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© Kai-Uwe Heinrich

Hintergrund: Was bringt das Konjunkturpaket dem Bürger?

Die Spitzen von Union und SPD haben sich auf das größte Konjunkturpaket in der Geschichte der Bundesrepublik geeinigt.

STEUERN

Die Koalition will die Einkommensteuer senken – und damit besonders die unteren Gehaltsgruppen entlasten. So soll der Eingangssteuersatz von 15 auf 14 Prozent sinken. Außerdem steigt der Grundfreibetrag, also das definierte Existenzminimum, ab dem überhaupt Steuern zu zahlen sind. Und zwar zweimal um jeweils 170 Euro: im Jahr 2009 – rückwirkend zum 1. Januar – auf 7834 Euro, und 2010 auf 8004 Euro. Außerdem wollen Union und SPD die sogenannte kalte Progression mildern, bei der Lohnerhöhungen durch den steigenden Steuertarif quasi aufgefressen werden. Sie versuchen es mit einer Verschiebung der bisherigen Tarifeckwerte zunächst um 400 und 2010 noch einmal um 330 Euro.

Insgesamt ist eine steuerliche Entlastung um fast neun Milliarden Euro vorgesehen – 2,9 Milliarden noch in diesem und 6,05 Milliarden im nächsten Jahr. Was das für den jeweiligen Steuerzahler bedeutet, hat Wolfgang Wawro, der Präsident des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg, für den Tagesspiegel schon einmal grob vorgerechnet. Ein Geringverdiener-Ehepaar mit jährlich etwas mehr als 25 000 Euro brutto profitiert ihm zufolge vom höheren Grundfreibetrag mit etwa 180 Euro und vom niedrigeren Eingangssteuersatz nochmals mit gut 160 Euro. Macht 340 Euro. Zwei Selbstständige mit einem Monatsgewinn von 70 000 Euro sparten rund 600 Euro (Grundfreibetrag: 200 Euro, Eingangssteuersenkung: 400 Euro). Und einem verheirateten Alleinverdiener mit 55 000 Euro brutto bringt das Entlastungspaket etwas mehr als 500 Euro (214 und 292 Euro). Hinzu kämen gegebenenfalls weitere Ersparnis se bei Solidarbeitrag und Kirchensteuer.

Allerdings profitiert auch die Hälfte der privaten Haushalte überhaupt nicht von der geplanten Steuersenkung – weil sie keine Einkommensteuer zahlen. Das sind nicht nur wohlhabende Privatiers. Auch die 17 Millionen Rentner gehen leer aus.

KRANKENKASSENBEITRÄGE

Nach den Steigerungen zum Jahresbeginn soll der Beitragssatz für gesetzlich Versicherte nun wieder sinken – von 15,5 auf 14,9 Prozent. Dafür wird der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds kräftig erhöht. Mit ihrer Forderung, ihn nur den Arbeitnehmern zukommen und dadurch deren Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten wieder verschwinden zu lassen, konnte sich die SPD und ihre Gesundheitsministerin aber nicht durchsetzten. Von der Entlastung profitieren nun Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen – mit maximal je rund 130 Euro im Jahr.

In diesem Jahr wird der Bundeszuschuss dafür um drei auf sieben Milliarden Euro aufgestockt, im Jahr 2010 soll er sich auf insgesamt 11,5 Milliarden erhöhen. Damit würden dann sieben Prozent der Gesundheitsausgaben nicht mehr über Beiträge aufs Einkommen, sondern über Steuern finanziert, rechnet der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Verlierer dabei sind die Privatversicherten. Sie müssen die Finanzspritze für den Fonds per Steuer mitfinanzieren, ohne dass sich ihre eigenen Beiträge ermäßigen. 8,6 Millionen Menschen würden so ausgegrenzt, schimpft der Verband ihrer Versicherer und spricht von verzerrtem Wettbewerb.

Der Beitragssatz aller Krankenkassen war erst vor einem halben Monat vereinheitlicht worden und so im Schnitt um exakt dieselbe Summe gestiegen, die nun der Steuerzahler übernehmen soll: 0,6 Prozentpunkte. Die Ermäßigung würde also den alten Stand wieder herstellen. Im Detail allerdings kommen auch jetzt noch 42,4 Prozent auf einen höheren Satz als vor Einführung des Gesundheitsfonds. 56,8 Prozent der Mitglieder dagegen zahlen künftig weniger.

INFRASTRUKTUR

Insgesamt 7,5 Milliarden will der Bund in die kommunale Infrastruktur investieren. Beispiele sind der Städte- und Straßenbau. Oder die Datenübertragung: Bis Ende 2010 sollen alle über leistungsfähige Breit band anschlüs se verfügen. Und auch die Krankenhäuser bekommen Geld vom Bund zur überfälligen Modernisierung, obwohl dafür eigentlich allein die Länder zuständig wären. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft ist die Finanzhilfe dringend nötig. Der Investitionsstau der Kliniken liege inzwischen bei rund 50 Milliarden Euro.

