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John Oxford, Professor für Virologie, Royal London Hospital, Queen Mary University of London. (Archivbild)

© ddp/intertopics/eyevine/Gary Calton

Viren-Experte zu Wuhan-Virus aus China: „Noch bin ich nicht sehr besorgt“

Ein neues Atemwegs-Virus breitet sich in China aus, es gibt Todesfälle. Wie groß ist die Gefahr? Ein Gespräch mit einem der weltweit führenden Viren-Experten.

John Oxford ist einer der weltweit bekanntesten Virologen. Er ist emeritierter Professor für Virologie an der Queen Mary University of London, aber nach wie vor in Forschung, Lehre und Politikberatung aktiv.

Professor Oxford, wie schätzen Sie die Situation um das Wuhan-Virus derzeit ein?
Ich bin immer noch nicht sehr besorgt.

Es gibt eine starke Zunahme der bekannten Erkrankungsfälle, Menschen sterben…
Ja, und der Ausbruch hat Ähnlichkeiten mit dem von Sars 2003. Aber diese Erreger sind insgesamt nicht besonders ansteckend, und dieser ist vielleicht sogar weniger ansteckend als Sars seinerzeit.

Warum?
Das legen die bisherigen Zahlen nahe. Grundsätzlich sind Coronaviren schlicht anders als etwa Grippeviren. Wenn der Ausbruch nicht von einem Corona-, sondern von einem Influenza-Virus herrühren würde, dann wäre ich sehr besorgt. Coronaviren haben aber nicht diese Schlagkraft. Sie verbreiten sich nicht so leicht, und bislang gibt es auch keine Anzeichen, dass sie auch nur annähernd vergleichbar schnell mutieren würden wie Influenza-Erreger. Zudem hat China aufgrund von Sars Erfahrungen mit solchen Coronaviren.

Kollegen von Ihnen kritisieren die chinesischen Behörden, diese kommunizierten nicht offen über den Ausbruch.
Es ist immer leicht, Leute, die weit weg sind, zu kritisieren. Ich kann das derzeit gar nicht einschätzen. Aber Fakt ist, dass die Behörden dort einerseits, wegen Sars, Erfahrungen mit Coronaviren haben, andererseits – und darüber bin ich gerade jetzt ganz besonders erleichtert – hat sich die Forschungsinfrastruktur in China seit Sars massiv verbessert. Dazu kommt, dass die Analysemethoden insgesamt heute viel besser sind. Man kann zum Beispiel sehr, sehr schnell Virenstämme genetisch identifizieren.

Reicht das aus? Gerade heute erhalten wir Meldungen über eine steigende Zahl der Fälle, dazu kommen die Sorgen vor einer Ausbreitung durch die Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest…
Fakt ist, dass wir es bislang mit einem lokal begrenzten Ausbruch des neuen Coronavirus zu tun haben – und ein paar ganz wenigen Fällen anderswo, die aber auch auf Wuhan zurückgehen. Und von den anderen Coronaviren wissen wir, wie man sie am besten eindämmt, vor allem durch Hygiene:  Hände waschen, möglicherweise kontaminierte Oberflächen reinigen, damit erreicht man schon sehr viel.

Heißes Wasser und Seife reichen. Dazu kommen die vergleichsweise langen Inkubationszeiten, die sind auch hilfreich. Die anstehende Reisewelle ist immer Grund zur Sorge, aber vor allem, weil ja auch noch jede Menge andere Keime unterwegs sind, die teilweise viel mehr Gefahr in sich bergen, Grippeviren etwa. Grippe ist deutlich virulenter, und an ihr sterben jedes Jahr eine halbe Million Menschen.

Könnte der Alarmzustand wegen des Wuhan-Virus also sogar unter dem Strich dazu führen, dass es dieses Jahr weniger Opfer von Atemwegs-Viren geben wird?
So ist es. „Nothing is for nothing“, sagen wir hier in England. Gerade, wenn es nur über einen begrenzten Zeitraum gehen muss, sind Menschen sehr gut darin, auf Hygiene zu achten und auch aufmerksam bezüglich Kontakten zu potenziell Infizierten zu sein. Zusammen mit den Maßnahmen der Behörden könnte so die Gesamt-Übertragungsrate gefährlicher Viren jetzt tatsächlich gesenkt werden.

Was müssen die Behörden jetzt tun?
Verdachtsfälle untersuchen, die Leute aufklären, auf Hygiene achten. Und vor allem: sich um die Quellorte dieser Infektionen kümmern, in diesem Fall diese Tiermärkte. In Hong Kong etwa ist es längst Routine, solche Märkte einmal im Monat zu schließen und zu desinfizieren.

In Asien sind seit Sars auch Scanner, die die Körpertemperatur anzeigen, an Flughäfen omnipräsent…
Die haben, soweit ich weiß, nicht einen einzigen Fall identifiziert. Man kann auch ganze Flughäfen schließen. Damit schafft man es, die regionale Wirtschaft massiv zu schädigen, aber auf die Verbreitung eines Virus hat es wenig Einfluss.

Was ist mit Medikamenten? Grundsätzlich ist es möglich, hocheffiziente Mittel gegen Viren zu entwickeln, gegen die ganze Herpes-Familie etwa gibt es die. Warum gibt es keine gegen Coronaviren?
Es geht immer um Ressourcen. Auch bei HIV hat man ja gesehen, dass es in kurzer Zeit möglich ist, hier effektive Wirkstoffe bis zum Patienten zu bringen. Die drei Coronaviren der letzten Jahre, Sars, Mers und das jetzige aus Wuhan, sollte man schon auch so interpretieren, dass es ganz sinnvoll wäre, auch hier nach antiviralen Mitteln zu suchen – und vor allem Impfstoffe zu entwickeln.

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