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Auf einem rund 3700 alten Elfenbeinkamm entzifferte ein israelisches Archäologen-Team jetzt eine Inschrift, die Aufschluss über das Leben in der Bronzezeit gibt. Der in kanaanäischer Schrift eingravierte Text lautet übersetzt: „Möge dieser Kamm die Läuse in deinem Haar und deinem Bart ausmerzen.“

© Dafna Gazit, Israel Antiquities Authority

Erster Satz im ältesten Alphabet entziffert: „Möge dieser Kamm die Läuse ausmerzen“

Auf einem rund 3700 Jahre alten Elfenbeinkamm gelang es Archäolog:innen jetzt den ersten Satz zu lesen, der bislang im ältesten Alphabet bekannt ist – dem Kanaanäischen.

Ein archäologische Entdeckung, mit der wohl heute noch jeder etwas anfangen kann: „Möge dieser Kamm die Läuse in deinem Haar und deinem Bart ausmerzen“, lautet der Satz, den Forschende nun auf einem rund 3700 Jahre alten Elfenbeinplättchen entziffern konnten. Zumindest bei Kindern sind die kleinen Parasiten noch immer ein akutes Problem.

Die Inschrift besteht aus 17 nur wenige Millimeter großen Buchstaben, die zusammen sieben Wörter bilden. Verfasst ist die Beschwörung der Läuse in Kanaanäisch, einem Dialekt, der im zweiten Tausend vor Christus im Nahen Osten gesprochen wurde und unter anderem mit dem Aramäischen zur nordwestsemitischen Sprachfamilie zählt.

Die kanaanäische Schrift, wie sie auf dem Kamm-Fund eingraviert ist, stellt zudem eine Art Uralphabet dar: Die Sprachwissenschaft nimmt an, dass aus ihr zunächst das phönizische und das hebräische Alphabet wie auch das arabische und lateinische hervorgingen.

Jahrelang blieb die winzige Gravur unentdeckt

Gefunden wurde das antike Alltagsobjekt schon 2016 in Tel Lachish, einer Grabungsstätte südwestlich von Jerusalem. In der Bronzezeit siedelten hier semitische Stämme. Die winzige Inschrift war lange übersehen worden, bis sie die Archäologin Madeleine Mumcuoglu im Dezember 2021 entdeckte.

Und zwar, indem sie den Kamm unter stärkerem Licht fotografierte, wie sie dem Tagesspiegel mitteilte. Mumcuoglu ist Co-Autorin der jetzt im „Jerusalem Journal of Archaeology“ veröffentlichten Studie, die offenlegt, wie es dem israelischen Archäologie-Team gelang, den Text zu lesen und historisch einzuordnen.

Kein so gutes Augenmaß: Der Verfasser der Kamm-Inschrift musste den letzten Buchstaben des Wortes „Bart“ in die obere Ecke quetschen.

© Zeichnung: Daniel Vainstub

Sogar, dass der Kamm auch so gebraucht wurde, wie es die Inschrift empfiehlt, konnten die Forschenden belegen. Zwar sind die Zinken am Fundstück schon lange abgebrochen. Sichtbar sind nur die Stümpfe: Auf der einen Seite finden sich Bruchstellen von groben Zinken, auf der anderen Seite deuten sich feine Zinken an.

Während die groben Zacken vermutlich dem Entwirren des Haars dienten, wurden mit den feinen die Läuse ausgekämmt: So fanden sich auf dieser Seite des Kamms zwischen den Ansätzen Reste eines kleinen Chitin-Panzers von einer frisch geschlüpften Laus.

Datierung anhand der Schriftform

Anders als erhofft konnte der Kamm hingegen nicht anhand der Radiokarbonmethode datiert werden, die auf den Zerfallswerten von Kohlstoff basiert und bei organischen Materialien in der Regel erfolgreich ist. Der Versuch dazu in einem Labor in Oxford scheiterte.

Stattdessen bestimmten die Forschenden das Alter anhand der Buchstabenform sowie durch den Vergleich mit einem anderen Kamm, der am Ausgrabungsort gefunden wurde. Die Inschrift des Kammes sei in einem Stil verfasst, der für die früheste Phase der Entwicklung des Kanaanäisch-Alphabets typisch ist, schreiben die Autor:innen in ihrer Studie. So sei klar, dass der Kamm, der in einer Umgebung jünger datierter Fundstücke ausgegraben wurde, zu den Resten ein viel älteren Siedlung gehöre und etwa um 1700 vor Christus verwendet wurde.

Der Kamm könnte ein Geschenk an den König von Lachish gewesen sein.

Yosef Garfinkel, Prähistoriker und Archäologe an der Hebrew University of Jerusalem

Und wer war nun der Besitzer des Läusekamms für Kinder und bärtige Männer? „Der Kamm könnte ein Geschenk an den König von Lachish gewesen sein“, erklärt Yosef Garfinkel, Archäologe von der Hebrew University of Jerusalem, auf Anfrage des Tagesspiegels. In jedem Fall handele es sich um ein Prestigeobjekt, da das Elfenbein extra aus Ägypten importiert werden musste. Auch liegt die Fundstätte der Studie zufolge dort, wo vor Jahrtausenden Paläste und Tempel standen.

Für die historische Sprachforschung ist die Entdeckung zweifelsfrei ein Meilenstein. „Es gibt etwa 50 kanaanäische Inschriften aus der Zeit zwischen 1900 und 1800 vor Christus und von 1000 bis 900 vor Christus, die sind jedoch alle fragmentarisch und bestehen aus Buchstaben, bilden bestenfalls ein oder zwei Wörter“, sagt Garfinkel. Dies hingegen sei der erste vollständige Satz, der den Beginn einer Verwendung von Alphabetschrift dokumentiere.

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