BILDUNG

Kitas, Schulen, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsinstitute sollen modernisiert werden. Insgesamt 8,66 Milliarden Euro fließen in den nächsten beiden Jahren in den Bildungsbereich. 6,5 Milliarden kommen vom Bund, der Rest von den Ländern. Geld, das dringend gebraucht wird – Schüler und Lehrer klagen allerorten über baufällige Klassenzimmer genauso wie Studierende und Professoren über marode Hörsäle. Reichen werden die Mittel allerdings bei weitem nicht: Allein die Hochschulen bräuchten nach Ansicht des Wissenschaftsrat 22 Milliarden Euro für Sanierungen.

Vorgaben, wofür die Länder das Geld im Bildungsbereich ausgeben sollen, macht der Bund nicht, heißt es aus dem Bundesministerium. Vielmehr sollten Länder und Kommunen „vor Ort und in eigener Regie“ entscheiden, wo die Mittel am sinnvollsten investiert seien. Theoretisch könnte also ein Bundesland beschließen, alles Geld für Kitas auszugeben, während sich ein anderes darauf konzentriert, seine Hochschulen auf Vordermann zu bringen. Aus dem Bildungsministerium heißt es freilich, man erwarte, dass die Länder einen Schwerpunkt auf die Modernisierung von Schulen legten.

ARBEITSMARKT

Auch Langzeitarbeitslose trifft die Wirtschaftskrise hart. Zu ihrer Qualifizierung stellt die große Koalition deshalb weitere zwei Milliarden Euro bereit. Vorgesehen ist zudem, die Zahl der Arbeitsvermittler um 5000 aufzustocken. Gleichzeitig soll der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung unten bleiben. Er wird trotz Konjunk turkrise auf 2,8 Prozent fixiert. Wenn die Bundesagentur für Arbeit damit nicht auskommt, springt – wie früher – der Bund ein. Nach bisheriger Gesetzeslage wäre der Arbeitslosenbeitrag zum Juli 2010 wieder von 2,8 auf 3,0 Prozent gestiegen.

Damit Beschäftigte nicht so schnell entlassen werden, erhalten auch Firmen gezielte Hilfen. So sollen sie für Kurzarbeiter künftig nur noch die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge tragen müssen. Und wenn sie diese Phasen zur beruflichen Weiterqualifizierung ihrer Arbeitnehmer nutzen, erhalten sie die Beiträge sogar voll erstattet. Beschlossen wurde zudem, dass die Bundesagentur für die Qualifikation von Zeitarbeitern zusätzliche Mittel bereitstellt. Auch aus dem Europäischen Sozialfonds sollen dafür 200 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

KINDER

Pro Kind gibt es 2009 für alle Kindergeldbezieher einen Bonus von 100 Euro – einmalig. Das Geld zahlen die Familienkassen aus, es wird nicht mit anderen Sozialleistungen verrechnet, nur mit den Kinderfreibeträgen bei der Steuer. Zudem steigt der Regelsatz für Heranwachsende in Hartz-IV-Familien. Für Sechs- bis 13- Jährige gibt es künftig zehn Prozent mehr – also nicht mehr 60, sondern 70 Prozent des Regelsatzes eines alleinstehenden Erwachsenen. Das sind dann 246 Euro im Monat – 35 Euro mehr als bisher. Sozialverbände kritisieren, dass diese Erhöhung den tatsächlichen Bedarf noch immer nicht deckt. Nach Berechnungen der Caritas stünde speziell dieser Altersgruppe, für die Eltern besonders hohe Aufwendungen haben, ein um 54 Euro höherer Satz zu. Auch Kinder anderer Altersgruppen bräuchten mehr: Bezogen auf alle Altersgruppen müsse der Kinderregelsatz im Mittel um 46 Euro steigen.

ABWRACKPRÄMIE

Wer bis zum Jahresende ein mindestens neun Jahre altes Auto in Deutschland abmeldet und im Gegenzug einen umweltfreundlichen Neu- oder Jahreswagen kauft, bekommt 2500 Euro geschenkt. 1,5 Milliarden Euro lässt sich die Koalition dies kosten, es soll die angeschlagene Autoindustrie stärken. Außerdem wird ab Juli die Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß umgestellt. Nach Berechnungen des Wirtschaftsberaters Pricewaterhouse Coopers könnte die Prämie den Neuwagen- Absatz in Deutschland um 300 000 Fahrzeuge erhöhen. Andere Experten bezweifeln den Effekt. Als Profiteure sehen sie vor allem ausländische Hersteller, die sich auf Kleinwagen spezialisiert haben.

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