtschaft prüfen die Umstände der Beauftragung des Journalisten Gerhard Spörl als Mediencoach von Ecknig für ein Tageshonorar von bis zu 2000 Euro. Spörl ist der Ehemann der ehemaligen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, und Wolf, bis vor kurzem auch Verwaltungsratsvorsitzender des RBB, soll das Engagement von Spörl initiiert haben, um Ecknig für den Messejob zu schulen.

Ungewöhnlich sind die Umstände der Bestellung Ecknigs zum Messechef im Herbst 2020. Ein paar Monate zuvor hatte Göke um die Aufhebung seines Vertrages zum 31. Dezember gebeten. Mit Hilfe der Personalberatung Odgers Berndtson, die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Messe Berlin hat, suchte der Aufsichtsrat einen Göke-Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Am Ende wurde vom Personalausschuss, dem Wolf-Dieter Wolf vorsaß, dem Aufsichtsrat nur ein Kandidat vorgeschlagen: Martin Ecknig.

Besetzung des Chefpostens fragwürdig

Der branchenfremde Ecknig war zuvor als Immobilienmanager bei Siemens tätig. Angeblich hat Wolf, der Ecknig seit Jahren kennt und duzt, die Personalberater von Odgers Berndtson gebeten oder sogar aufgefordert, Ecknig auf die Shortlist der besten Kandidaten zu nehmen.

Die Schilderung eines damaligen Bewerbers, der nach eigenen Angaben über 18-jährige Branchenerfahrung verfügt, stützt diesen Verdacht. „Der Partner von Odgers Berndtson stellte früh im Gespräch die Frage, ob ich den Aufsichtsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf persönlich kennen würde“, berichtet der Bewerber dem Tagesspiegel. „Ihm erschien dies wohl von Vorteil.“ Der Mann musste die Frage verneinen und kam nicht in die engere Auswahl. Ecknig dagegen wurde vom Aufsichtsrat unter der Leitung von Wolf zum 1. Januar 2021 zum Sprecher der Geschäftsführung der Messe Berlin berufen, obgleich sein Profil nicht dem Positionsprofil von Odgers Berndtson entsprach. Erfahrungen im Immobilienmanagement sei kaum „eine sinnvolle Voraussetzung, um das im Umbruch befindliche Messegeschäft in die Zukunft zu führen“, meint der abgeblitzte Bewerber mit Messe- und Marketingerfahrung.

Alba-Eigentümer Eric Schweitzer, ehemals Präsident der Berliner IHK und des DIHK, soll den Aufsichtsrat der Messe Berlin führen.
Alba-Eigentümer Eric Schweitzer, ehemals Präsident der Berliner IHK und des DIHK, soll den Aufsichtsrat der Messe Berlin führen.

© imago/Eibner

Messeerfahrung ist offenbar auch nicht erforderlich für den Aufsichtsratsvorsitz. Wirtschaftssenator Schwarz hatte im Frühsommer zwei Aufsichtsräte abberufen, die von Wolf und Messe-Aufsichtsrat Jan Eder als „U-Boote“ auf Seiten der gfu gesehen wurden. Auf die frei gewordenen Plätze berief Schwarz die Jungunternehmerin Iris Lanz und seinen Kumpel Eric Schweitzer: Das Trio aus Schweitzer (Präsident der IHK), Eder (IHK-Hauptgeschäftsführer) und Schwarz (Handwerkskammerpräsident) hatte von 2004 bis 2016 erheblichen Einfluss auf die Berliner Wirtschaftspolitik; dann wechselte Schweitzer, der Eigentümer des Entsorgungs- und Recyclingunternehmens Alba ist, an die Spitze des Deutschen Industrie und Handelskammertages bis 2021.

Schweitzer soll Aufsichtsratsvorsitzender der Messe Berlin werden. Dass Alba auch Geschäfte mit der Messe macht, findet Schwarz nicht problematisch. „Herr Schwarz schätzt die Expertise und Erfahrung des DIHK-Ehrenpräsidenten genauso wie sein gesellschaftliches Engagement und seinen Einsatz für die Stadt Berlin“, lässt der Senator mitteilen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false