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Pfarrer Walter Hoff bei einer SA-Standartenweihe im Berliner Umland (ca. 1933)

© bpk / Carl Weinrother

NS-Propst Walter Hoff: Der Berliner Pfarrer, der sich des Judenmords rühmte

Walter Hoff war Propst in Berlin und für das NS-Regime sehr aktiv. In den 1950ern wurde er von der Kirche dennoch rehabilitiert.

Im Herbst 1943 richtete Pfarrer Walter Hoff, seit 1936 „Propst von Kölln“ in Berlin-Mitte, einen zornigen Brief an den theologischen Leiter des Konsistoriums der Mark Brandenburg. Oberkonsistorialrat Fichtner hatte einen Rundbrief an die im Heeresdienst stehenden Pfarrer der Kirchenprovinz gesandt. In Hoffs Augen war dieses Schreiben viel zu unkriegerisch und noch dazu in frömmelndem Ton verfasst.

Hoff empörte sich über seinen Kollegen. In amtlicher Eigenschaft als „Der Propst zu Berlin kom. – Dr. Walter Hoff – Konsistorialrat“ schrieb er Fichtner am 29. September: Dessen Rundbrief beweise leider, dass er dem großen Geschehen dieser Tage verständnislos gegenüber stehe. Mit keinem ehrenden Wort werde „unseres Führers Adolf Hitler“ gedacht.

Offenbar, so Hoff, neige Fichtner zum Defätismus. Er solle sich einmal an Hoffs Kriegseinsatz an der Ostfront ein Beispiel nehmen: „Vielleicht gönnen Sie mir darin ein Wort der Aufklärung, wie ich es mit alldem vereinbaren kann, dass ich in Sowjetrussland eine erhebliche Anzahl von Juden, nämlich viele Hunderte, habe liquidieren helfen.“

Er sei betrübt, dass Tausende deutscher Heldengräber sowie bombenzerstörte Kirchen in der Heimat seinen Kollegen nicht zu jener Sprache des Herzens befähigt habe, um die Brüder im Waffenrock „mit wirklichen seelischen Aufbaukräften für das ewige Deutschland und das neue Europa auszurüsten.“

Nach Rücksprache mit Kollegen legte Oberkonsistorialrat Fichtner Hoffs Brief zu den Kirchenakten. Disziplinarische Folgen hatte das Schreiben nicht. Bis kurz vor Kriegsende blieb Hoff als Propst von Kölln und kommissarischer Propst von Berlin im Amt. Vor den sowjetischen Truppen floh er aus gutem Grund. Irgendwo in Mecklenburg wurde der Propst von US-Truppen aufgegriffen und kam in britische Kriegsgefangenschaft.

Bald galt er als einer der aktivsten Nazi-Pfarrer Berlins

Wer war Walter Hoff? Geboren 1890 als Sohn eines königlichen Forstmeisters in der preußischen Provinz Posen, bewarb sich der Theologe nach ersten Pfarrstellen in Schleswig-Holstein im Jahr 1929 an der Luisen-Gemeinde in Charlottenburg. Hier fand er Zugang zur SA und NSDAP und galt bald als einer der aktivsten Nazi-Pfarrer Berlins. In der Luisenkirche hielt er Gedächtnisfeiern für „gefallene Nationalsozialisten“ wie Horst Wessel und Hans-Eberhard Maikowski ab.

Im Frühjahr 1934 wurde er als Konsistorialrat in die regionale Kirchenleitung berufen. Zum Dienst erschien er häufig in SA-Uniform. Pfarrerkollegen der Bekennenden Kirche denunzierte er bei Gestapo und dem SS-Organ „Das Schwarze Korps“. 1936 avancierte er zum „Propst von Kölln" mit Pfarrstelle an St. Petri im Stadtzentrum. Das war ein gut dotiertes und ruhiges Amt, das ihm erlaubte, nebenher mit einer Dissertation über die Glashütten in der Neumark im 18. Jahrhundert promoviert zu werden.

Bei Kriegsbeginn drängte es den 49-jährigen Vater von fünf Kindern zum Kriegseinsatz, zunächst in Frankreich, seit Jahresmitte 1941 an der Ostfront. Wenn er auf Heimaturlaub war, pflegte er seiner alten Dienststätte in Wehrmachtsuniform Besuche abzustatten und von „Heldentaten“ gegenüber „Partisanen“ und „Spionen“ zu berichten. In diesem Kontext entstand sein fataler Brief, worin er sich der Beteiligung am Judenmord rühmte.

Hoffs erste Wortmeldungen nach Kriegsende datieren vom Juli 1946 aus britischen Gefangenenlagern. Als „vertriebener Ostpfarrer“ bewarb er sich in Hamburg um eine Stelle. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP verschwieg er nicht. Er habe von der Partei eine „besondere Förderung der christlichen Belange“ erwartet. Die Hamburger Kirche verwies auf die noch ausstehende Entnazifizierung des Bewerbers und lehnte ab.

