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DNA: Doppelstrang und in der Biotech ein zweischneidiges Schwert.

© istockphoto/kirstypargeter

Heute vor 54 Jahren: Die Geburtsstunde der Gentechnik

Kurz nach der richtigen folgte 1969 die „Mondlandung“ der molekularen Biotechnologie. Doch hier waren selbst die Helden von Anfang an sehr nachdenklich.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Es war wie so oft das Magazin „Nature“, in dem 1969 erstmals von einem echten Meilenstein der Biologie berichtet wurde. Ein Team um Jon Beckwith an der Harvard University hatte es erstmals geschafft, ein einzelnes Gen zu isolieren.

Rückblickend betrachtet war aber die Pressekonferenz, die Beckwith und seine Kollegen aus diesem Anlass am 23. November, heute vor 54 Jahren, gaben, vielleicht noch bedeutender. Denn statt zu jubeln und sich bejubeln zu lassen, ging das Team ganz bewusst an die Öffentlichkeit, um vor den Gefahren, die die neue Technik mit sich bringen könnte, zu warnen.

Verrrat. Oder gute Tat

In seiner Autobiographie schreibt Beckwith, er sei damit von einem Tag auf den anderen in den Augen vieler Kollegen vom jungen Star der Genetik zu einem „Verräter“ geworden.

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„Vorreiter“ allerdings trifft es besser. Denn Beckwiths Worten an jenem Tag folgte nicht nur eine herausragende wissenschaftliche Karriere. Mindestens ebenso viel Energie wie in die Erforschung von Erbanlagen hat er bis heute in das Nachdenken über den verantwortungsvollen Umgang mit den Risiken der Technik, die er mit erfunden hat, gesteckt.

Forschung, nicht im luftleeren Raum

Und es gelang ihm dabei, viele Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen. Erster Meilenstein war das beispiellose Moratorium, auf das sich im kalifornischen Asilomar-Konferenzzentrum 1975 Genforschende einigten und das letztlich auf Beckwiths Worte an jenem 23. November zurückging: Sie legten dort freiwillig massive Vorsichts- und Sicherheitsstandards und rote Linien für ihre Arbeit fest.

Im Humangenomprojekt leitete Beckwith Jahrzehnte später die „Arbeitsgruppe zu ethischen, juristischen und sozialen Implikationen“ der Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes. Dazu kommen zahlreiche Fachartikel und öffentliche Stellungnahmen zum Thema.

Eines half ihm anfangs sicher, diesen vorsichtigen Weg zu gehen: Er war ein klassischer Uni-Forscher, und nicht gleichzeitig Fundraiser in eigener Sache oder gar Unternehmer in einem kompetitiven Umfeld. Es ist ein Unterschied zu vielen Forschenden der Gegenwart, etwa im Bereich der Künstlichen Intelligenz (AI).

Dort ist heute die Abwägung zwischen Chancen, Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten noch herausfordernder als bei der Gentechnik. Auch hier haben sich Fachleute früh – und geschichts- und symbolträchtig erneut in Asilomar – auf „Prinzipien für eine der Menschheit dienende AI“ geeinigt: „Gerichtet“ auf „Nutzen“ soll demnach die Entwicklung sein, robust gegen Hacks, von kritischer Forschung begleitet, kooperativ. Ein „Rennen“ soll vermieden werden.

Das war 2017, und scheint heute ziemlich vergessen.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der Tagesrückspiegel-Kolumne hier.

Hinweis der Redaktion: In der Abbildung oben ist das Erbmaterial DNA falsch herum dargestellt, wofür die Redaktion nichts kann, denn es zu spiegeln würde das Urheberrecht verletzen. Derlei hat in Berlin aber gute Tradition: Auch eine Skulptur am Max Delbrück Centrum, wo man eigentlich wissen sollte, wie DNA aussieht, ist derart falsch gewickelt.

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