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Kolumnenseite – Besser wissen

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„Besser Wissen“: Die Sache mit dem Gemeinwohl

Soll man sich für freie Forschung einsetzen, oder ist das Lobbyarbeit für die Wissenschaft? Fragen wir die Psychologie.

Spätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir, wie stark die Politikberatung zur Wissenschaftskommunikation und damit auch zur Wissenschaft gehört. Energiewende, Klimawandel, Artensterben, Agrarwandel, KI – das alles ruft Forschende auf den Plan, die auch auf Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Themen hinweisen können, etwa, wie eng Agrarsystem und Biodiversität zusammenhängen können, oder, welche Rolle KI beim Klimawandel spielt. Ohne Forschung würde die Politik womöglich im Blindflug durch die Krisen navigieren, was niemand wollen kann.

Doch was heißt es eigentlich, wenn Wissenschaft Politik in Fällen berät, in denen auch eigene Interessen tangiert sind? Ein Beispiel sind die Bemühungen um eine Reform der EU-Gesetzgebung in Sachen grüne Gentechnik. Pflanzengene zu editieren, soll in Zukunft einfacher sein. Mithilfe der Genschere CRISPR/Cas könne so präzise gearbeitet werden, dass kein Schaden zu erwarten sei. Solche Pflanzenzüchtung sei im Interesse des Gemeinwohls. Doch die Wissenschaft hat in diesem Fall auch ein Eigeninteresse: frei forschen zu dürfen.

Zunächst mal – Lobbyarbeit ist nicht per se schlecht. Jede Forscherin, die sich öffentlich qualifiziert äußert oder die Politik berät, erhebt auch ihre Stimme für die Wissenschaft als Quelle systematisch erzeugten Wissens und als Fundament rationaler Entscheidungen. Diese Art des Lobbyings für die Forschung sollte sich eine Wissensgesellschaft leisten. Im Fall der Gentechnik hat die Forschung aber unweigerlich auch Eigeninteressen, etwa möglichst unreguliert forschen zu können. Kann Lobbyarbeit in solchen Fällen der Wissenschaft schaden, weil sie damit die berechtigte Erwartung enttäuscht, Expertise für die Politik zu liefern, die von Eigeninteressen unabhängig ist?

Die Gefahr besteht tatsächlich. Um Vertrauen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, aber auch Wissenschaft und Politik aufzubauen, müssen Forschende drei Dinge ausstrahlen: Sie müssen kompetent sein (also ihr Thema voll beherrschen), integer sein (also sauber forschen, ihre Geldquellen offenlegen etc.) und sie müssen vor allem „benevolent“ sein, d.h. am Gemeinwohl orientiert. Diese Faktoren hat die Psychologie inzwischen sehr gut als vertrauensbildende Kriterien belegen können. Wer also zwar kompetent und integer ist, aber dennoch den Verdacht erregt, die eigenen Interessen über das Gemeinwohl zu stellen, könnte Vertrauensverluste hinnehmen müssen.

Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass das sowohl für einzelne Forscher als auch für Forschungsinstitutionen gilt. Auch sie müssen deutlich machen, wie eine freie Wissenschaft dem Gemeinwohl dient.

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