zum Hauptinhalt
Taï-Schimpansen lauschen aufmerksam ihren Artgenossen, die sie in einiger Entfernung hören.

© Roman M. Wittig/TCP

Taktische Kriegsführung: Schimpansen nutzen Hügel für Spionage

Spionierende Schimpansen? Dieses Phänomen beschreibt eine Studie, der zufolge die Menschenaffen Hügel nutzen, um ihre Nachbarn auszuspähen. Was sie aus den Informationen machen, galt bislang als einzigartig für Menschen.

Von Valeria Nickel, dpa

Schimpansen nutzen Hügel zur taktischen Spionage in feindlichem Gebiet. Wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom „Taï Chimpanzee Project“ in einem Nationalpark der Elfenbeinküste beobachteten, klettern Schimpansen auf Berge, um feindliche Nachbargruppen auszuhorchen und für sich weniger riskante Reiserouten zu finden. Bis jetzt galt diese Kunst der Kriegsführung als einzigartig für Menschen, so die in der Fachzeitschrift „PLOS Biology“ erschienene Studie.

Die taktische Kriegsführung gilt als treibende Kraft der menschlichen Evolution.

Sylvain Lemoine, Anthropologe am Institut für Archäologie der Universität Cambridge

„Die taktische Kriegsführung gilt als treibende Kraft der menschlichen Evolution“, sagt Sylvain Lemoine, Anthropologe am Institut für Archäologie der Universität Cambridge und Hauptautor der Studie, in einer Mitteilung. Demnach nutzten Menschen hochgelegene Gebiete, um Feinde aus dem Hinterhalt anzugreifen, Schutz zu suchen und um sich über Anzahl und Position ihrer Rivalen zu informieren.

Westafrikanische Schimpanse auf der Suche nach Rivalen.
Westafrikanische Schimpanse auf der Suche nach Rivalen.

© Antoine Valé/TCP

Die Entscheidung darüber, wie es auf Grundlage dieser Informationen möglichst ohne großes Risiko für die Gruppe weitergehe, erfordere anspruchsvolle kognitive Fähigkeiten, merken die Forschenden an. Nun haben sie das Taktieren auch bei Territorialkonflikten von Westafrikanischen Schimpansen (Pan troglodytes verus) beobachtet. Das helfe bei der Verteidigung oder Ausdehnung des eigenen Territoriums, kommentiert Lemoine.

Das Forschungsteam begleitete von 2013 bis 2016 mehrere wild lebende, benachbarte Schimpansengruppen täglich acht bis zwölf Stunden lang. Jede Gruppe bestand aus 30 bis 40 erwachsenen Tieren. „Um ihr Territorium abzusichern und zu schützen, unternehmen Schimpansen regelmäßige Rundgänge in der Umgebung, die eine Art Grenzpatrouille darstellen“, erklärt Lemoine. Mithilfe von GPS-Trackern folgten die Forschenden den Menschenaffen bei ihren Streifzügen.

Wo sich die Gebiete überschnitten, kam es laut Studie manchmal zu Scharmützeln zwischen den Primaten. Das Team fand heraus, dass Schimpansen mehr als doppelt so häufig auf Hügel klettern, wenn sie sich einer umstrittenen Gebietsgrenze näherten, als wenn sie im Herzen ihres Territoriums unterwegs waren.

Außerdem ruhten sich die Schimpansen an höher gelegenen Orten eher aus, als lauten Aktivitäten wie Fressen nachzugehen. So könnten sie entfernte Geräusche von fremden Schimpansen besser hören, schlussfolgerten die Expertinnen und Experten. „Das sind weniger Aussichtspunkte als vielmehr Horchposten“, sagt Lemoine. Schimpansen trommeln auf Baumstämme und geben über einen Kilometer weit zu hörende Laute von sich, um mit Gruppenmitgliedern zu kommunizieren oder ihr Revier abzustecken.

Je weiter die rivalisierenden Nachbarn entfernt waren, desto wahrscheinlicher war es den Forschenden zufolge, dass die Gruppe in das feindliche Gebiet vorrückte: Wenn die Gegner 500 Meter entfernt waren, lag die Wahrscheinlichkeit etwa bei 40 Prozent; wenn sie 1000 Meter entfernt war, bei 50 Prozent. Bei 3000 Meter Entfernung ging es mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit weiter.

Die Forschenden stellten zudem fest, dass das Vorrücken wahrscheinlicher wurden, je höher die Schimpansen sich beim Spionieren befanden. Nachdem sie einen Hügel von 250 Meter Höhe besucht hatten, war ein Vorstoß um etwa 20 Prozent wahrscheinlicher als aus niedriger Höhe von 175 Metern – und dieser Unterschied nahm mit der Entfernung zwischen den Gruppen zu. Dies deute darauf hin, dass die Tiere die Höhenlage nutzten, um die An- oder Abwesenheit von Rivalen zu beurteilen, insbesondere bei größeren Entfernungen, so Lemoine.

Mit den Informationen vom Bergbesuch könnten die Schimpansen das Risiko verringern, auf ihre Feinde zu treffen, erläutert der Wissenschaftler. Schimpansen würden bei ihren Erkundungen Konfrontationen vermeiden, auch wenn Kämpfe durchaus vorkämen. Ein größeres Territorium sei für die Gruppen besser, weil sich das Nahrungsangebot und die Paarungschancen erhöhen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false