Später widerrief Hoff seinen Brief

Inzwischen war in der Berliner Kirchenleitung ein Disziplinarverfahren gegen Hoff in Gang gekommen. Die Befragung ehemaliger Kollegen im Konsistorium ergab kein günstiges Bild. Auch war der fatale Brief von 1943 wieder aufgetaucht. Mit Urteil vom 15. November 1949 erkannte die Behörde auf „Entfernung aus dem Dienst“ mit Verlust der Rechte des geistlichen Standes. Das Urteil wurde mit kirchlichem Fehlverhalten begründet.

Die Frage des Judenmords blieb ungeklärt. Hoff widerrief seinen Brief und behauptete, er sei von der Gestapo beschattet worden und habe sich durch Vortäuschung solcher Taten schützen wollen. Er legte Berufung ein. Durch die Dienstentlassung sei sein Ansehen schwer geschädigt worden.

Schrittweise Rehabilitierung seit den 1950ern

1952 verhandelte die oberste kirchliche Disziplinarinstanz in Bielefeld erneut. Durch Urteilsschrift vom Juli 1952 bestätigte der Disziplinarhof der EKD das 1949 ergangene Urteil gegen Hoff.

Wie so viele Entnazifizierungsverfahren während der „Ära Adenauer“ nahm auch der „Fall Hoff“ den Weg einer schrittweise erfolgenden Rehabilitierung. Seit 1953 zeigte sich Hoff in zahllosen Eingaben an die Berliner Kirchenleitung bußfertiger. Er bat, einem reuigen Sünder zu verzeihen.

Spielte eine Schlüsselrolle bei der Rehabilitierung Hoffs: Der Berliner Bischof Otto Dibelius, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands.
Spielte eine Schlüsselrolle bei der Rehabilitierung Hoffs: Der Berliner Bischof Otto Dibelius, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands.

© picture-alliance / dpa / Gerhard Rauchwetter

Eine Schlüsselrolle bei der Rehabilitierung fiel Bischof Otto Dibelius zu, der seit 1949 zugleich Ratsvorsitzender der EKD war. Durch neuen Beschluss vom 28. Februar 1957 erkannte das Berliner Konsistorium Hoff erneut die Rechte des geistlichen Standes zu.

Der Theologe, der jetzt im Bereich der Hannoverschen Landeskirche wohnte, wurde in die Ostpfarrerversorgung aufgenommen und erhielt Aufträge zur Krankenhausseelsorge. Seit April 1960 gewährte die Landeskirche Berlin-Brandenburg ihm ein Ruhegehalt von 540 DM monatlich.

Als Hoff im März 1960 seinen 70. Geburtstag feierte, übersandte ihm Walter Ködderitz von der Hannoverschen Landeskirche Segenswünsche: „Gottes Güte und Freundlichkeit hat Sie durch gute und schwere Jahre … treu geleitet. Dafür sind Sie IHM sicherlich von Herzen dankbar. (…) Aus den Erfahrungen Seiner Wohltaten in Ihrem Leben werden Sie gewiss in die Worte des Psalmsängers einstimmen: ,Ich gedenke an die vorigen Zeiten; ich rede von allen deinen Taten und sage von den Werken deiner Hände.’“

Gottes Güte und Freundlichkeit hat Sie durch gute und schwere Jahre … treu geleitet.

Walter Ködderitz von der Hannoverschen Landeskirche überbringt Hoff zum 70. Geburtstag Segenswünsche.

Wie die Historikerin Dagmar Pöpping berichtete, wurde der „Fall Hoff“ Ende der 1960er Jahre in der Zentralen Ermittlungsstelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg aktenkundig. Es fanden sich Indizien, dass er an Massenerschießungen von Juden durch das Einsatzkommando 8 bei Klimowitschi (Weißrussland) beteiligt war.

Für eine Anklageerhebung reichten die Unterlagen offenbar nicht aus. Hätten der Zentralen Stelle zu diesem Zeitpunkt die kirchlichen Unterlagen vorgelegen, hätte womöglich ein Strafverfahren eröffnet werden können. Pfarrer a. D. Walter Hoff verstarb 1977 im Alter von 87 Jahren in Hamburg. Nach seinem Tod wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Für Jahrzehnte wuchs Gras über die Sache. Um das Jahr 2000 hatten wissenschaftliche Forschungen den Fall publik gemacht. Die damalige Berlin-Brandenburger Kirchenleitung unter Bischof Wolfgang Huber wusste von den Dingen. Eine kirchliche Stellungnahme ist nicht bekannt. Einen neuen Impuls erhielt das beschwiegene Thema durch das Projekt „House of One“, das auf den Grundmauern der St. Petrikirche errichtet werden soll. Es war jene Kirche, an der Hoff als Pfarrer und Propst von Kölln amtierte.

Seit 2012 wurden die Initiatoren wiederholt auf dieses unbequeme Erbe hingewiesen und aufgefordert, den Fall aufzuarbeiten und in ihr kirchliches Versöhnungsprojekt einzubeziehen. Lange Jahre geschah wiederum fast nichts. Erst neuerdings haben sich die Protagonisten des House of One samt Landeskirche (EKBO) entschlossen, den „Fall Hoff“ erforschen zu lassen und im Rahmen ihres zukünftigen Drei-Religionen-Hauses mit diesem kirchlichen Erbe angemessen kritisch umzugehen.

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