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Illustration zu Wand- und Dachfarben, die sich je nach Temperatur ändern und so im Winter mehr, im Sommer weniger Wärme in das Haus lassen.

© Team um Wang Fuqiang

Inspiriert von einem Chamäleon: Neue Wandbeschichtung kühlt im Sommer und wärmt im Winter

Die Natur macht es vor: Ein Wüstenchamäleon ist in der Mittagshitze eher hell und gegen Abend eher dunkel, um dann Wärme aufzunehmen. Forscher haben nun eine entsprechende Schicht für Dächer und Außenwände erfunden.

Von Stefan Parsch, dpa

Ein chinesisches Forscherteam hat eine Beschichtung für Häuser entwickelt, die je nach Temperatur die Farbe wechselt: Im Sommer kühlt sie das Gebäude und im Winter wärmt sie es. Die Inspiration für diesen Anstrich kam von einem Chamäleon, das in der Wüste lebt.

Die neue Beschichtung für Dach- und Außenwände reflektiert bei Temperaturen über 30 Grad Celsius etwa 93 Prozent des auftreffenden Sonnenlichts. Im Winter liegt die Temperatur des dann dunkelgrauen Anstrichs mehr als vier Grad über der Umgebungstemperatur. Das Team um Fuqiang Wang vom Harbin Institute of Technology in Harbin (China) präsentiert die Studie im Fachmagazin „Nano Letters“.

Gebäude verbrauchen etwa 35 Prozent der weltweiten Energie, 60 Prozent davon werden zum Heizen und Kühlen verwendet, um angenehme Innentemperaturen zu erzeugen.

Forschungsteam vom Harbin Institute of Technology in Harbin

„Gebäude verbrauchen etwa 35 Prozent der weltweiten Energie, 60 Prozent davon werden zum Heizen und Kühlen verwendet, um angenehme Innentemperaturen zu erzeugen“, schreiben die Studienautoren. Zwar gibt es schon länger Anstriche, die ein Gebäude passiv kühlen, indem sie das meiste Sonnenlicht reflektieren; dadurch lassen sich Kosten für Klimaanlagen sparen.

Doch diese Beschichtungen werfen auch im Winter das Sonnenlicht zurück, was zu einem zusätzlichen Kühlungseffekt und damit zu einem höheren Heizbedarf führt. Wang und Kollegen setzten sich deshalb zum Ziel, ein Beschichtungsmaterial zu entwickeln, das im Sommer kühlt und im Winter wärmt.

Als Vorbild diente ihnen ein Chamäleon mit dem wissenschaftlichen Namen Chamaeleo namaquensis, das in Wüstenregionen in Südafrika und Namibia lebt. Es weist tagsüber eine helle Schuppenhaut auf, um möglichst viel Sonnenlicht zu reflektieren. Abends wechselt die Farbe zu einem dunklen Braun, um die restliche Strahlung aufzunehmen und die Wärme für die oft kühlen Nächte zu speichern.

Chamaeleo namaquensis lebt in Wüstenregionen in Südafrika und Namibia.

© imago images/FLPA/Malcolm Schuyl

Eine entscheidende Rolle spielt bei der neuen Beschichtung die chemische Verbindung Kristallviolettlacton, die beispielsweise als farbgebende Komponente in Thermopapieren verwendet wird. In Kombination mit dem Stoff Bisphenol A wechselt Kristallviolettlacton je nach Außentemperatur durch eine chemische Reaktion die Farbe, vor allem im Bereich zwischen 20 und 30 Grad.

In Versuchen zeigte sich ein klarer Vorteil der neuen Beschichtung: Bei einer Umgebungstemperatur von 10 Grad Celsius lag die Temperatur der weißen Kühlfarbe bei 10,5 Grad, die der Beschichtung bei 19,2 Grad. Wenn die Umgebungstemperatur 30 Grad überstieg, hatte beide etwas dieselbe Temperatur.

20
Prozent des jährlichen Energiebedarfs könnte durch die neue Beschichtung im Vergleich zur weißen Kühlfarbe eingespart werden.

Das macht sich auch im Gebäude bemerkbar: Bei Tests im Winter lag die Innentemperatur eines kleinen Gebäudes mit der neuen Beschichtung 1,2 Grad höher als beim baugleichen Häuschen mit Kühlfarbe. Die Studienautoren gehen davon aus, dass ihre Erfindung in mittleren Breiten im Vergleich zur weißen Kühlfarbe zu einer Einsparung von bis zu 20 Prozent des jährlichen Energiebedarfs führen kann.

Die Beschichtung ist chemisch sehr stabil, sie ändert ihre Eigenschaften auch nach 24 Stunden bei 80 Grad oder nach 300 Heiß-kalt-Zyklen nicht. Die Abstrahlung vom Anstrich erfolgt zu 94 Prozent im sogenannten atmosphärischen Fenster: Für Infrarotlicht im Bereich der Wellenlängen 8 bis 13 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) ist die Lufthülle weitgehend durchlässig, sodass diese Strahlung direkt ins Weltall gelangt.

Die Wissenschaftler haben bisher nur bewiesen, dass das Prinzip funktioniert. Es kann viele Jahre dauern, bis daraus ein kaufbares Produkt entsteht. Aber es gibt bereits Farben auf dem Markt, die ein Gebäude passiv kühlen.

Die neue Beschichtung ist nicht die einzige Erfindung auf diesem Gebiet, die von Chamäleons inspiriert ist. So entwickelt eine internationale Gruppe unter der Federführung des Fraunhofer-Instituts für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) in Dresden derzeit Fenster, die je nach Temperatur mehr oder weniger Wärmestrahlen durchlassen. Und am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz wurde eine Chamäleon-Membran entworfen, die aus farbigen Fassadenelementen besteht, die mithilfe einer Formgedächtnislegierung zueinander verschiebbar sind. Hohe Temperaturen führen dazu, dass sich eine teilweise offene helle Fläche komplett schließt.

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