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Jochen Guck verformt Zellen und kann an ihrer Reaktion erkennen, ob sie gesund oder krank sind, von Mikroben befallen oder Krebszellen sind.

© David Ausserhofer

Biophysik und Krebs: Stretching mit Zellen

Mal weich, mal steif – Zellen haben physikalische Eigenschaften, die sich diagnostisch nutzen lassen – zum Beispiel bei Krebserkrankungen.

Der eine Laserstrahl packt die Zelle von links, der andere von rechts, und dann wird das Kügelchen allmählich auseinandergezogen – so wie Kinder mitunter Kaugummis langziehen. Pure Spielerei ist das Zell-Stretching, das Jochen Guck entwickelt hat, allerdings nicht, es verfolgt einen ganz bestimmten Sinn und Zweck: Je nachdem, wie leicht sich eine Zelle von den feinen Laserstrahlen verformen lässt, sind Rückschlüsse auf die Weichheit oder Steifheit einer Zelle möglich. Und das wiederum sagt Guck, ob eine Blutzelle bereits zur Krebszelle entartet ist, ob sie von Malaria-Erregern befallen oder von Viren infiziert ist.

Eigentlich ist der gebürtige Schweinfurter Physiker und wollte, als er 2001 nach Austin an die Universität Texas ging, „irgendwas mit Spektroskopie“ machen. Doch auf Anregung seines Professors kam es anders. Er konstruierte die „Laserfalle“ für Zellen, die ein Stück weit auch Guck selbst gefangen nahm – für die biologische Forschung, in der er sich seitdem engagiert. „Die Grenzen zwischen der Biologie und Physik sind ohnehin künstlich und die spannendsten Sachen passieren gerade in diesen Grenzbereichen“, sagt der Naturwissenschaftler. Daher scheute er sich nicht, 2007 ans Cavendish Laboratorium der Universität Cambridge zu wechseln – an den Ort, wo 1953 die Struktur der Erbsubstanz DNS entschlüsselt wurde.

Krebs macht die Zellen weicher

Während Biologen dort und anderswo vor allem das Wechselspiel von Genen und Proteinen in der Zelle erforschen, interessiert sich Guck für die physikalischen und mechanischen Eigenschaften der kleinsten Einheit des Lebens – mit dem erklärten Ziel, die Diagnose und Therapie von Krankheiten zu verbessern. Zwar kennen Biologen das Gerüst der Zelle, das Cytoskelett, schon länger, das nicht nur Stabilität verleiht, sondern auch wichtig für die Zellteilung und -bewegung ist. Aber erst Guck zeigte, dass metastasierende Krebszellen überraschenderweise eher weich als steif sind, obwohl Tumorgeschwulste meist eher robust und hart sind. „Wenn Krebszellen wandern und streuen, müssen sie weicher werden“, sagt Guck. Sind sie hingegen noch relativ steif, ist das Stadium, in dem Tochtergeschwulste (Metastasen) gebildet werden, noch nicht erreicht.

Für die Anwendung in der Klinik ist die Methode der Laserfalle allerdings zu langsam. Bestenfalls 100 Zellen pro Stunde lassen sich damit untersuchen. Um eine schnellere Technik zu entwickeln, wechselte Guck 2012 an das Biotechnologische Zentrum „Biotec“ der Technischen Universität Dresden auf eine Alexander von Humboldt-Professur. Mit Erfolg. „Jetzt können wir etwa 1000 Zellen pro Sekunde vermessen, etwa 36 000-mal schneller.“ Dafür zwängt Guck die Zellen durch eine feine Kanüle, gewissermaßen nach dem Wilhelm-Tell-Prinzip: In der „hohlen Gasse“ werden die Zellen verformt und es lässt sich erkennen, ob und wie viele potenzielle Krebszellen eine Blutprobe enthält.

„Diese Hochdurchsatzmethode würde ohne die Förderung durch die Alexander von Humboldt-Stiftung nicht existieren“, sagt Guck. Gerade bei unkonventionellen Ideen, bei denen Gutachter oft skeptisch urteilten, schenke die Stiftung Forschern, die ihr Können bereits unter Beweis gestellt haben, das nötige Vertrauen. Auch wenn die Förderung Ende 2017 ausgelaufen ist, schaut Guck optimistisch in die Zukunft: „Nach einer Humboldt-Förderung, während der man so viele Projekte vorantreiben konnte, ist es umso leichter, neue Mittel einzuwerben.“

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